Tölzer Weltladen:Vier Jahrzehnte für fairen Handel

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Im Einsatz für fairen Welthandel: Irma Walter (li.) und Cäcilia Peterhoff, die zwei Vorsitzenden des Arbeitskreises "Eine Welt" in Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

Das kleine Geschäft in der Säggasse, das vom Arbeitskreis "Eine Welt" getragen wird, führen fast ausschließlich Frauen. Seit 40 Jahren bieten sie dort Lebensmittel und Kunsthandwerk für die Erzeuger aus Afrika und Lateinamerika, aber auch aus Europa an.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Als die ersten Weltläden entstanden, die meist noch "Dritte-Welt-Laden" hießen, waren manche Passanten eher skeptisch. Aus den fast immer kleinen Geschäften drang der noch ungewohnte Geruch von Räucherstäbchen, auch einige der Waren muteten für die Kunden kurios aus. "Viele sagten, was ist denn das für ein komischer Laden", erinnert sich Irma Walter, Vorsitzende des Arbeitskreises "Eine Welt", der den Weltladen in der Säggasse 1 in Bad Tölz betreibt. Den gibt es nun schon seit 40 Jahren, was mit einem Sommerfest am Freitag, 16. Juni, von 16 Uhr an, im evangelischen Gemeindehaus am Schützenweg gefeiert wird.

Die Idee der Weltläden und des fairen Handels kam vor einem halben Jahrhundert auf. Durch katholische und evangelische Kirchengemeinden, durch soziale Organisationen. Der AK "Eine Welt" in Tölz wurde 1982 aus der Taufe gehoben, dahinter standen Franz und Ingeborg Mittermair aus Königsdorf, ebenso Studenten der damaligen Fachhochschule Benediktbeuern. Im Oktober 1983 wurde ein kleiner Weltladen im Pfarrheim Franzmühle eröffnet, 1985 zog er in die Säggasse um.

"Wir sind unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten."

Dass man ihn dort noch immer findet, ist das Verdienst von Frauen. Der 65 Mitglieder starke Arbeitskreis besteht - bis auf zwei, drei Männer - nur aus Frauen, im Geschäft arbeiten ausschließlich Frauen. "Wir sind unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten", sagt zweite Vorsitzende Cäcilia Peterhoff. Die eine kann schön dekorieren, die andere gut mit Kunden umgehen. Selbstverständlich, sagt Peterhoff, gebe es auch mal unterschiedliche Meinungen. "Diskussion muss sein", sagt Walter. Aber in den vier Jahrzehnten "haben wir uns nicht so zerstritten, dass wir den Laden aufgegeben hätten". Ein Satz, den die Vorsitzende mit einem Lachen verbindet.

Kunsthandwerk gehört im Tölzer Weltladen mittlerweile ebenso zum Sortiment wie Lebensmittel. (Foto: Manfred Neubauer)

Als der Tölzer Weltladen eröffnet wurde, gab es den Slogan "Jute statt Plastik", der von seiner Aktualität nichts verloren hat. Und den Nicaragua-Kaffee, den manche eher aus Solidarität als aus Genussfreude kauften. Das Sortiment hat sich in all den Jahren sacht erweitert: In den Regalen in der Säggasse findet man weiterhin fair gehandelten Kaffee, Tee und Schokolade, aber auch Gewürze und Nudeln, Teesorten von österreichischem Bergbauern, die sonst wohl ihre Höfe aufgeben und die Almen sich selbst überlassen müssten, Safran aus Moldawien, viel mehr Kunsthandwerk als ehedem, auch Schmuck von Frauen aus Iran, die damit in ihrem Kampf um Gleichberechtigung unterstützt werden sollen. Der Umsatz ist seit 1983 von 15 000 auf etwa 70 000 Euro im Vorjahr gestiegen.

"Wir sind ein ganz normales Geschäft wie alle anderen auch."

Kaum geändert hat sich hingegen die Kundschaft. Die sei schon immer "bunt gemischt" gewesen, erzählt Vorsitzende Walter. Studierende, Mütter mit Kindern, junge Männer, auch Touristen. "Wir sind ein ganz normales Geschäft wie alle anderen auch", sagt Walter. Und die Preise sind, verglichen mit den Fair-trade-Produkten in Supermärkten, meist auch nicht teurer. Allerdings seien die Kunden kritischer geworden, sagt Peterhoff. Zum Beispiel, was umweltfreundliche Verpackungen angeht.

Ob alle Produkte wirklich immer fair gehandelt sind, können die Frauen des AK "Eine Welt" von Tölz aus nicht kontrollieren. Dafür gibt es die Fair-Trade-Company GEPA (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH). Sie überprüft die Erzeuger-Genossenschaften in der Herstellerländern und klopft diverse Standards ab. Dazu gehören unter anderem Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, Kinderarbeit und Bildung.

Mit dem Verkauf von handgefertigtem Schmuck aus dem Iran soll der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung unter dem Mullah-Regime unterstützt werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Grunde genommen all jene Aspekte, die größere Unternehmen jetzt durch das neue Lieferkettengesetz beachten sollen. "Ich glaube, dass wird das Lieferkettengesetz im Großen und Ganzen schon immer eingehalten haben", sagt Vorsitzende Walter. Zum fairen Handel gehörten vor allem gerechte Preise, langfristige Abnahmeverträge, partnerschaftliche Handelsbeziehungen , Transparenz, soziale Arbeitsbedingungen, ökologische Produktionsweisen. Das Ziel des Tölzer Weltladens, der zum Weltladen-Dachverband gehört, gießt Peterhoff in einen Satz: "Letztlich wollen wir die Fluchtursachen bekämpfen, damit die Leute dort arbeiten können, wie sie wohnen", erklärt die zweite Vorsitzende.

Im Tölzer Weltladen, den der Arbeitskreis von der Stadt gepachtet hat, arbeiten zurzeit 20 Frauen ehrenamtlich; drei sind für Einkauf und Verkauf zuständig, wofür sie auf Minijob-Basis entlohnt werden. Eine von ihnen ist Annemarie Hartl, gleichsam die Seele des Geschäfts. "Die Lage in der Marktstraße wäre schöner", sagt sie und lächelt. "Aber die Miete ist hier besser", sagt Peterhoff und lächelt ebenfalls. "Vielleicht hätten wir in der Marktstraße mehr Laufkundschaft, aber wir haben viele Stammkunden." In 40 Jahren ist der Weltladen schließlich zu einer Institution in Bad Tölz avanciert.

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