Zwei Jahre hat der "Zweite Ludwig" auf seine Premiere warten müssen. Nun nimmt die Theatergruppe der Tölzer Lust unter der Leitung von Gabi Rothmüller und Alexander Liegl einen neuen Anlauf. Am Freitag, 25. März, wollen neun Spielerinnen und Spieler die abgründige Komödie "Der Zweite Ludwig - Wo der Wittelsbach rauscht" in der Alten Madlschule endlich auf die Bühne bringen.
SZ: Herr Liegl, können Sie Ihren Text noch?
Alexander Liegl: Nein.
Nein?
Nein. Wir können ihn alle nicht mehr, aber das macht nix, im Gegenteil: Es ist sogar ganz hilfreich, weil er dann nicht mehr stört. Wir haben natürlich an dem Stück geschraubt. Ein paar Dinge mussten nach diesen zwei Jahren unbedingt aktualisiert werden. Manches hat nicht mehr gestimmt, zudem wollten wir ein paar neue Ideen verarbeiten.
Was hat nicht mehr gestimmt?
Im Stück geht es ja darum, dass Tölz auch ein König-Ludwig-Musical machen will, dass es auch glänzen und noch toller sein will als Füssen. Ursprünglich hieß es an einer Stelle: Jetzt können wir endlich loslegen nach dieser schweren Zeit! Das war bezogen auf allerlei Querelen zwischen den Leuten. Aber nach zwei Jahren Pandemie klingt dieser Satz natürlich ganz anders. Jeder Mensch muss ihn falsch verstehen. Deshalb haben Gabi Rothmüller und ich uns noch einmal hingesetzt und geschaut: Was funktioniert noch? Und was müssen wir ändern?
Haben Sie jetzt die Pandemie mit eingebaut?
Es ist kein Corona-Stück geworden. Aber wir kommen schon darauf zu sprechen, dass da etwas war in den vergangenen zwei Jahren.
Wie lautet Ihr erster Satz?
Stoooopp, stopp, stopp! Vielen Dank, wir melden uns, und der Nächste bitte! Ich spiele ja den Regisseur und wir sind mitten im Vorsprechen und Vorsingen. Und da sind wir nicht so ganz zufrieden.
Sie spielen einen etwas zwielichtigen Regisseur, der aus Kostengründen in seinem eigenen Stück auch noch den Richard Wagner geben muss...
Genau, die Kostengründe sind das eine. Es gibt aber, und das ist eine Aktualisierung, noch ein ganz anderes Problem: Füssen wirbt ab! Füssen begnügt sich nicht mehr mit König-Ludwig-Festspielen, es bringt jetzt auch noch ein Zeppelin-Musical heraus. Und zieht uns die Leute ab. Tölz muss schauen, wie es durchkommt. Aber Tölz kommt durch - mit wüsten Erfindungen.
Was kann König Ludwig der Stadt nach zwei Jahren Corona-Pandemie geben?
Ludwig war ein hoffnungsvoller Träumer. Und das ist unser Ludwig auch. Wir werden ein Schloss bauen! Und von den treuesten der Tölzer Schützen beschützt, gehen wir goldenen Zeiten entgegen. Dieses Gefühl kann der Ludwig vermitteln. Es lässt sich aber auch auf das Theater herunterbrechen. Theater an sich ist ein Hoffnungsträger. Es ist immer auf die Zukunft gerichtet, auf Freude, Erkenntnis, Beglückung. Und deshalb treten ja auch wir nun wieder an.
Das heißt, Realität und Fiktion kommen einander in der Alten Madlschule sehr nahe.
Absolut. Dieses: Wir müssen und wollen etwas auf die Bühne bringen, um das es im Stück geht, ist für uns gerade absolute Realität. Wir wollen das auch! Das muss jetzt sein! Theater ist Lebensmittel.
Lebensmittel für wen?
Für alle. Für die Spielerinnen und Spieler, aber auch für die Zuschauer, die jetzt behutsam überzeugt werden müssen: Kommt, traut euch wieder. Das hat ein bisschen etwas vom Schäffler-Tanz nach der Pest. Kommt her, wir schaffen das miteinander. Wir beglücken uns gegenseitig.
Wie sind Sie durch die vergangenen beiden Jahre gekommen?
Natürlich mit Frustrationen. Am 12. März 2020 hatten wir mit dem Ludwig noch Generalprobe, dann war Schluss. Lockdown. Alles vorbei. Das war so ein Moment, wo man denkt: Jetzt gewinnt er, der andere, der kleine Mistkerl. Aber zum Glück mache ich so viel verschiedene Sachen - spielen, schreiben, Drehbuch schreiben. Dieser komische Gemischtwarenladen hatte jetzt echte Vorteile. Es wurde nie existenziell.
Haben Sie ein Mittel gegen Depression und Verzweiflung?
Die anderen. Die anderen Spieler und Kollegen. Mit Michael Altinger und Constanze Lindner habe ich während der Pandemie ein Stück erfunden, und beim Proben haben wir uns sehr viel Zeit gelassen. Das war auf die Zukunft gerichtet, und im Sommer hatten wir dann Premiere im Lustpielhaus. Auch das Schreiben hat viel mit Hoffnung zu tun. Schon beim Erfinden freut man sich so sehr, dass das einmal umgesetzt und gespielt werden wird, das zieht einen dann schon wieder raus.
Hat sich Ihr Blick auf die Welt in den vergangenen beiden Jahren geändert?
Nicht grundlegend. Aber er ist etwas zweifelnder geworden. Die Überzeugung: Ja klar, das machen wir alles noch!, die ist etwas brüchig geworden. Man bedauert jede Woche, in der man nicht das machen kann, was man gerne machen würde. Das betrifft nicht nur die Jugend, sondern auch die Leute, die nicht mehr jung sind, die haben ja nicht mehr so viel Zeit vor sich.
Auf Ihren Ludwig hat das aber nicht abgefärbt.
Ganz und gar nicht. Die Figuren haben ihre Kraft nicht verloren. Und die brauche ich auch. Es sind ja nicht nur Menschen, die einen aus Löchern ziehen, sondern auch Figuren, die man erfindet. Die sind genauso da und reden auf einen ein.
Das ist ja toll. Wer hat Sie aufgemuntert?
Die Produzentin Trixi Winkler zum Beispiel, gespielt von Christine Hermann, die sagt immer: Es muss weitergehen! Wir hören nicht auf! Oder meine eigene Figur, der Regisseur. Natürlich fängt er das Saufen wieder an, aber er lässt es auch wieder. Und dann die Figuren aus dem Stück im Stück, der durchgeknallte Ludwig und der Richard Wagner: Das sind Großträumer, die wollen immer höher hinaus. Und wenn alle sagen, das wird nichts, dann machen sie es trotzdem. So jemanden an seiner Seite zu haben, das hilft.
"Der zweite Ludwig - Wo der Wittelsbach" rauscht, Alte Madlschule, Bad Tölz, Premiere am 25. März, weitere Vorstellungen am 26. März, 1., 2., 8.,9., 22., 23., 29. und 30. April sowie am 6. und 7. Mai, Karten im Vorverkauf bei Schreibwaren Zauner, Telefon 08041/781 40.