Thailand:Ausrangierte Attraktionen

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Höllenritt: Elefanten in Thailand leiden unter dem Tourismus - ohne ihn leiden sie aber auch. (Foto: Imago)

Vor der Corona-Krise wurden Elefanten in Thailand oft als Reit- und Spaßtiere für Touristen missbraucht. Jetzt bleiben die Urlauber weg - und für viele Elefanten kommt alles noch schlimmer.

Von Arne Perras, Singapur

Lek Chailert ist in Eile, als sie an diesem Mittwochmorgen in Chiang Mai ans Telefon geht, gleich muss sie los, der Plan lautet an diesem Tag, vier in Not geratene Elefantenkälber zu retten, von denen sie gerade erfahren hat. Fast jeden Tag stehen nun solche Aktionen an, die prominente Tierschützerin aus dem Norden Thailands sagt, dass schlimme Zeiten drohen für all die Elefanten, die in Gefangenschaft leben. In Thailand sind das 3700 Tiere, mehr als es dort noch in der Wildnis gibt.

In Zeiten von Covid-19 kämpfen die Menschen überall gegen die Seuche, der Tourismus ist zusammengebrochen, und das bekommen nun auch die Elefanten zu spüren. Sie bringen kein Geld mehr ein, aber ihr Unterhalt ist aufwendig und teuer.

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Solange Millionen Besucher ins Land strömten, blühte das Geschäft. Tausende Thailänder lebten davon, Elefanten zu halten und vorzuführen. Sie ließen sie Kunststücke vorführen oder im Fluss mit Touristen baden oder schnallten ihnen eine Plattform auf den Rücken, damit sie die Urlauber durch die Gegend schaukeln konnten. Diese Zeiten sind nun erst mal vorbei, die Einkünfte weggebrochen, die Elefantenhüter arbeitslos.

"Es sieht düster aus"

Und die Elefanten? "Vielleicht halten sie diesen Monat noch durch", sagt Chailert, aber wenn diese Verhältnisse noch länger andauern, sehe es düster für die Tiere aus, sagt sie. "Viele bekommen schon jetzt weniger Futter, als sie brauchen", sagt die Elefantenschützerin. Manche können nur noch überleben, weil Thailänder und Ausländer Geld spenden, um das Schlimmste zu verhindern.

Ganz vorne an der Front der Retter kämpft Chailert, schon seit vielen Jahren arbeitet sie daran, die Leiden gefangener Elefanten zu lindern, bessere Verhältnisse für sie zu schaffen, sie hat Grausamkeiten angeprangert, vor allem bei der Zähmung, die ohne extreme Demütigungen und Schmerzen eigentlich nicht auskommt, und sie hat sich damit zahlreiche Feinde gemacht. "Würde ich zu all den Missständen einfach schweigen, hätte ich ein ruhiges nettes Leben", sagt Lek. Aber sie könne das nicht ertragen, die Wahrheit müsse doch raus, sagt sie, auch wenn sie dann Vorwürfe höre, sie würde das Bild Thailands beschmutzen. Das findet sie verlogen. "Statt die Verhältnisse zu verstecken, sollten wir sie ändern."

Jetzt, in Zeiten von Corona, ist alles noch komplizierter. Zwar fallen für manche Elefanten die Schindereien als Touristenträger weg, doch Lek fürchtet, dass manche der Tiere nun dort enden könnten, wo die Qualen extrem sind: im illegalen Holzgeschäft, an der Grenze zu Myanmar. Dort wird ohne Lizenz immer noch gerodet, und dort kann man Elefanten zum Schuften gut brauchen. Lek Chailert hat diese qualvollen Einsätze mit Bildern schon früh dokumentiert, selbst für ein so kräftiges Tier wie einen Elefanten sind die Arbeiten verheerend. Seit 1989 ist es in Thailand verboten, Elefanten als Waldarbeiter einzusetzen.

Lek Chailert, hier bei einer Filmpremiere in München, setzt sich seit fast 30 Jahren für den Schutz von Elefanten ein. (Foto: Robert Haas)

Früher hätten Käufer für ein Elefantenjunges bis zu 80000 Dollar gezahlt, sagt Chailert, ältere Tiere ließen sich für 10000 bis 15000 Dollar kaufen. "Aber jetzt kauft niemand mehr", sagt Lek. In Zeiten von Corona sind Elefanten, ökonomisch betrachtet, ein beträchtlicher Kostenfaktor. Sie verzehren täglich bis zu 400 Kilogramm Futter und brauchen, um gesund zu bleiben, eine vielfältige Kost; dafür muss ein Halter etwa 30 bis 40 Euro am Tag aufbringen, zum Vergleich: diese Summe übersteigt den staatlich festgelegten Mindestlohn eines Arbeiters in Thailand um das Dreifache.

Chailerts Stiftung "Save Elephant Foundation" setzt ihre Mittel in Corona-Zeiten dafür ein, Elefanten vor dem Verhungern zu bewahren oder besser unterzubringen. Logistisch ist das mühsam, es gibt Reisebeschränkungen zwischen den Provinzen und nachts Ausgangssperren, längere Fahrten mit dem Truck sind deshalb kompliziert, manchmal muss Chailert nun mehrere Stunden laufen mit den Elefanten, um sie von einem Ort zum anderen zu verlegen.

Seit Beginn der Corona-Krise hat die Aktivistin schon mehr als 1000 Elefanten versorgt, einzelne Tiere bringt sie, wenn es nicht anders geht, in ihren eigenen Park, wo vorher bereits 84 Elefanten lebten. Sie haben viel Freiraum und werden nicht mehr als Reit- oder Zirkusattraktion missbraucht werden. Inzwischen sind es nahezu 100.

Und die vier Elefantenjungen, von denen sie am Morgen sprach? Chailert kann sie an diesem Tag nur besuchen, drei von ihnen sind noch sehr klein: drei, vier und fünf Jahre alt. Dazu kommt noch ein 13-Jähriger. Der größere musste zuletzt für Touristen Kunststücke vollführen wie im Zirkus. Männchen machen, solche Sachen, dafür aber sind Elefanten nicht gebaut; die Kleinen dagegen, die man schon früh von ihren Müttern getrennt hat, mussten für Selfies mit Besuchern herhalten.

Festgekettet im Verschlag

Jetzt, wo es keine Shows und kein Programm mehr gibt im Elefantencamp, sind die vier nicht mehr gefragt. Das Camp, wo sie vorher auftraten, will sie gar nicht mehr haben, deshalb hat der Mahut - so heißen die Elefantenführer - nun die Tiere bei sich zu Hause festgekettet in einem Verschlag, ohne jeden Auslauf. Sie bekommen zwar noch Nahrung, weil Chailert jetzt dafür bezahlt. Aber sie können sich nicht bewegen. Das stresst die Tiere enorm, weshalb die Elefantenaktivistin sie gerne zu sich in ihren Park holen möchte.

Allerdings braucht Chailert noch ein paar Tage Geduld, erst müssen die Behörden die nötigen Papiere ausstellen, damit die Tiere umziehen dürfen. Der Mahut darf übrigens auch nicht mehr ins Camp, wo er vorher arbeitete. "Sie haben Angst, er könnte das Virus einschleppen", sagt Chailert. So ist auch er nun ein Ausgestoßener, wie seine vier jungen Elefanten.

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