Reden wir über:ADHS im Erwachsenalter

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Gerty Schoelen leitet eine Selbsthilfegruppe für Erwachsene mit Aufmerksamkeitsstörung. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Gerty Schoelen leitet eine Selbsthilfegruppe in Wolfratshausen, die Betroffenen hilft.

Interview von Pauline Lunglmeir, Wolfratshausen

Gerty Schoelen setzt sich für Betroffene mit Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit und ohne Hyperaktivität ein - und zwar mit Leib und Seele. Da diesen Menschen oft Unrecht getan werde, wie sie sagt, gründete die AD(H)S-Beraterin und heilpädagogische Förderlehrerin vor acht Jahren die ADHS-Hilfe Oberland. Dort hätten sie viele Anrufe von verzweifelten Erwachsenen erreicht, die keinen Termin für eine Diagnose oder einen Therapieplatz bekamen. Daher beschloss die 73 Jährige, eine Selbsthilfegruppe in Wolfratshausen ins Leben zu rufen. Die Gruppe, ein Angebot der Nachbarschaftshilfevereins "Bürger für Bürger",trifft sich einmal im Monat im Vereinshaus am Loisachufer.

SZ: Frau Schoelen - Hyperaktiv oder doch ADHS, die Diagnose ist nicht immer leicht. Braucht es ein Attest vom Arzt, bevor man zu Ihrer Gruppe darf?

Gerty Schoelen: Nein. Die Teilnehmer, die zum ersten Abend gekommen sind, haben nicht alle eine Diagnose. Wenn jemand das Gefühl hat, AD(H)S-betroffen zu sein, kann er selbstverständlich zur Gruppe kommen.

Wie unterscheiden sich die Symptome von Kindern zu denen von Erwachsenen?

Die Symptome, wie zum Beispiel Aufmerksamkeitsstörung, mangelnde Struktur, die gestörte Impulskontrolle, geringe Merkfähigkeitsspanne und schwieriges Sozialverhalten, bleiben auch im Erwachsenenalter bestehen. Die Hyperaktivität hingegen verlagert sich meistens nach innen und äußert sich in einer extremen inneren Unruhe, sowie einem starken Gefühl des ständigen Getriebenseins.

Und schränkt im Alltag weiter ein?

Je massiver die Erwachsenen betroffen sind, um so größer sind die Probleme im Alltag dieser Menschen. Durch die mangelnde innere Struktur kämpfen diese Personen mit Problemen im Berufsleben, der Partnerschaft, Familie und den Sozialkontakten. Typisch sind Verhaltensweisen wie etwa permanente Unpünktlichkeit, Vergesslichkeit, in Besprechungen häufiges Dazwischenreden, aber auch Verunsicherung der Kinder in der Familie, weil AD(H)S-betroffene Eltern für sie unberechenbar sind und selten klare Strukturen im Alltag vermitteln können.

Wie hilft Ihre Gruppe?

Zunächst gibt die Gruppe den Teilnehmerninnen und Teilnehmern das Gefühl, mit ihrem Problem nicht alleine zu sein. Sie fühlen sich mit ihren Schwierigkeiten angenommen und erfahren Verständnis. Es ist ein geschützter Rahmen, der sie entlastet. Der Schwerpunkt ist dabei, sich gegenseitig Tipps für den Alltag zu geben, weil alle mit den gleichen Schwierigkeiten kämpfen.

Betroffenen helfen ist eine Sache, aber was wünschen Sie sich von der Gesellschaft und von Arbeitgebern?

Dass sie sich sachlich und umfangreich über das Problem informieren und mit den Betroffenen entsprechende Lösungen finden. Diese Menschen haben ein großes Potenzial, wenn sie ihre wahren Fähigkeiten einbringen können. Ich komme gerne in ihre Firma und unterstütze sie als Arbeitgeber, um eine für alle Beteiligten gewinnbringende Lösung zu finden.

Weitere Informationen auf der Website von "Bürger für Bürger unter www.bfb-wor.de .

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