Zum Gedenktag am Samstag:Den Tagen Leben geben bis zum Schluss

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Letztes Geleit: 320 Mitglieder hat der Hospizverein im Landkreis. Sie betreuen jährlich etwa 100 Todkranke zwischen Icking und der Jachenau. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Christopherus-Hospizverein Bad Tölz-Wolfratshausen begleitet seit 28 Jahren Sterbende im ganzen Landkreis.

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Am Freitag ist Markttag in Tölz, viel Leben und Geschäftigkeit. Beim Marienbrunnen liegen Plakate aus, über die man stolpert. "Ich bin tot. Ich hatte Krebs und habe um ein großes Messer gebeten, um Schluss zu machen. Gut, dass ich es nicht getan habe, so konnte ich von meinen Freunden Abschied nehmen und eine letzte Runde ausgeben", steht auf einem geschrieben.

Es ist ein Zitat von Bruno W., gestorben 2002. Ausgelegt hat die Plakate der Christophorus-Hospizverein Bad Tölz-Wolfratshausen, der mit einem Infostand anlässlich des Welthospiztags am Samstag auf seine Arbeit aufmerksam machen will. Seit über 28 Jahren setzt sich der Verein mit derzeit 320 Mitgliedern dafür ein, sterbende Menschen zu begleiten und Angehörige zu entlasten. 50 ehrenamtliche Mitarbeiter besuchen die Todkranken zu Hause, in den Pflegeeinrichtungen oder der Palliativstation der Wolfratshauser Kreisklinik. Das Angebot ist kostenlos.

"Wir bieten uns an für Gespräche, Spaziergänge, oder einfach nur um da zu sein", sagt Anne Gruber, die als eine von drei Hauptamtlichen das Team des in Geretsried ansässigen Vereins koordiniert. Medizinische oder pflegerische Versorgung leistet der Hospizverein nicht. Das übernehmen Ärzte und Pflegekräfte des ambulanten Palliativ-Teams "Opal", die den Patienten auch die Betreuung durch den Hospizverein vorschlagen. Nicht alle wollten das, sagt Gruber; wollten nicht mit dem nahen Tod konfrontiert werden, glaubten fest daran, das sie gesund werden oder scheuten sich, die kostenlose Betreuung anzunehmen. Für die Allermeisten seien die Besuche der Hospiz-Begleiter, die für dieses Ehrenamt eine einjährige Ausbildung absolvieren müssen, eine Art Anker: Das Gefühl, "da kommt jemand, der kennt sich aus", sagt Gruber, die ausgebildete Hospiz-Pflegefachkraft ist. Das nehme Ängste und sei auch für Angehörige eine Entlastung. Der Hospizverein versteht sich als "Lebensbegleiter" in der letzten Phase. "Wir stehen dafür, dass Menschen selbstbestimmt sterben können", sagt Gruber. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, das das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe aufgehoben hat, sei das Thema aus der Tabuzone geholt worden. Dass Todkranke "aus einer depressiven Phase heraus" den Wunsch hätten, mit dem Leben Schluss zumachen, sei verständlich. Die Erfahrung zeige aber, dass Menschen von Suizidgedanken Abstand nähmen, wenn sie sich begleitet und versorgt wüssten und nicht das Gefühl hätten, anderen zur Last zu fallen.

Zum Welthospiztag informiert der Christophorus Hospizverein auf der Tölzer Marktstraße mit den Hospizbegleitern Christian Laßwitz, Heidemarie Piffl, Regina Petzhold, Emilie Galli, Anne Gruber und dem Vorsitzenden Hans Lenhardt (v.li.) über seine Arbeit (Foto: Harry Wolfsbauer)

Jährlich betreut der Hospizverein etwa 100 Schwerstkranke zwischen Icking und der Jachenau. An Begleitern fehle es nicht, sagt Gruber. Hätten sich früher vorwiegend Frauen mittleren Alters engagiert, seien es nun vermehrt auch junge Leute und Männer, die voll im Beruf stünden. Gruber vermutet, dass sich Menschen "in dieser leistungsorientierten Gesellschaft" eine sinnvolle Aufgabe wünschten, "wo es um Mitmenschlichkeit geht". Aber ist es nicht belastend, Menschen beim Sterben zu begleiten? Emilie Galli, die seit fast 30 Jahren in der Hospizbegleitung arbeitet, verneint das. Natürlich gehe einem das manchmal nahe, sagt die 71-Jährige. Aber die fundierte Ausbildung und regelmäßige Supervision helfe; man lerne Strategien , wie man mit dem "eigenen Angerührtsein" umgehen könne. Die tiefen Gespräche, der Besuch eines Ortes, der für den Schwerstkranken eine besondere Bedeutung habe - den Tagen Leben geben bis zum Schluss: Das sei eine bereichernde Erfahrung.

Infostand des Hospizvereins am Samstag, 9. Oktober, 10 bis 12 Uhr, Marienplatz Wolfratshausen

© SZ vom 09.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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