Angriff auf Obdachlose in Berlin:"Du kriegst auch noch was"

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Am Morgen nach der Tat zeugen Brandspuren am S-Bahnhof Schöneweide von der tödliche Feuerattacke. (Foto: dpa)
  • Nach einem Brandanschlag auf zwei Obdachlose in Berlin ist ein 48-jähriger Mann zu acht Jahren Haft verurteilt worden.
  • Der Tod eines der beiden Obdachlosen sei unzweifelhaft Folge des Angriffs durch den Angeklagten gewesen, begründete das Landgericht sein Urteil.
  • Den Angaben des Angeklagten, er sei gestolpert und habe die beiden Männer am S-Bahnhof Schöneweide aus Versehen in Brand gesetzt, glaubten die Richter nicht.

Von Hans Holzhaider und Jasmin Siebert, Berlin

Das Landgericht Berlin hat am Dienstag einen Mann zu acht Jahren Freiheitsstrafe wegen vollendeten und versuchten Totschlags verurteilt. Er hatte im Juli 2018 am Berliner S-Bahnhof Schöneweide zwei Obdachlose mit Benzin übergossen und angezündet. Einer der beiden, der 47-jährige Andreas V., war vier Monate später an den Folgen seiner Brandverletzungen gestorben. Der andere, Lothar D., 62, kam mit leichten Verletzungen davon.

Nach Überzeugung des Gerichts wollte sich Aleksandr T., 48, wegen eines vorausgegangenen Streits an den beiden wohnungslosen Männern rächen. T.'s Verteidiger hatte auf eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung plädiert. Sein Mandant habe das Benzin in betrunkenem Zustand unabsichtlich verschüttet und durch eine brennende Zigarette entflammt, sagte der Anwalt.

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Aus dem Gericht von Hans Holzhaider

Andreas V. und Lothar D. hatten ihr Lager neben einem Aufzug am Bahnhofsvorplatz aufgeschlagen. Die Polizei duldete die beiden, umliegende Geschäfte versorgten sie regelmäßig mit übrig gebliebenen Lebensmitteln. Lothar D. schilderte als Zeuge vor Gericht, dass Aleksandr T. an jenem Sommertag Streit angefangen habe, weil er etwas vom Schnaps der Obdachlosen abhaben wollte. Als sie ihm dies verweigerten, sei er zu einer nahegelegenen Tankstelle gegangen und mit einem Benzinkanister zurückgekehrt. Eine Überwachungskamera der Tankstelle nahm den Angeklagten dabei auf, wie er Benzin für 1,99 Euro kaufte.

Er habe dann zuerst Andreas V. und dann, mit den Worten "du kriegst auch noch was", D. mit dem Benzin begossen. Passanten berichteten von einer meterhohen Stichflamme. "Der Andi hat gebrannt wie ein Weihnachtsbaum", sagte Lothar D. vor Gericht. Gäste aus einem benachbarten Imbissstand konnten die Flammen zwar rasch löschen. Bei Andreas V. waren aber schon mehr als 30 Prozent seiner Hautfläche verbrannt.

Aleksandr. T., der neben der deutschen auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt, ließ durch seinen Verteidiger erklären, er habe das Benzin nur zum Schnüffeln gekauft. Weil er mit der S-Bahn heimfahren wollte, habe er die beiden Obdachlosen fragen wollen, ob er den Rest des Benzins bei ihnen lassen könne. Dabei sei er gestolpert und habe das Benzin verschüttet. Er habe nie die Absicht gehabt, die Männer anzuzünden. Das glaubten ihm die Richter nicht. Wegen seines durch Alkohol und Benzindämpfe verursachten Rauschzustandes billigten sie dem Angeklagten aber eine verminderte Schuldfähigkeit zu und blieben bei ihrer Strafzumessung um ein Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft.

© SZ vom 06.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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