Kann doch gar nicht wahr sein. Der Gedanke kommt immer wieder, wenn man zufällig an einem leer stehenden Haus in München vorbeiläuft. Was das wohl wert ist? Oder, wenn man etwas anders gestrickt ist: Wie viele Menschen hier eigentlich wohnen könnten? Die Geisterhäuser stehen mitten in begehrten Innenstadtvierteln und mitten in ruhigen Wohngebieten, es gibt bekanntere und weniger bekannte Beispiele. Die Zahlen sind schwer zu beziffern. Leerstand sei in München "wirklich kein Massenphänomen", heißt es zwar vom Sozialreferat. Aber jedes einzelne Beispiel ist ein Aufreger in einer Stadt, in der sich so viel um Wohnen und Mieten und den Mangel dreht.
Darauf aufmerksam zu machen, war eines der Ziele des 2013 von Aktivisten gegründeten Leerstandmelders "Leerstand089". Inzwischen ist die Seite eingestellt, Bürger können Verdachtsfälle direkt bei der Stadt auf der Plattform raum-fuer-muenchen.de melden. Gesammelt werden hier nicht nur Hinweise auf Leerstände, sondern auf Zweckentfremdung allgemein - also auch, wenn Wohnraum offenbar als Praxis oder dauerhaft als Ferienwohnung genutzt wird. 370 Mal hat das Sozialreferat eine solche Zweckentfremdung im Jahr 2018 beendet. 126 Fälle davon waren Leerstände, 41 Mal wurde ein Zwangsgeld angedroht.
Für Außenstehende ist es oft schwer nachvollziehbar, was mit einer Wohnung oder einem Haus gerade passiert. Wird saniert, zieht bald jemand ein? Soll verkauft werden? Handelt es sich überhaupt wirklich um Wohnraum? Oft ist die Lage verzwickt und es wird um eine Immobilie gestritten.
Viel Aufmerksamkeit gab es in der Vergangenheit um Fälle, in denen die Stadt als Zweckentfremder wahrgenommen wurde. Weil eben nicht nur private, sondern immer wieder auch städtische Wohnungen leer stehen. Oder solche, die dem Freistaat gehören. Inzwischen hat sich die Zahl der städtischen Wohnungen, die länger als sechs Monate leer stehen, stark verringert - von 576 im September 2014 auf gut 150 im Juli 2018. Mehrere eigene leere Immobilien lässt die Stadt überwachen. Damit die Nachbarn sich sicher fühlen und es keinen Vandalismus gibt, schaut immer wieder ein Wachdienst vorbei. Dass es bald keine leeren Häuser mehr gibt, ist unwahrscheinlich. Aktuell sucht das Kommunalreferat neue Wachmänner. Elisa Britzelmeier
Erbbaurecht: Das Haus in der Pirschstraße lässt der Freistaat leerstehen.
(Foto: Florian Peljak)Pirschstraße: Verwaist
Helga Weinberger ist nicht überrascht, dass jemand an der Tür klingelt - sie kennt das schon. Mehrmals pro Woche frage jemand nach, sagt sie: Leute, die gern die Doppelhaushälfte mieten würden, die neben ihrer. Vor fünf Jahren starb ihre Nachbarin, seitdem lässt der Freistaat Bayern das Haus leer stehen. Ihm gehört das Grundstück in Hartmannshofen, nördlich von Schloss Nymphenburg, genauso wie mehrere andere Grundstücke in der Gegend. Sie sind im Erbbaurecht an die Bewohner vergeben. Ziehen die aus oder sterben, bleiben die Häuser leer, ungefähr zehn sind es in Hartmannshofen mittlerweile.
Hannelore Schrimpf seufzt, dreieinhalb Jahre ist es her, dass sie mit der SPD-Fraktion im Bezirksausschuss Moosach den ersten von mehreren Anträgen gestellt hat. Es sei "völlig unverständlich", wenn "der öffentlichen Hand gehörender und vorhandener Wohnraum dem Markt vorenthalten wird", hieß es darin. Der "zusehende Verfall der Häuser und die Verwilderung der Grundstücke" wirkten sich negativ auf das Erscheinungsbild der Siedlung aus und würden von der Nachbarschaft immer wieder moniert. "Wir haben keinen Einfluss darauf, ob ein Leerstand noch während der Laufzeit des Erbbaurechts eintritt und wir erlangen daher auch keine Kenntnis über zwischenzeitliche Leerstände", teilt Dieter Knauer auf Nachfrage mit, er ist Geschäftsführer der Immobilien Freistaat Bayern. In den vergangenen Jahren seien jedoch einige Objekte vorzeitig zurückgegeben worden. Eines sei mittlerweile veräußert worden, zwei andere würden gerade verkauft. Eine Zwischennutzung der übrigen Objekte sei wegen des baulichen Zustands der zum Teil in den 1920er-Jahren errichteten Gebäude nicht mehr möglich. Sie sollten "sukzessive im Wege der Ausschreibung veräußert werden, um eine Nachnutzung für Wohnzwecke zu ermöglichen".
