Radaranlagen:Hey Siri, wo wird geblitzt?

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Bald nur noch optisch interessante Objekte im öffentlichen Raum? (Foto: Detailfoto/Shotshop/Imago Images)

In einer baden-württembergischen Gemeinde steht ein Radargerät, dessen Unterhalt deutlich teurer ist als die Einnahmen. Über den Sinn und Unsinn solcher Apparate im Zeitalter der Warn-App.

Von Martin Zips

Natürlich meinte der große Dichter Maxim Gorki keine Radarfalle, als er einst schrieb: "Die wahre Liebe trifft wie der Blitz mitten ins Herz, und sie ist stumm wie der Blitz." Auch jenseits von Romantik verfängt Gorkis schönes Bild noch heute, das weiß jeder, der mal - mit leicht überhöhter Geschwindigkeit - durch das herrlich hügelige Remshalden gerauscht ist.

Dort, der Ort liegt in Baden-Württemberg, fanden sich in den 1990er-Jahren noch vier stationäre Anlagen, welche mit ihren stummen Blitzen berührten, wenn auch in einem anderen Sinne als dem von Gorki gemeinten. Die Remshaldener Radarkästen blitzten nicht nur Langsamkeit herbei, sondern auch Geld in die Ortskasse. Zu wahrer Liebe führte ihre Anwesenheit in der 14 000-Einwohner-Gemeinde trotzdem nicht, vor fünf Jahren wurde der vorletzte von ihnen am Ortsausgang in Richtung Grunbach abgebaut. Straßenarbeiter hatten ihn zuvor unglücklich, aber sicher nicht in böser Absicht, touchiert.

Für Remshalden ist das schade, hatte das vorletzte Gerät der Gemeinde bei nur 4500 Euro Verwaltungskosten doch 65 000 Euro an Einnahmen beschert. Nun bleibt nur noch der stationäre Blitzer in der Schorndorfer Straße übrig, welcher jedoch, so weiß die Stuttgarter Zeitung zu berichten, mit seinen absolut läppischen 27 Buß- und Verwarngeldern pro Jahr die um ein Fünffaches höher liegenden Verwaltungskosten zuletzt nicht mal ansatzweise decken konnte.

In München ist die Blitzerdichte gering

Auch wenn es Bielefeld in Nordrhein-Westfalen ist, welches derzeit die wohl kommerziell erfolgreichste Radaranlage in Deutschland betreibt (ein einziger Blitzer beschert der Stadt sieben Millionen Euro im Jahr), in Sachen Bußgeld muss sich Baden-Württemberg von niemanden etwas sagen lassen: In keinem anderen Bundesland wird häufiger geblitzt. Was die Menge der fixen Anlagen insgesamt angeht, führt laut der Erhebung einer fleißigen Anwaltskanzlei bei den größten deutschen Städten Köln mit 54 Beton-Blitzern vor Wuppertal (45) und Bremen (43). Berlin, Hamburg und München kommen erst später.

Wer heute nicht nur gerne schnell unterwegs, sondern auch technisch versiert ist, der hat - gut versteckt - freilich längst eine dieser Apps am Handy, welche mit sanfter Stimme und für nur wenig Geld europaweit vor so gut wie jeder Radarfalle warnen. Offiziell ist in Deutschland die Verwendung verboten, aber wer bekommt's schon mit, wenn während der Polizeikontrolle mal wieder jemand aus dem Lautsprecher haucht? Könnte ja auch eine Sprachnachricht der wahren Liebe sein. Im Netz wird die Software jedenfalls so beworben: "Schalte die App während der Fahrt immer ein". Na klar!

Und so ehrt es Remshalden, dass es auch weiterhin sein altes öffentliches Inventar derart liebevoll pflegt. Gerade Stummes wie die Zeitungsbox belebt ein Stadtbild doch ungemein. Und dennoch dürften angesichts immer neuer technischer Möglichkeiten ( Bild: "Lastwagen-Mafia aus Osteuropa: Maut-Beschiss mit Geheimgerät - Deutscher Fahrer packt aus") mehr und mehr Kommunen mit ihren Anlagen ein echtes Finanzierungsproblem bekommen. Und das geht einem halt schon ans Herz.

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