Berliner Freibäder:Schwimmen nur mit Ausweis

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In den Bädern Berlins, etwa im Kreuzberger Prinzenbad, waren in diesem Sommer nicht nur Badegäste, sondern auch Sicherheitspersonal unterwegs. (Foto: Fabian Sommer/picture alliance/dpa)

Kaum hatte in Berlin der Sommer begonnen, wurde in einigen Freibädern randaliert. Seit einigen Wochen gibt es Ausweiskontrollen am Eingang. Aber hilft das auch? Und wie sinnvoll ist die Maßnahme überhaupt?

Von Verena Mayer, Berlin

Die härteste Tür Berlins hat derzeit kein Club, sondern ein ganz normales Freibad. Ein heißer Nachmittag, am Eingang des Sommerbads Humboldthain bauen sich zwei Mitarbeiter auf. "Ausweis", sagt der eine. Man zeigt den Reisepass, als Foto auf dem Handy gespeichert - und darf nicht ins Bad. Der Mitarbeiter deutet auf eine Tafel, auf der steht, dass am Einlass ein amtlicher Lichtbildausweis vorgelegt werden müsse. Also Reisepass, Personalausweis, Führerschein oder Schülerausweis, und zwar im Original.

Das Sommerbad Humboldthain ist nicht das einzige mit einer derartigen Türpolitik. Seit Mitte Juli gilt in allen Berliner Freibädern eine Ausweispflicht. Weshalb es vor den Schwimmbädern inzwischen wieder zugeht wie zu Hochzeiten der Corona-Pandemie, als man nur mit Impfpass oder Testzertifikaten rein konnte und sich an den Drehkreuzen lange Schlangen bildeten. Nur, dass diesmal nicht eine Pandemie eingedämmt werden soll. Sondern Gewalttaten.

Denn kaum hatte in Berlin der Sommer begonnen, wurde in einigen Freibädern randaliert. Da rangelten junge Männer, griff ein Jugendlicher einen Security-Mann an, wurde ein Messer gezogen. Die Schlagzeilen über Tumulte gehören in Berlin zwar seit Langem zum Freibadsommer wie Pommes rot-weiß. Doch in diesem Jahr wollte die Politik durchgreifen. Mobile Polizeiwachen wurden vor die Bäder geschickt, Videokameras aufgebaut und eben die Ausweispflicht eingeführt. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und seine Innensenatorin Iris Spranger (SPD) machten selbst einen Rundgang durch das Kreuzberger Prinzenbad, um zwischen Planschbecken und Liegewiese nach dem Rechten zu sehen.

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Doch haben diese Maßnahmen etwas gebracht? Sind die Freibäder jetzt sicherer? Frage an die Berliner Bäderbetriebe. Die hatten Ende Juli die Ausweiskontrollen noch als "wichtigen Baustein, um Gewalt in den Bädern vorzubeugen", bezeichnet. Jetzt, da die Saison zu Ende geht, will sich niemand mehr äußern. "Wir werden Bilanz ziehen, wenn der Sommer zu Ende ist", sagt eine Sprecherin.

Das liegt vielleicht auch daran, dass es Zweifel am Sinn der Ausweispflicht gibt. Bianca Tchinda beschäftigt sich seit Jahren mit den Zuständen in den Schwimmbädern, bis zum vergangenen Jahr war sie Vorstand des Verbands Berliner Bäderbesucher. Als leidenschaftliche Schwimmerin hat Tchinda in Berlin viel erlebt, marode oder geschlossene Bäder, Preiserhöhungen, Personalausfall. Und sie hat in den vergangenen Wochen immer wieder gesehen, wie Leute weggeschickt wurden, weil sie keinen Ausweis dabeihatten. Die 80-jährige Frau etwa, die seit 60 Jahren Stammgast in ihrem Bad ist. Sie kann zwar kaum mehr laufen, kommt aber jeden Tag im Bademantel zum Schwimmen.

Absurd sei das, sagt Bianca Tchinda. Vor allem, dass man nur mit einem amtlichen Lichtbildausweis eingelassen werde. Einen Pass oder Perso haben viele beim Schwimmen ungern dabei, die Berliner Bäder sind bekannt dafür, dass dort viel gestohlen wird. Auch Schließfächer werden immer wieder aufgebrochen. Von den Bädern heißt es dazu, man wolle sicherstellen, dass sich "mit dem Dokument auch der/die Besitzer/in im Bad aufhält". Nur so könne man Hausverbote wirksam umsetzen.

Besucher des Sommerbades Neukölln am Columbiadamm werden am Eingang vom Sicherheitspersonal kontrolliert. Nicht alle finden das sinnvoll. (Foto: Hannes P Albert/picture alliance/dpa)

Bianca Tchinda bezweifelt, dass man so Leute am Randalieren hindert. "Man kann doch auch mit Ausweis ein Messer in der Tasche haben", sagt sie. Viel sinnvoller wäre es, Taschen zu kontrollieren und bei großem Andrang die Zahl der Besucher zu beschränken. Vor allem aber sollte man Jugendlichen Angebote machen, sodass es erst gar nicht zu aggressivem Verhalten kommt. Mit länger geöffneten Sprungtürmen oder sportlichen Aktivitäten wie im Prinzenbad. Dort konnte man den Sommer über auf einem Teil der Liegewiese Basketball, Volleyball, Tischtennis oder Fußball spielen.

Tchinda fragt sich zudem, wie groß das Problem überhaupt ist. Tatsächlich zeigt die Statistik, dass die registrierten Straftaten in Berliner Schwimmbädern eher weniger wurden, 2022 waren es 285. Im Jahr 2019 waren es noch 358 gewesen, 2013 sogar 512. Und da ist noch die Frage nach der Rechtsgrundlage. Denn man muss am Eingang eines Freibads nicht nur einen Ausweis zeigen, in einigen Schwimmbädern gibt es auch eine Videoüberwachung. Die Berliner Bäderbetriebe berufen sich dabei auf ihr Hausrecht sowie auf das Berliner Datenschutzgesetz. Demnach ist eine Videoüberwachung zulässig, wenn sie etwa hilft, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren oder Straftaten zu verfolgen.

Allerdings haben die Bäder die Maßnahmen nicht mit der Landesdatenschutzbeauftragten abgestimmt. Diese prüft nach Angaben einer Sprecherin, "ob die Ausweispflicht sowie die teilweise eingesetzte Videoüberwachung gerechtfertigt sind" - oder auch mildere Maßnahmen ausreichen würden. Das könne mehr Sicherheitspersonal sein, eine Beschränkung der Anzahl der Badegäste oder Deeskalationsteams. Diese wären auch vor den Freibädern nicht schlecht. Vor dem Sommerbad Humboldthain etwa, wo noch andere keinen Ausweis dabeihaben und irgendwann die halbe Warteschlange über die neuen Regeln zu schimpfen beginnt. Man würde sich nicht wundern, wenn die nächste Freibad-Randale von denen ausgeht, die erst gar nicht hineindürfen.

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