Zuzug und Neubau:Muss Schäftlarn weiter wachsen?

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Von der Bundesstraße 11 aus zieht sich das Baugebiet Stehbründlweg nach Nordosten, (im Bild nach links). Es liegt am Schäftlarner Ortsrand. (Foto: Hartmut Pöstges)

Oder kann die Gemeinde den Zuzug bremsen? Am Stehbründlweg etwa soll für 50 Menschen gebaut werden - theoretisch könnten dort auch 150 leben.

Von Ingrid Hügenell, Schäftlarn

Wie kann man Wohnraum für Zuzügler schaffen - oder kann man das Wachstum gar verhindern? Die Frage bewegt längst nicht nur München, sondern die ganze Region. Schäftlarn zum Beispiel hat 5600 Einwohner. In den nächsten 20 Jahren erwarten die Statistiker ein Bevölkerungswachstum um 1000 Menschen - das entspricht 18 Prozent, die höchste Rate in der Region. Die Bürgerkraft Isartal hatte zu einer Diskussion über die Baukultur eingeladen. Ausgangspunkt waren Gedankenspiele des Münchner Architekten Horst Mallmann, der auch mithilfe von Modellen und Plänen am Beispiel des Stehbründlwegs am nördlichen Ende von Hohenschäftlarn aufzeigte, wie verdichtetes Bauen aussehen könnte. Wo Wohnraum für etwa 50 Menschen geplant ist, könnten theoretisch auch 150 leben.

Nach dem Bebauungsplan, der derzeit aufgestellt wird, sind am Stehbründlweg überwiegend Doppel- und Reihenhäuser geplant. Mallmann hat dagegen einen Entwurf mit modularen Atriumhäusern gesetzt, die er in bis zu vier Geschossen aufeinander stapelt. Dazwischen könnte ein Gemeinschaftsraum entstehen, der nach Mallmanns Vorstellungen auch gemeinsam genutzt werden kann - genau wie Grünflächen, aber auch ein Waschraum oder gar eine Art Kantine, für die alle gemeinsam einen Koch anstellen. Die Häuser könnten je nach Bedarf in größere und kleinere Wohneinheiten aufgeteilt werden.

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Die Nachverdichtung wurde von den etwa 20 Besuchern der Veranstaltung kontrovers diskutiert. "Bei einer Zuzugsperspektive von 1000 Einwohnern für Schäftlarn stellt sich die Frage: Lässt man es laufen oder verdichtet man bewusst unter städtebaulichen Gesichtspunkten?", sagte Uwe Forgber, Vorsitzender der Bürgerkraft. Entscheide man sich für bewusste Verdichtung, gewinne man Gestaltungsspielraum. "Wir müssen uns bestimmt über Nachverdichtung Gedanken machen", sagte Christian Lankes, Fraktionssprecher der Grünen im Gemeinderat.

Bürgermeister Matthias Ruhdorfer (CSU) wies darauf hin, dass verdichtetes Bauen in Schäftlarn womöglich generell nicht akzeptiert werden würde. Das sehe man an der Unterschriftensammlung gegen ein Bauprojekt im Ortsteil Zell, wo private Investoren neben einer Heilpädagogischen Tagesstätte zwei Wohnhäuser mit etwa zehn Wohneinheiten errichten wollen. Ähnliche Diskussionen und Proteste gibt es auch in vielen Gemeinden des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, was Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) wiederholt beklagt hat.

Der Schäftlarner Architekt und Grünen-Gemeinderat Philipp von Hoyos gab zu bedenken, dass beim verdichteten Bauen die lokale Bautradition geachtet werden sollte - auch, damit die Einheimischen die Neubauten akzeptieren. Der frühere Schäftlarner Bürgermeister Erich Rühmer schlug vor, die Gemeinde solle vorsorglich Grundstücke kaufen, um entsprechend planen zu können.

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Diskutiert wurde auch, ob Schäftlarn wirklich gezwungen ist, zu wachsen und immer mehr Menschen Wohnraum anzubieten. Ein Gast sagte: "Ich glaube nicht, dass wir so viel bauen können, dass wir den Bedarf decken können." Vielmehr gehöre ein Gewerbegebietsstopp her. "Heimatzerstörungsminister" Markus Söder (CSU) sollte eine ganz andere Politik machen. Philipp von Hoyos sagte: "Ich wehre mich gegen die Zuzugsprognose - wenn der Wohnraum nicht geschaffen wird, dann können die Leute nicht herziehen." Lieber sollten Politiker auf Landes- und Bundesebene andere Regionen in Deutschland fördern. "Man sollte das Wachstumsparadigma nicht als gegeben nehmen, es ist nicht gottgegeben, dass so viele herziehen", ergänzte Stefan Erbacher aus Baierbrunn.

Mallmann wies dagegen darauf hin, dass es darum gehe "bezahlbaren Wohnraum zu schaffen - bezahlbar von Leuten, die einen normalen Job haben, mit einem Familieneinkommen von vielleicht 4000 Euro". Marcel Tonnar von der Bürgerkraft sagte: "Wenn die normalen Leute die Wohnungen nicht mehr zahlen können, dann verliert man die" - übrig blieben die Besserverdienenden.

Auf den Einwand aus der Runde, die Leute wollten eher nicht so nah zusammenleben, wie Mallmanns Entwurf das vorsieht, sondern doch ihren Gartenzaun und Privatsphäre haben, sagte Lankes: "Es geht um Wohnraum für die nächste und übernächste Generation. Die können sich das gemeinschaftliche Ding viel besser vorstellen."

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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