Der Berliner motzt gerne, deshalb ist es umso erstaunlicher, wenn er auch einmal etwas Gutes über seine Stadt zu sagen hat. So geschehen unlängst in dem Londoner Magazin Time Out. Bei einer Umfrage in 19 Städten weltweit priesen die befragten Berliner ihr Verkehrssystem mehr als die Bewohner aller anderen Metropolen. Das Ergebnis ist auch deshalb überraschend, da eine der Ikonen der Stadt allmählich von den Straßen verschwindet: der Doppeldeckerbus.
Wie der Tagesspiegel mit Bezug auf das Internetportal "omnibus news" berichtet, haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gerade die letzten Doppeldecker aus deutscher Produktion aus dem Verkehr gezogen. Stattdessen fahren nun in Großbritannien gefertigte Modelle auf Berlins Straßen - ein schwacher Ersatz. Nicht nur, weil sich die alten Wagen "wie eine Buttercremetorte" gefahren hätten, "sanft und zuverlässig", wie die Busfahrerin und Autorin Susanne Schmidt weiß. Sondern vor allem, da von einmal etwa 1000 Doppeldeckern jetzt nur noch 200 in Berlin unterwegs sind.
Ähnlich wie in London, Dublin oder Hongkong haben die Doppeldecker das Bild Westberlins geprägt. Bis heute sind die "Großen Gelben" Symbole in der Kategorie von Currywurst und Brandenburger Tor; die vier Plätze auf dem Oberdeck vorne am Fenster gehören zu den beliebtesten der Stadt. Bis 1974 durfte im ersten Stock sogar geraucht werden; Ostberlin schaffte da gerade seine Doppeldecker ab. Als die Verkehrsbetriebe nach dem Fall der Mauer darüber nachdachten, ganz auf den Bustyp zu verzichten, scheiterte das auch am Widerstand der Berliner.
Kein Wunder also, dass die BVG nur wenig Aufhebens um die Ausdünnung ihrer Flotte macht. Tatsächlich dominieren längst die wurmartigen "Gelenkbusse" den Fahrzeugbestand, 930 gibt es davon, dazu 480 kleinere "Eindecker" und eben die Doppeldecker. Es werde stets darauf geachtet, "dass die drei verschiedenen Typen dort eingesetzt werden, wo sie ihre Stärken am besten ausspielen können", heißt es bei den Verkehrsbetrieben. Tatsächlich wird aber vor allem der Mangel bemerkt: Auch auf den viel genutzten Linien wie der M29 vom Grunewald bis nach Neukölln müssen die Berliner nun oft mit Eindeckern vorliebnehmen.
Die alten Busse schlucken bis zu 60 Liter Diesel auf 100 Kilometer
Die Einzigartigkeit der Doppeldecker ist zugleich ihr Problem. Da weltweit nur wenige davon gebaut werden, ist die Produktion teuer. Zudem ist der Unterhalt der Sondermodelle aufwendig, ein Bus fährt an die 70 000 Kilometer im Jahr und verschleißt schnell. Die jetzt ausgemusterten Modelle wiegen an die 17 Tonnen und haben bis zu 60 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbraucht.
Allesamt Umweltbelastungen, die in Zeiten der Klimaerhitzung kaum zu rechtfertigen sind, zumal die BVG bis 2030 komplett auf Elektrobusse umstellen will. Zwar beteuert der britische Hersteller, seine Modelle könnten auch elektrisch betrieben werden, doch die BVG will noch nicht abschließend sagen, wie es mit den Großen Gelben nach 2030 weitergeht.
Für den Fall, dass Berlin sein Wahrzeichen verliert, könnte die eher randständige deutsche Stadt Aalen von Doppeldecker-Fans profitieren. Auch dort ist der seltene Bustyp noch im Linienbetrieb.