Mieten in München:Zwischennutzer klagen über Bürokratie und strenge Auflagen

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Einer der bekanntesten Clubs der Stadt, das MMA, muss das alte Heizkraftwerk wohl bald verlassen. (Foto: Stephan Rumpf)

Bei einer Podiumsdiskussion wird deutlich, wie schwer es kreative Projekte in München haben, selbst für einen begrenzten Zeitraum Räumlichkeiten zu finden. Eine Lösung könnten private Investoren sein.

Von Christiane Lutz

Schon 40 Minuten vor Beginn der Veranstaltung sind die Türen des Isarforums geschlossen. "Alles voll", sagt ein Security-Mitarbeiter von der Unbestechlichkeit eines Berghain-Türstehers. Das Thema des Abends treibt offensichtlich sehr viele Menschen um: "Kulturelle Zwischennutzung in München - Fluch oder Segen?" - der Radiosender Ego-FM hatte zur Podiumsdiskussion geladen. Auf der Bühne sitzen dann als Vertreter der Stadt Kristina Frank (Kommunalreferentin) und Cornelius Mager (Leiter der Lokalbaukommission München). Als Zwischennutzer sind Stephanie Utz (MUCA, Museum of Urban and Contemporary Art) dabei, Alex Wolfrum (von der Eventagentur G.R.A.L.), Daniel Hahn (Betreiber der Alten Utting) und Max Heisler (vom Kulturveranstalter Urban League).

In der Fragestellung der Veranstaltung allerdings steckt schon das erste Problem. Denn, das wird schnell klar, so wenig es die Zwischennutzung gibt, so wenig lässt sich auch pauschal sagen, ob es sich dabei um "Fluch" oder "Segen" handelt. Für die einen nämlich kann die Tatsache, dass eine Zwischennutzung zeitlich begrenzt ist, den nötigen Schutzraum bieten, sich auszuprobieren. Für andere ist die Zwischennutzung der schale Kompromiss, auf den sie sich einlassen, bevor überhaupt nichts geht in München. Die Frage muss lauten, unter welchen Bedingungen Zwischennutzungen sinnvoll sind und, vor allem, was diejenigen, die sie auf individuelle Weise realisieren, wirklich brauchen.

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Was sie auf jeden Fall nicht brauchen, sagen die anwesenden Zwischennutzer, ist übertriebener bürokratischer Aufwand und absurd hohe Anforderungen in der Gebäudesicherheit. Sobald ein Objekt für eine Zwischennutzung umgewidmet wird, sind häufig aufwendige Modernisierungen notwendig, die der Zwischennutzer bezahlen muss. Von Asbestentsorgung ist die Rede, von "automatischen Personenevakuierungsanlagen", die Alex Wolfrum im Isarforum installieren musste und von teuren Brandschutzverordnungen, bei denen keiner mehr durchblicke. Solche Probleme lähmen Interessierte und erhöhen das finanzielle Risiko. Der Druck, dass eine Zwischennutzung wirtschaftlich unbedingt rentabel sein muss, steige.

Lokalbaukommissionsleiter Mager sagt, am hohen Niveau der Sicherheitsvorschriften in Bayern sei nicht zu rütteln, auch wenn er bemüht sei, es den Zwischennutzern nicht unnötig schwer zu machen. Kommunalreferentin Frank betont, dass die Stadt das grundsätzliche Problem des Raummangels nicht allein lösen könne. "Wir brauchen die privaten Investoren", wie aktuell beim Projekt "SP CE", das eine Immobilienfirma in der Alten Akademie möglich gemacht hat. "Oft haben Besitzer Angst, die Zwischennutzer gehen nie wieder raus", sagt Alex Wolfrum, und wenn es dumm läuft, stünden sie am Ende als Buhmänner da, weil sie die von Anfang an begrenzte Nutzung nicht verlängerten.

Er fordert seine Mitstreiter auf, um das Vertrauen privater Investoren zu werben und sich an die Spielregeln der Zwischennutzung zu halten. Überhaupt sei wichtig, mehr miteinander zu reden. Kommunikationsschwierigkeiten hat es auch im Fall der Dachauer Straße 90 gegeben, dem ehemaligen Gesundheitshaus, zur Zwischennutzung auf fünf Jahre ausgeschrieben. Das Kommunalreferat probierte erstmals ein sogenanntes "Interessenbekundungsverfahren im Erbbaurecht" aus, keiner habe so genau verstanden, ob das den Interessenten zum Besitzer und somit zum Hafter auf Zeit mache. Auf Nachfragen, auch die fälligen Sanierungen betreffend, habe das Referat sehr spät geantwortet.

Bei manchen Kulturschaffenden herrscht der Eindruck, die Stadt verstecke sich hinter Zwischennutzungen und wälze Risiken auf die Nutzer ab, sagen die anwesenden Kunst- und Kulturschaffenden. Die Vertreter der Stadt wiederum sagen, sie dürften und wollten Wünsche verschiedener Gruppen, also Künstler, Familien, Geflüchtete, nicht gegeneinander ausspielen, unter der Raumknappheit der Stadt litten alle. Kristina Frank, sichtlich bemüht, die Kritik ernst zu nehmen, lädt die Kulturschaffenden zu einem "runden Tisch" ein, um mal über Grundsätzliches zu sprechen.

"Der Stadt fehlt die ganz große Vision", meldet sich noch Constantin Mascher aus dem Publikum zu Wort. Er ist Anwalt und Betreiber des Clubs MMA, der Ende März schließen muss, nach fünf sehr erfolgreichen, aber finanziell nicht sehr rentablen Jahren. Zwischennutzung schön und gut, aber die Stadtpolitik müsse sich fragen, was sie langfristig für Kulturschaffende tun wolle. Oft seien Zwischennutzungen der Beginn von spannenden Entwicklungen, die dann, wenn die Zeit abgelaufen ist, einfach wieder sterben müssen. "München hat mehr verdient", sagt Mascher. Und darin sind sich am Ende alle einig.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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