Wo die Jahreszahl am Giebel prangte, bröckelt es jetzt: die Villa in der Griegstraße.
(Foto: Florian Peljak)Hannelore Schrimpf dauert das zu lange. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht möglich ist, die Häuser befristet zu vermieten", sagt sie - etwa an Handwerker, die sie "mit ein paar Maßnahmen bewohnbar machen". Auch Helga Weinberger wäre es lieber, wenn sie wieder Nachbarn hätte. "Ich versteh nicht', warum die das nicht zwischenvermieten, zum Beispiel an Studenten." Anna Hoben
Griegstraße: Bald verschwunden
Die vormals prächtige Villa an der Griegstraße in Milbertshofen wird ihren 100. Geburtstag nicht mehr erleben. Sie ist dem Abbruch geweiht. Die Jahreszahlen, die am Giebel prangten und verrieten, dass das gelbe Haus im Jahr 1925 errichtet wurde, sind entfernt worden. Auch das schmiedeeiserne Geländer an der Balkonbrüstung fehlt. Eine Immobilienfirma hatte die Villa im Herbst 2017 erworben. "Das Haus war völlig intakt", sagt das Bezirksausschussmitglied Leo Meyer-Giesow (ÖDP), "bis jemand Hand angelegt hat." Der neue Eigentümer, die 3BAU, streitet das nicht ab. "Wir haben das Haus gekauft, um dort Wohnungen zu bauen", sagt Geschäftsführer Dominik Bauer. Erst nachdem das leer stehende Gebäude schon beschädigt war, wandte sich ein Bürger aus dem Viertel ans Landesamt für Denkmalpflege. Zu spät - dort hieß es, das Haus sei nicht schutzwürdig, weil wichtige Merkmale wie etwa die Balkonbrüstung fehlten.
Eigentlich eine beliebte Gegend, vor allem bei Studierenden: das Gebäude in der Maxvorstadt.
(Foto: Florian Peljak)Meyer-Giesow schmerzt der Verlust: "Abgesehen von der Ästhetik war das Haus für die Stadtteilgeschichte bedeutsam." Es stamme aus jener Zeit, als Milbertshofen noch den Charakter einer Villenkolonie hatte. Bald ist dann auch eins der letzten Zeugnisse jener Zeit verschwunden. Janina Ventker
Adalbertstraße: Verfahren anhängig
Vor zehn Jahren war in den beiden Häusern in der Maxvorstadt noch alles in Ordnung. In den Fenstern hingen Lichterketten und Vorhänge, im Erdgeschoss des einen Hauses war ein Restaurant, nebenan ein italienisches Feinkostgeschäft - das zeigen die Bilder von Google Streetview, die 2008 aufgenommen wurden. Heute aber zeigt sich ein deutlich trostloseres Bild: Viele Wohnungen sind leer, an den Fensterscheiben im Erdgeschoss kleben Kartons. Schriftzüge bedecken das früher gepflegt aussehende Garagentor. Die beiden Häuser stehen mitten in der belebten Maxvorstadt, drumherum gibt es Restaurants, Läden, Bars.
Viele Menschen würden wohl gern hier wohnen, in dieser Gegend finden Suchende kaum ein Angebot unter 20 Euro Miete pro Quadratmeter. Die meisten Wohnungen sind weit teurer. Wie kann es sein, dass Häuser in einer so beliebten Lage einfach leer stehen? Das Planungsreferat der Stadt hat zwar bereits im Jahr 2015 eine Baugenehmigung für eine Wohnanlage mit Tiefgarage und Läden erteilt, mit den Arbeiten wurde jedoch noch immer nicht begonnen. Das Sozialreferat, zuständig für Zweckentfremdung, will keine Details zu den Häusern nennen. Nur so viel: Ein Verfahren sei anhängig. Camilla Kohrs
Das Haus in der Westendstraße gehört der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG.
(Foto: Florian Peljak)