SZ-Adventskalender:Brezen als Berufung

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Trust Osadolor, vor sechs Jahren aus Nigeria geflüchtet, ist für seine Ausbildung zum Bäcker mit einem Preis ausgezeichnet worden. Geholfen haben ihm sein Ehrgeiz und der Benediktbeurer Verein Zammlebn.

Von Kathrin Müller-Lancé

Obwohl die meiste Arbeit in der Backstube schon getan ist und er die Brezen nur fürs Foto schlingen soll, holt sich Trust Osadolor erst einmal eine Küchenwaage. 70 Gramm soll der Teig für einen Brezenstrang wiegen - und wenn Osadolor etwas macht, macht er es richtig. Mit seinem Arbeitseifer hat es der 26-Jährige weit gebracht: Erst vor sechs Jahren ist er aus Nigeria nach Deutschland geflüchtet, in der Zwischenzeit hat er Deutsch gelernt und eine Ausbildung zum Bäcker in Benediktbeuern beendet - und wurde für seine außergewöhnlichen Leistungen im Oktober mit einem Staatspreis geehrt. Im Abschlusszeugnis hat Osadolor einen Notendurchschnitt von 1,41, die Gesellenprüfung hat er mit 89 von 100 möglichen Punkten absolviert. "Ich bin stolz auf mich und das, was ich geschafft habe", sagt Osadolor. "Er ist sehr hartnäckig", erklärt sein Ausbilder Anton Lugauer.

Dass Trust Osadolor es in so kurzer Zeit so weit brachte, hat, wie er sagt, auch ein Stück weit mit denen zu tun, die ihn auf seinem Weg begleitet haben. Mit Bäckermeister Anton Lugauer, der für ihn "ein bisserl wie ein Vater ist", und mit dem Helferkreis Asyl des Vereins Zammlebn, durch den er überhaupt erst mit der Bäckerei in Berührung gekommen ist. Ein Cousin von Anton Lugauer engagiert sich in dem Verein und stellte den Kontakt her. "Jeder Mensch braucht Hilfe", sagt Osadolor. Der Helferkreis habe ihn bei Behördengängen unterstützt, beim Schreiben von E-Mails und Ausmachen von Terminen.

Seit 2012 engagiert sich der Verein Zammlebn in Benediktbeuern. "Der Name ist Programm", sagt der Vorsitzende Hubertus Klingebiel. "Uns geht es darum, das Zusammenleben im Dorf zu fördern - dort, wo es nicht von selber geschieht." Die Projekte decken verschiede Bereiche ab: Neben Asylhelfern vermittelt Zammlebn auch Babysitter und Familienpaten, bietet ein Hilfsangebot für Pflegebedürftige und deren Angehörige an und organisiert drei Mal im Monat einen Mittagstisch im Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Dieser pausiere im Moment zwar coronabedingt, sei aber eines der Aushängeschilder des Vereins, so Klingebiel. Weil dort vor Kurzem die Spülmaschine kaputt gegangen ist, wünscht sich der Verein von der SZ-Adventskalender-Stiftung eine neue. "Von Hand können wir auf Dauer nicht spülen für so viele Leute", sagt Klingebiel.

Auch Trust Osadolor kennt das Bonhoeffer-Haus gut, nach seiner Ankunft in Benediktbeuern hat er dort einige Zeit lang gewohnt. Seine nigerianische Heimatstadt hat Osadolor verlassen, weil er dort keine Chancen mehr für sich sah: "Ich war mit der Schule fertig, aber hatte keine Perspektive. Die Leute dort leiden unter der Korruption - oder sie sind selbst korrupt." Über Libyen und Italien ist Osadolor von Nigeria nach Deutschland geflüchtet. Mit dabei hatte er nur einen kleinen Koffer voller Kleidung. "Ich war mit dem Boot unterwegs, mit dem Auto, dem Motorrad, und manchmal zu Fuß." Über das Mittelmeer sei er mit einem Schlauchboot gefahren, erzählt er. Vier Menschen seien dabei gestorben - nicht ertrunken, sondern zerquetscht worden.

In Deutschland war Osadolors erste Station Rosenheim. Von dort aus ging es in eine große Flüchtlingsunterkunft nach München, anschließend wohnte er einige Zeit im Kloster Benediktbeuern und eben im Bonhoeffer-Haus. Inzwischen hat Osadolor eine eigene Wohnung unweit der Backstube. "Ich fühle mich hier auf jeden Fall zu Hause", sagt er. Auf die Frage, ob er wegen seiner Herkunft oder Hautfarbe in der oberbayerischen Provinz diskriminiert worden sei, antwortet er: "Es gibt immer Leute, die über dich reden. Ich konzentriere mich auf die positiven Dinge."

Nach mehreren Praktika in anderen Bereichen, unter anderem in einem Bekleidungsgeschäft, bei einem Maler und in einem Getränkemarkt, absolvierte Osadolor zwei Praktika bei Anton Lugauer. "Er ist ein Überzeugungstäter", sagt der Bäckermeister über Osadolor. "Er wollte das von Anfang machen." Osadolor erzählt, dass ihn die Arbeit in der Backstube an seine Familie erinnere. Seine Mutter habe in Nigeria "Eggrolls" verkauft, gebackene Bällchen, die in der Mitte mit einem hartgekochten Ei gefüllt sind.

Seine Eltern hat Osadolor inzwischen seit mehr als sieben Jahren nicht mehr gesehen. "Das ist nicht einfach." Den Kontakt zu ihnen hält er vor allem über Facebook, in Nigeria war er seit seiner Flucht nicht mehr. Im Moment profitiert Osadolor von der sogenannten Zwei-plus-Drei-Regel, die es Geflüchteten ermöglicht, nach der dreijährigen Ausbildung noch zwei Jahre in ihrem Ausbildungsberuf in Deutschland zu arbeiten. Osadolor habe gute Chancen, dass seine Aufenthaltsgenehmigung auch darüber hinaus verlängert werde, sagt sein Chef Anton Lugauer.

Trust Osadolor scheint angekommen zu sein in Benediktbeuern. Er spielt im dortigen Verein Fußball, will demnächst seinen Führerschein machen und irgendwann vielleicht sogar einen Meisterabschluss. "Ich habe immer Pläne", sagt er. "Er braucht noch etwas mehr berufliche Erfahrung, aber vom Geschick und Fleiß hätte er auf jeden Fall das Zeug dazu", sagt sein Chef Anton Lugauer.

© SZ vom 11.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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