Biblische Zitate:Ach, du lieber Gott!

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Die Bibel bleibt präsent in Sprache und Kultur. Hier spielt Charlton Heston im Film "Die zehn Gebote" den Moses. (Foto: imago stock&people)

Egal, ob es um Unwetter, Heavy-Metal-Konzerte oder Borussia Dortmund geht: Immer wieder werden Metaphern aus der Bibel bemüht. Aber versteht die überhaupt noch jemand?

Von Martin Zips

Von einer "Apokalypse wahrhaft biblischen Ausmaßes" sprach gerade der Bürgermeister der vom Unwetter besonders heimgesuchten slowenischen Gemeinde Dravograd, internationale Nachrichtenagenturen griffen es sofort auf. Apokalypse und Bibel - das zieht immer. Auch beim Heavy-Metal-Festival in Wacken ging es (folgte man zum Beispiel dem Magazin Stern ) zuletzt "sintflutartig" zu. Der theologisch versierte Leser wusste sofort: Die Sintflut wird in der Bibel, nämlich im Ersten Buch Mose, als göttliche Strafe für sündige Menschen beschrieben. Angesichts dunkel gekleideter Rocker mit Schaumkanonen oder Feuerfunzeln auf der Bühne ergab das womöglich sogar Sinn.

Wenn das mit den beschriebenen biblischen Katastrophen jedenfalls so weitergeht, so droht uns am Ende ganz bestimmt ein "Klima-Armageddon" (so die Welt am Sonntag kürzlich in Bezug auf die letzte, Armageddon genannte Entscheidungsschlacht in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 16, Vers 16). Die Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" haben uns ja schon oft davor gewarnt. Unverständlich nur, dass ihnen jüngst bei einer Aktion in Dresden ausgerechnet ein Abgeordneter der Grünen "die Leviten las" (die Bild-Zeitung verweist hier auf das Dritte Buch Mose).

Man sollte sich von den aktuellen Kirchenaustrittszahlen nicht irritieren lassen. Das, was der Papst gerade wieder gefordert hat (Christen sollten keinesfalls zu Funktionären oder "Staatsklerikern" werden, sondern "leidenschaftliche Verkünder des Evangeliums" sein), wird offenbar gelebt. Und so erstarrten zum Beispiel in einem Text der Neuen Zürcher Zeitung kürzlich die Fußballspieler von Borussia Dortmund nach dem Schlusspfiff gegen Mainz zur "Salzsäule" (ganz so wie Frau Lot im Buch Genesis, 19, 26, als sie sich entgegen dem göttlichen Verbot noch mal in Richtung Sodom und Gomorrha umgedreht hat). Prinz Harry wiederum fühlt sich (laut Spiegel) von seiner Stiefmutter Camilla auf dem "PR-Altar geopfert" (vgl. hierzu den Ersten Korintherbrief, Kapitel 10). Und der ehemalige Maut-Minister Andreas Scheuer ist, glaubt man zumindest der Mainzer Allgemeinen Zeitung, wohl doch nur der "Sündenbock" der CSU (Buch Levitikus, Kapitel 16).

Könnte das Barbie-Universum sprachlich ebenso einflussreich werden?

Ja, die Welt ist eben nicht nur ein "Garten Eden" (so bezeichneten die deutschen Rentner Manfred und Karin jüngst in der Bild-Zeitung ihren hübschen Altersruhesitz in Griechenland. Siehe Genesis 2, 4-9), manchmal brennt sie auch wie der Dornbusch in Exodus, Kapitel 3.

Man könnte jetzt freilich, wie jüngst ein vom deutschen Wirtschaftsfachblatt Capital zitierter sächsischer Solar-Unternehmer "von Pontius zu Pilatus" rennen (Lukas 23), nur, um sich von irgendwem erklären zu lassen, warum ausgerechnet in einer Zeit, in der wirklich niemand mehr weiß, warum zum Beispiel am 15. August Maria Himmelfahrt gefeiert wird oder was Fronleichnam ist, biblische Zitate noch derart häufig "ausposaunt" werden (Matthäus 6,2). Doch wozu der Aufwand? Offenbar ist das "Kainsmal" (welches der geschasste Erzbischof Georg Gänswein in seinem jüngsten Buch bei sich selbst entdeckt haben will - vergleiche dazu Genesis 4,8-15) immer noch deutlich faszinierender als jedes bei Instagram gepostete Muttermal.

Und natürlich muss zum Beispiel jemand, der auf dieser berühmten X-Dingens im Internet dieser Tage etwa den Tod eines beliebten Darstellers aus der ORF-TV-Serie "Tohuwabohu" bedauert, gar nicht wissen, dass dieses wunderbare Lehnwort aus dem Hebräischen ursprünglich bei Genesis 1,2 und Jeremias 4,23 vorkommt. Das bloße Gefühl, welches das Wort vermittelt, reicht ja auch.

Manchmal fragt man sich allerdings schon, wie man es denn in Zukunft ausdrücken könnte, wenn man zum Beispiel "Pharisäer" meint. Damit es noch jeder versteht. (Ein Moderator des russischen Staatssenders Rossija 1 nannte vor ein paar Monaten deutsche Politiker so. Das war überhaupt nicht nett gemeint, aber zugleich doch wohl ein eindeutiger Bezug auf die Pharisäer im 18. Kapitel des Evangelisten Lukas.)

Wie wäre es mal mit was ganz Neuem?

Vielleicht gibt künftig ja das Barbie-Universum sprachlich was her: Mit der zuletzt von deutschen Medien verwendeten, nicht unoriginellen Überschrift "Yes, you Ken" wurde bereits eine interessante Richtung eingeschlagen. Auch der "Star Wars"-Komplex ("Möge die Macht mit uns sein" gehört zu den Lieblingssätzen des bayerischen Ministerpräsidenten) bietet hier noch allerlei. Ebenso wie der Harry-Potter-Kosmos! ("Nicht Slytherin, bitte nur nicht Slytherin" wurde zum Beispiel im Zusammenhang mit der Krönung von König Charles III. in manchen sozialen Medien häufig zitiert.)

Und dennoch spricht einiges dafür, dass selbst in Zukunft noch verstanden werden könnte, was zum Beispiel Focus online im übertragenen Sinne gemeint haben könnte, als man dort berichtete, einer Frau in Arizona seien wegen eines seltenen Wetterphänomens plötzlich ihre "Haare zu Berge gestanden" (Hiob 4,15). Oder wenn wieder einmal irgendwo der "Wolf im Schafspelz" gesucht, aber nicht gefunden wird (Matthäus 7,15).

Das Wichtigste für eine möglichst friedlich zusammenlebende Gesellschaft bleibt ohnehin, nicht immer nur "Gift und Galle" zu spucken (Deuteronomium 32,33). Denn so kommt man auf "keinen grünen Zweig" (Hiob 15,32). Es geht wohl eher darum, zum Beispiel das zu tun, was der Papst gerade mit diesem Satz hier meinte: "Krempeln wir die Ärmel hoch und beugen wir die Knie!" Den Ursprung dieses Zitats haben wir zwar weder in der Bibel noch bei Barbie noch irgendwo bei Georg Gänswein gefunden, aber was spricht schon gegen mal ganz was Neues?

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