Designer:Frankreich ermittelt gegen Lagerfeld wegen Steuerhinterziehung

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Die Steuer? "Wird abgezogen von meinen Geschäftsleuten, ich kriege den Rest", sagt Karl Lagerfeld. (Foto: Patrick Kovarik/AFP)
  • Eine zu Lagerfelds Imperium gehörige Buchhandlung in Pariser Bestlage vermeldet hohe Millionenverluste.
  • Recherchen eines französischen Boulevardblattes zufolge soll Lagerfeld die Räume aber auch als Fotostudio für eine seiner anderen Firmen nutzen, für die er Steuer aber nur in London bezahlt.
  • Lagerfeld und der französische Fiskus stritten in den vergangenen Jahren bereits mehrfach über die Steuern des Modeschöpfers.

Von Christian Wernicke, Paris

Es ist inzwischen fast zwei Jahre her, da mokierte sich Karl Lagerfeld über den abgrundtiefen Fall des Steuersünders Uli Hoeneß. "Warum sind denn solche Leute so unvorsichtig?", rätselte der Designer im Gespräch mit Gala, "haben die denn keine guten Berater?" Nun sieht es so aus, als könnte sich der Deutsche mit Wohnsitz in Paris die Frage selbst noch mal stellen: Das Magazin L'Express berichtet, die französischen Steuerfahnder seien ihm auf den Fersen. Lagerfeld soll, so lautet der Vorwurf, ermuntert von seinem langjährigen Freund und Finanzberater Lucien Frylender mit Hilfe äußerst kreativer Steuersparmodelle innerhalb von sechs Jahren Einnahmen in Höhe von 20 Millionen Euro am Fiskus vorbeigemogelt haben.

Die Steuerfahnder konzentrieren sich bei ihren Ermittlungen vor allem auf das Haus Nummer 7 in der vornehmen Rue Lille, ganz in der Nähe des Pariser Boulevard Saint-Germain. Dort betreibt der vermutlich 82-jährige Lagerfeld eine eigene Buchhandlung, und weil der Vertrieb von ausgefallenen Werken zu Design oder Architektur wenig Umsatz macht, meldete das Geschäft zuletzt angehäufte Verluste von 6,6, Millionen Euro. Da schien also nichts zu holen für den französischen Staat - nur, so ergaben die Recherchen des Express: Die Räume in Lagerfelds Buchhandlung ("Librairie 7L") dienen auch als Studio, in dem der leidenschaftliche Hobbyfotograf gern Models ablichtet. Dieses "Studio 7L" meldet als Firmensitz aber nicht Paris, sondern London - und versteuert seine mutmaßlichen Gewinne ebenda.

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Den Argwohn der Finanzbeamten erregte obendrein noch eine zweite Gesellschaft im Steuerparadies Irland namens "Photofan", die allerlei Patente des Modeschöpfers verwaltet. Ausgedacht habe sich all das, schreibt das Blatt: Lucien Frylender.

Frylenders Kanzlei wollte sich am Donnerstag auf SZ-Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern: "Kein Kommentar." Auch das französische Finanzministerium verweigerte jede Auskunft - das verbiete das Steuergeheimnis. Auch die Firma Chanel, deren Kreativdirektor Lagerfeld ist, äußert sich nicht; Steuerangelegenheiten sind schließlich Privatsache. Nur unwesentlich redseliger zeigt sich Caroline Lebar, Lagerfelds persönliche Sprecherin: "Dies sind alles nur Verdächtigungen", sagt sie am Donnerstag am Telefon, "der Express schreibt nur im Konjunktiv." Allerdings bestätigt Lebar immerhin, dass es zwischen dem Finanzministerium und Finanzberater Frylender "vertrauliche Gespräche" um die Steuererklärungen ihres Klienten gebe: "Karl Lagerfeld selbst kümmert sich nicht um solche Dinge."

"Ich lebe in einer von der Realität getrennten Welt"

So ähnlich hat sich Lagerfeld in den vergangenen Jahren auch selbst geäußert. Steuer? "Ich sehe das selbst nicht", versicherte er im April 2014, "das wird abgezogen von meinen Geschäftsleuten, ich kriege den Rest." Sein Brutto-Einkommen wird auf jährlich rund 40 Millionen Euro, sein Vermögen auf stolze 350 Millionen geschätzt. Der gebürtige Hamburger hat sich unter anderem in Monaco registriert. Da er jedoch gern und viel in Paris lebt, hat sich Lagerfeld mit dem französischen Fiskus auf einen Kompromiss geeinigt: Er zahle "eine Art Kurtaxe" in Höhe von zwei Millionen Euro jährlich, erklärte er 2012.

Das war, nachdem ihn ein jahrelanger Steuerstreit verfolgt hatte. Wieder und wieder verlangte Bercy, das mächtige Finanzministerium, Nachzahlungen. Gerüchte, die frühere Präsidentengattin Bernadette Chirac habe sich für einen Nachlass für ihr Idol verwendet, waberten vor 15 Jahren über die Seine. Später hing dem Deutschen dann noch der Verdacht an, er habe dem damaligen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn mehr als 20 Millionen Euro Steuerrabatt abgehandelt - und im Tausch habe Lagerfelds Anwalt dem Sozialisten eine Video-Kassette mit belastendem Material gegen Jacques Chirac überlassen. Bewiesen wurde davon nie etwas.

Freunde Lagerfelds glauben nicht, dass er sich auf Winkelzüge einlässt. Der Modemann sei schlicht zu sehr mit seiner Arbeit "und mit sich selbst beschäftigt", sagen die, die ihn kennen. Von den angeblichen Arrangements mit zwei französischen Immobilienfirmen, die mehrere seiner schicken Pariser Appartements verwalten und offenbar über eine Mutterfirma im US-Bundesstaat ihre Steuerschuld kalkulieren, dürfte Lagerfeld kaum die Details gekannt haben.

"Ich lebe in einer von der Realität getrennten Welt", hat Karl Lagerfeld einmal gesagt, "ich kümmere mich nur um meine Arbeit." Gut möglich, dass ihn nun die Wirklichkeit einholt.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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