Brüssel reagiert auf Futtermittel-Skandal:Herkunftsstempel für jedes Stück Fleisch

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Seit dem BSE-Skandal muss die Herkunft von Rindfleisch nachvollziehbar sein - so eine Regelung will die EU-Kommission nun für alle Fleischsorten durchsetzen, die Industrie sträubt sich.

D. Stawski und D. Kuhr

Nach dem jüngsten Dioxin-Skandal erwägt die Europäische Kommission, künftig alles Frischfleisch in Europa kennzeichnen zu lassen. Verbraucher könnten dann auch bei Hühner-, Schweine- oder Lammfleisch erkennen, woher genau es kommt. Bislang gilt diese Kennzeichnungspflicht nur für Rindfleisch. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) will die Regeln für Futtermittel-Betriebe verschärfen.

Wo das Stück Schwein herkommt, soll künftig durch einen Stempel ersichtlich werden - wenn sie die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag durchsetzt. (Foto: dpa)

Der Sprecher von EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli sagte am Montag in Brüssel, durch eine Kennzeichnungspflicht bekämen die Verbraucher die Möglichkeit, genau zu erfahren, wo ein Tier geboren, gemästet und geschlachtet wurde. Das erhöhe die Transparenz für Kunden. Für Rindfleisch war die Pflicht nach dem BSE-Skandal im Jahr 2000 eingeführt worden.

Verbraucherschutzministerin Aigner setzt sich seit längerem dafür ein, die Kennzeichnungspflicht auszuweiten. Die Lebensmittelindustrie lehnt dies ab. Die geltenden Vorschriften zur Etikettierung seien ausreichend, sagte eine Sprecherin des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Derzeit muss die Herkunft nur dann angegeben werden, wenn der Verbraucher sonst in die Irre geführt werde. Das gelte für geschützte Produkte wie den Parma-Schinken. Wenn man die Regeln immer weitertreibe, werde die Kennzeichnung "nicht mehr praktikabel", warnte sie.

EU-Kommissar Dalli will noch in dieser Woche mit Industrievertretern über Konsequenzen aus dem Dioxin-Skandal beraten. In anderen EU-Ländern wächst die Sorge, dass dort belastete Produkte aus Deutschland in die Supermärkte gelangen könnten. Die Kommission wies jedoch Forderungen nach einem Importverbot für deutsches Fleisch zurück. Das sei überzogen. Die Dioxinbelastung bedeute "keine unmittelbare Gefahr", sagte Dallis Sprecher. Bislang hat nur Südkorea die Einfuhr von deutschem Schweinefleisch und Geflügel gestoppt.

Erste Höfe wieder freigegeben

In Deutschland sind mittlerweile die meisten der bis zu 4700 gesperrten Höfe wieder freigegeben worden. Bei ihnen haben die Auswertungen von Proben keine Überschreitung der Grenzwerte für Dioxin ergeben. Derzeit seien noch knapp 1500 Betriebe gesperrt. Wann sie freigegeben werden, konnte Aigner nicht sagen. Klar sei jedoch: "Der gesundheitliche Verbraucherschutz hat Vorrang vor allen wirtschaftlichen Interessen."

Die Behörden würden mit Hochdruck daran arbeiten, den Fall aufzuarbeiten, sagte Aigner am Montag in Berlin. Der Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein hatte im vergangenen Jahr 3000 Tonnen dioxinbelastetes Futterfett an Futtermittel-Hersteller in mehreren Bundesländern geliefert und damit den Skandal ausgelöst. Woher das Dioxin genau stammt, war am Montag noch unklar. Behauptungen von Verbraucherschützern, es stamme aus Pestizidrückständen, bezeichnete das Ministerium als Spekulation.

Aigner hatte sich am Vormittag mit Vertretern der Futtermittelindustrie, der Landwirtschaft und Verbraucherschützern getroffen, um zu beraten, wie die Lebensmittelkette sicherer werden könne. Ihrer Ansicht nach sollten für Futtermittel-Betriebe schärfere Zulassungspflichten gelten und die Produktionsströme strikt getrennt werden. "Futterfette dürfen nicht in Anlagen hergestellt werden, die gleichzeitig Stoffe für die technische Industrie produzieren." Zudem müsse der Strafrahmen überprüft werden. Die Täter hätten "skrupellos" gehandelt, sagte Aigner. "Der Fall muss und wird Konsequenzen haben."

© SZ vom 11.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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