SZ-Serie: Heimatwerkstatt:Von den Kufen in den Sattel

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Peter Lindner hat vom Eishockey auf den Radsport umgesattelt. In seiner Baycicle Factory passt er jedes Velo individuell an.

Von Jakob Teterycz, Bad Tölz

Wer bei dem Firmennamen an eine Fabrikhalle denkt, wird überrascht: Helles, naturbelassenes Holz empfängt die Besucher der Baycicle Factory in der Tölzer Seekarstraße. Bunte Helme zieren die Wände und schwarzes Gummi bekleidet den Boden. Sowohl auf einem Sofa als auch an einer Art Bartresen kann man einen Kaffee trinken. Gemütlichkeit statt Industriecharme - um ein Fahrrad zu kaufen, das individuell auf jeden Nutzer eingestellt wird.

Inhaber der Baycicle Factory ist Peter Lindner, der sein Fahrradfachgeschäft im März 2017 gegründet hat. Der gebürtige Tölzer hat zuvor jahrelang als Kfz-Mechatronikermeister gearbeitet, allerdings sei seine große Leidenschaft die Natur und der Sport. Schon von klein auf habe er diese entwickelt. Bereits mit drei Jahren habe er angefangen, Eishockey zu spielen und habe diesen Sport bis Anfang 30 semiprofessionell verfolgt. Sukzessive habe er dann auch mit dem Radsport begonnen. Das "Radfahren wurde immer intensiver", sagt Lindner. Auch an einem Jedermannsrennen habe er teilgenommen und diese Sportart habe schlussendlich seine Eishockeyleidenschaft abgelöst. Für ihn stand fest, er "möchte was mit Fahrrädern machen".

Der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad "nimmt sich nicht viel" - zumindest, was die Schrauberei angeht, sagt Lindner. So habe er seinen Job als Mechatronikermeister an den Nagel gehängt, um sich mit seiner Baycicle Factory selbständig zu machen. Seine Frau Manuela Hesse erzählt, Lindner habe sich im alten Job nicht mehr wohlgefühlt und sie habe ihn deshalb unterstützt und beim Brainstorming geholfen - meistens nachts, stundenlang. So haben sie beispielsweise den Namen und das Logo des Unternehmens gemeinsam entwickelt. Hierbei handle es sich um eine abgewandelte Version des englischen Begriffs für Fahrrad, "Bicycle". Das "Bay" stehe für Bayern und die Berge im Logo für die umliegenden Alpen.

Peter Lindner erzählt, das Geschäft laufe "super" - vor allem während des ersten Lockdowns. Selbst aus München kämen Kunden, denen die persönliche Beratung wichtig sei. Am meisten verkaufe er E-Bikes. Wegen der steigenden Nachfrage gäbe es sogar Lieferengpässe. "Die Branche kommt kaum nach." Die Kunden sprechen ihm zufolge schon Reservierungen für Lieferungen im nächsten Jahr aus. Lindner betont, sie nehmen sich viel Zeit bei der Kundenberatung, es gehe ihm nicht darum, nur ein Fahrrad zu verkaufen. Sein Kundenkreis gehe "quer durch die Palette", da müsse man individuell "Sattel, Lenkervorbau und Pedale anpassen". Teilweise werde bei der Beratung "bei null angefangen". Ein Mountainbike koste immerhin ab 800 Euro aufwärts und ein E-Bike im Durchschnitt 3500 bis 4000 Euro. "Lieber soll jemand öfter kommen", sagt Lindner, und sich beraten lassen, um Impulskäufe zu vermeiden. Das Schönste für ihn sei der Moment nach einer Testfahrt. Wenn Kunden nach dem ersten Ausflug in die Natur auf einem passenden Rad zurückkehrten, sage der Blick oft mehr als tausend Worte: "Die kommen alle mit einem Grinsen zurück."

© SZ vom 10.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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