Illegaler Download:"Das Kind weiß nicht, dass einem anderen etwas weggenommen wird"

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Über Youtube hatte ein damals Zehnjähriger ein Spiel heruntergeladen. Der Anbieter verklagte ihn und seinen Vater. (Foto: REUTERS)
  • Wenn Kinder nicht wissen können, was sie anstellen, können sie auch nicht haftbar gemacht werden, erklärt ein Richter des Landgerichts München.
  • Ein Anbieter von Computerspielen nahm seine Klage gegen einen heute 16-Jährigen nach dieser Aussage zurück.
  • Der Junge hatte vor sechs Jahren über Youtube ein Spiel heruntergeladen und wurde so unwissentlich Teil eines Tauschnetzwerks.

Aus dem Gericht von Stephan Handel

Kinder können nicht in jedem Fall dafür haftbar gemacht werden, wenn sie im Internet illegal Spiele oder Ähnliches herunterladen. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Kind denn wissen kann, was es da anstellt. Nach dieser Erklärung von Tobias Pichlmaier, Vorsitzender Richter der Urheberrechtskammer am Landgericht München I, nahm ein Anbieter von Computerspielen seine Klage gegen einen heute 16-jährigen Jugendlichen zurück.

Der Vorfall datiert bereits aus dem Jahr 2013, da war der Junge zehn Jahre alt: Er schaute auf Youtube ein Demo-Video von "Bus Simulator" an und entdeckte dann, dass auf der Seite ein Link zum Download des Spiels bereitstand - ein Angebot, das er gerne annahm. Was er nicht wusste: Der Link führte nicht zur offiziellen Seite des Anbieters, sondern zu einer Tauschbörse. Der Junge lud nicht nur das Spiel herunter, sein Computer wurde dadurch auch Teil des Tauschnetzwerks, sodass andere Nutzer über seine Festplatte an das Spiel herankommen konnten.

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Der Anbieter ermittelte den Anschluss und verklagte den Jungen und seinen Vater auf Schadenersatz. In der ersten Instanz am Amtsgericht wurde die Klage gegen den Vater abgewiesen - er konnte versichern, dass er mit seinem Sohn darüber gesprochen hatte, im Internet nicht einfach irgendwo draufzuklicken und sich vor allem vor Downloads jeder Art zu hüten. Damit hatte er seiner Aufsichtspflicht genüge getan - und weil Eltern entgegen einer landläufigen, dennoch falschen Meinung nicht für ihre Kinder haften, konnte der Vater nicht belangt werden. Der Junge aber wurde verurteilt, 900 Euro plus knapp 300 Euro Abmahnkosten sollte er bezahlen.

Gegen dieses Urteil gingen beide Seiten in Berufung, sodass die Sache am Landgericht landete. Richter Pichlmaier bemühte zur Erläuterung seiner Rechtsauffassung ein Beispiel aus der Landwirtschaft: Wenn ein Zehnjähriger im Stall eines Bauernhofes ein Feuer anzünde, wisse er normalerweise, dass das gefährlich sei und dass großer Schaden für Menschen und Dinge entstehen könne - er verfüge also über Einsicht in die Folgen seines Handelns. Kann man das gleiche Wissen auch voraussetzen, wenn es um das Internet, um Börsen zum illegalen Tausch von Software geht? "Wir sind da dezidiert anderer Ansicht als das Amtsgericht", sagte Pichlmaier - auch weil er und seine Beisitzerin Anne-Kristin Fricke in dieser Beziehung über eigenen Sachverstand verfügen: Sie haben beide Kinder in diesem Alter zuhause.

Der Schaden, den der Kläger geltend machte, bezog sich nicht auf den Down-, sondern auf den Upload, auf den Umstand also, dass der Bub plötzlich selbst zum Verteiler der Software wurde - und hier, so die Kammer, könne ihm kein Vorwurf gemacht werden: "Aus kindlicher Sicht mangelt es an wirtschaftlichem Verständnis. Das Kind weiß nicht, dass einem anderen etwas weggenommen wird." Dies gelte jedoch erst einmal nur für diesen einen Fall: "Wir wissen auch, dass es Kinder gibt, die schon in frühen Jahren richtige Computerfreaks sind."

Solchermaßen darüber aufgeklärt, in welche Richtung das Gericht voraussichtlich entscheiden würde, telefonierte der Kläger-Anwalt kurz mit seinem Auftraggeber - und kam mit der Nachricht zurück, dass die Klage zurückgenommen werde, womit sich das Verfahren erledigt hat und weder Vater noch Sohn irgendetwas bezahlen müssen; die Kosten trägt der Kläger. Nicht auszuschließen ist, dass das für die Spielefirma erträglicher ist, als wenn es ein Urteil gegeben hätte, auf das sich auch andere Betroffene später hätten berufen können.

© SZ vom 09.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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