Prozess:Prozess um rassistischen Brandanschlag

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Eine Strafgesetzbuch liegt in einem Sitzungssaal. (Foto: Nicolas Armer/dpa/Symbolbild)

Vor 32 Jahren stirbt ein Mensch in den Flammen eines Asylbewerberheims. Vor dem OLG Koblenz ist dafür ein 52-Jähriger angeklagt. Der Prozess ist kurz vor dem Ende - und doch sind noch Fragen offen.

von Mona Wenisch, dpa

Koblenz (dpa) - Hat der Mann auf der Anklagebank vor mehr als 32 Jahren einen Brand in einem Asylbewerberheim in Saarlouis gelegt und damit einen jungen Mann ermordet? In diesem Punkt sind sich die Anwälte der Nebenklage und der Verteidigung am Dienstag im Oberlandesgericht (OLG) Koblenz uneins. Beide Seiten zeichnen beim Prozess ein sehr unterschiedliches Bild der damaligen Geschehnisse.

Die Anwälte des 52-jährigen Angeklagten sprechen in ihrem Plädoyer von einem orientierungslosen, nach Anerkennung suchenden jungen Mann, der Anfang der 90er-Jahre „gewissermaßen zufällig“ in die rechte Szene geraten sei. „Er strebte nach Rückhalt und dem Gefühl der Anerkennung“, sagte Anwalt Kai-Daniel Weil. Wäre sein Mandant auf Personen der linken statt der rechten Szene gestoßen, hätte er sich denen angeschlossen. Die politische Einstellung sei eine „Kompensation der emotionalen Unterversorgung“ gewesen, sagte Anwalt Guido Britz. „Das Verfahren und alles was damit zusammenhängt belasten ihn sehr.“

Die Anklage wirft dem deutschen Angeklagten vor, 1991 einen Brand in einem Asylbewerberheim in Saarlouis gelegt zu haben. Der 27-jährige Asylbewerber aus Ghana Samuel Yeboah war damals gestorben. Die Verteidigung blieb am Dienstag bei der Version der Tatnacht, die der Angeklagte auch schon in seinem Geständnis wiedergegeben hatte: Das Feuer habe ein damaliger Bekannter aus der Neonazi-Szene gelegt. „Er war als Unterstützung dabei“, sagte Weil zur Rolle des Angeklagten.

Der 52-Jährige sei laut Verteidiger nicht Einzeltäter, sondern vielmehr Mitläufer gewesen. Die Anwälte forderten daher eine Höchststrafe von vier Jahren und sechs Monaten für Beihilfe zum Mord, zu versuchten Morden sowie zu besonders schwerer Brandstiftung.

Die Anklage hatte am Montag neun Jahre und sechs Monate Haft für den Angeklagten gefordert, für sie ist er der Haupttäter. In dem Prozess plädierten sowohl Anklage als auch Verteidigung für die Anwendung von Jugendrecht, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt war. Damit liegt die Höchststrafe in diesem Prozess bei 10 Jahren.

Die Anwälte der Nebenklage glauben nicht an die Version des Angeklagten. Für sie steht fest: Der heute 52-Jährige hat den Brand gelegt. Damit habe er ein Fanal setzen, andere für weitere Taten animieren und Anerkennung erlangen wollen, sagte Nebenklagevertreter Alexander Hoffmann. „Er handelte aus Rassismus.“

Die Vertreter der Nebenklage berichteten in ihren Plädoyers vom Schmerz der Betroffenen - auch mehr als 30 Jahre nach der Tat. Sein Mandant leide noch heute psychisch unter dem rassistischen Anschlag auf sein Leben, sagte der Anwalt Christian Schmitt. „Auch wenn die Tat nun 32 Jahre zurückliegt, so ist der Schmerz noch immer da.“ Die Angst und die Hilflosigkeit würden noch heute tief sitzen.

Die ersten Ermittlungen zu dem Brandanschlag waren damals eingestellt worden. Kritik an dem Vorgehen der Behörden wurde auch am Dienstag geäußert. „Die eigenen Vorurteile der ermittelnden Beamten haben die damaligen Ermittlungen beeinflusst“, sagte Hoffmann. „Die gesamten Ermittlungen sind ein Paradebeispiel für institutionellen Rassismus.“ Die Tat des Angeklagten habe andere Taten motiviert, sagte Nebenklagevertreterin Kristin Pietrzyk. „Der Angeklagte drehte mit an der Spirale der Gewalt.“

Erst durch die Aussage einer Zeugin wurden die Ermittlungen zu dem Fall viele Jahre später wieder aufgenommen. Diese hatte der Polizei von einem mutmaßlichen Geständnis des Angeklagten bei einer Grillparty berichtet - ein „Akt des menschlichen Anstands“, wie Nebenklagevertreter Björn Elberling sagte. Die späte Verhandlung sei ein Zeichen an die Täter anderer unaufgeklärter Taten, dass sie sich nie sicher sein könnten. „Denn Mord verjährt nicht.“ Das Urteil in dem Prozess wird am 9. Oktober erwartet.

© dpa-infocom, dpa:230925-99-330474/4

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