Bad Tölz-Wolfratshausen:Traumahilfe vor dem Aus

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Die Traumapädagogische Intensivgruppe bei einer Gruppensitzung in Geretsried. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Projekt Trigg betreut Geflüchtete in Wolfratshausen und Geretsried in Gruppen- und Einzelsitzungen. Doch die dreijährige Pilotphase ist vorbei. Zur Anschlussfinanzierung braucht es neue Partner.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Traumapädagogische Intensivgruppe für Geflüchtete (Trigg) in Wolfratshausen und Geretsried könnte zum Jahresende vor dem Aus stehen. Im Vorjahr lief die dreijährige Pilotphase des Projekts aus. Und zur Anschlussfinanzierung braucht die gemeinnützige HelperNet GmbH mit Sitz in München neue Partner. Sollte das scheitern, muss sich das Team aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zurückziehen. Derzeit laufen laut HelperNet-Geschäftsführer Laurin Schulte Gespräche für einen möglichen Neustart am Tegernsee im Landkreis Miesbach. Von der Politik fühle er sich oft allein gelassen, sagt Schulte. Bei der Suche nach finanzieller Förderung verwiesen Kommunen, Freistaat und Bund jeweils auf die Zuständigkeit anderer Ebenen. "Wir werden von Pontius zu Pilatus geschickt."

"Die Gruppe fängt die Leute auf."

Laurin Schulte ist Geschäftsführer des Trägers HelperNet. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Jahr 2018 hat das Projekt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen begonnen, Geflüchtete in Gruppen- und Einzelsitzungen zu unterstützen. Seitdem habe Trigg etwa 170 Menschen betreut, sagt Schulte. "Die Gruppe fängt die Leute auf, kann positive Erlebnisse vermitteln, an denen sich anknüpfen lässt." Das niederschwellige Angebot ersetze zwar keine tiefergehende Therapie, könne aber die Lücke überbrücken, bis ein Behandlungsplatz gefunden sei. Bei Trigg sei der zweite HelperNet-Geschäftsführer Ulrich Floßdorf als qualifizierter Traumatherapeut neben ehrenamtlich Aktiven immer präsent. "Wir kooperieren auch mit Psychiatern und Psychotherapeuten", sagt Schulte. Die Aktivitäten würden helfen, traumatisierte Geflüchtete zu stabilisieren, erklärt er. Davon profitiere die gesamte Gesellschaft, weil dies auch dazu beitrage, Kosten für eine intensivere medizinische Behandlung zu sparen.

Als das Projekt Trigg 2018 noch klein begann, haben es laut Schulte der Asylhelferkreis, das Unternehmen EagleBurgmann und der Adventskalender der Süddeutschen Zeitung finanziell unterstützt. Seit 2019 finanzierte die Aktion Mensch für drei Jahre die Angebote hauptsächlich. Zudem steuerten etwa die Caritas, die Pater-Rupert-Mayer-Stiftung, das Förderprogramm der Hertie-Stiftung "Mitwirken" sowie die Münchner Sozialgenossenschaft "Bellevue di Monaco" Spenden bei. Aktuell könne Trigg seine Angebote dank einer über die Hertie-Stiftung initiierten Crowdfunding-Aktion und Spenden der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen aufrechterhalten. Um im Landkreis weitermachen zu können, bemühe sich das Projekt noch auf Gelder aus dem "360 Grad-Labour-Mobility-Programm" des Vereins "Giving Africa a new face".

Traurig ist Schulte darüber, dass die Stadt Wolfratshausen es abgelehnt hat, selbst die jährlichen Kosten von 500 Euro für die genutzten Räume in der Volkshochschule zu erlassen. Hintergrund könnte sein, dass die HelperNet Gmbh nicht in der Flößerstadt ansässig ist, die betreuten Geflüchteten teils von außerhalb der Landkreis-Grenzen stammten - im Umkreis von Trostberg, Fürstenfeldbruck bis Erding, wie Schulte sagt.

Die Stadt lehnt eine Förderung ab, weil der Projektträger nicht in Wolfratshausen sitzt

So klingt wenigstens die Antwort des Wolfratshauser Bürgermeisters Klaus Heilinglechner (BVW). Auf kommunalpolitischer Ebene haushalte die Stadt mit dem Geld der Bewohner, teilt er mit. Jeder Verein mit Sitz in Wolfratshausen könne einen Förderantrag nach den Vereinsrichtlinien für Aktivitäten - außer Betriebskosten - stellen. "Mit Trigg handelt es sich aber um ein Projekt der HelperNet gGmbH, die wiederum ihren Sitz nicht in Wolfratshausen hat", so Heilinglechner.

Zwar begrüße er ein Angebot, Geflüchtete traumapädagogisch zu betreuen. "Mit dem Beratungs- und Behandlungszentrum Refugio in München gibt es im näheren Umfeld eine spezialisierte Facheinrichtung, die unter anderem auch vom Freistaat Bayern, Bund und Bezirk Oberbayern mitfinanziert wird", schreibt Heilinglechner. Als Laie könne er nicht beurteilen, ob das Projekt Trigg die dafür benötigten Fachkräfte habe, mittel- und längerfristig schwer Traumatisierte zu unterstützen. Daher sehe er sich nicht in der Lage, dem Projekt eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Da nicht alle betreuten Geflüchteten in Wolfratshausen untergebracht seien, halte er eine finanzielle Unterstützung von übergeordneter Seite für angebrachter.

"Mangels zur Verfügung stehender finanzieller Mittel" hat das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen bereits vor fünf Jahren einen Unterstützungsantrag von Trigg abgelehnt. So teilt die Pressestelle der Behörde mit. Laut HelperNet-Geschäftsführer Schulte habe man sich außerdem an den Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan (CSU) für Unterstützung gewandt. Der habe an die Kreisbehörde verwiesen. Das sei aber erfolglos geblieben. Bei der Stadt Geretsried habe man erst gar nicht versucht, einen Antrag zu stellen, weil der voraussichtlich wie in Wolfratshausen abgelehnt werden würde. Laut den Geretsrieder Richtlinien zur Förderung von kulturellen und sozialen Projekten sollten die Vorhaben regionalen Bezug zur Stadt haben. Zudem sollten die Antragsteller in Geretsried ansässig sein beziehungsweise ihren Wirkungskreis haben.

Die Initiatoren hoffen nun auf weitere Unterstützer. Am Tegernsee gebe es schon mündliche Zusagen, sagt Schulte.

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