Vor langer, langer Zeit, die Älteren werden sich erinnern, trug sich im Mönchengladbacher Borussia-Park im vorcoronalen Februar 2020 Folgendes zu: Fans der Gladbacher Ultra-Szene beschimpften den Hoffenheimer Fußballvereinszüchter Dietmar Hopp unflätig und wedelten dazu mit einem Fadenkreuz-Banner. Der Aufschrei war groß, Gladbachs Manager Max Eberl sprach von "Hornochsen", auch der DFB protestierte. Die Ultras wiederum warfen dem DFB vor, gar keinen Protest mehr gegen die Kommerzialisierung des Fußballs zu dulden, also in etwa: Was wollt ihr eigentlich, ein Publikum aus stummen Pappkameraden?
Drei ultralange Monate später ist der Borussia-Park tatsächlich fast voll mit Pappfiguren. 1900 Cent (Gründungsjahr der Borussia) kostet so ein Alter Ego aus Karton, bestellbar über das Fanprojekt, das einen Teil des Geldes an wohltätige Einrichtungen spendet. Foto machen (von der Bauchnabelhöhe an aufwärts), hochladen, fertig. Ein Scherz? Ein stummer Massenprotest gegen den DFB? Nein, einfach nur eine kreative Maßnahme in Zeiten von Corona, um ein Stadion ohne jegliche Ansteckungsgefahr zu füllen.
Sie pöbeln nicht und grölen nicht
Wenn die Bundesliga also bald wieder startet, mit sogenannten Geisterspielen ohne Publikum, dann werden nur im Borussia-Park Zuschauer dabei sein. Zuschauer, die nicht murren, die mit großer Wahrscheinlichkeit niemanden böse beschimpfen, ja, Zuschauer, die so brav sind, dass sie sogar Gegentore der Borussia mit einem eingefrorenen Lächeln hinnehmen werden.
Nur leider verbreiten diese Zuschauer auch keine ansteckende Stimmung. Sie singen keine Schlachtgesänge, raunen nicht, jubeln nicht, dichten keine Fan-Lyrik ("Mit wem geht deine Freundin fremd? Oscar, Oscar Wendt"). Nach ein paar Geisterspielen wird sich dann womöglich selbst der DFB wünschen, die stillen Pappkameraden wären singende Hornochsen.