Schwierige Betreuung in der Pandemie:"Wir sind jeden Tag mit Corona beschäftigt"

Lesezeit: 4 min

In der Omikron-Welle haben sich nicht nur Kinder, sondern auch Lehrkräfte und Erzieherinnen infiziert. In den Schulen und Kita sind deshalb oft spontane Lösungen vonnöten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Schulen und Kindertagesstätten kämpfen mit dem Anstieg der Infektionsfälle. Darauf müssen die Leiter schnell und flexibel reagieren. Kreative Lösungen sind gefragt.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

In Schulen, Kindergärten und Horten mag es sich momentan so anfühlen, dass sich immer dann, wenn ein Loch gestopft ist, sogleich zwei neue auftun. Die Leiter müssen Tests organisieren und Kinder nach Hause schicken, wenn die Ergebnisse positiv sind. Und wenn dann auch Lehrkräfte ausfallen, wird es noch komplizierter. "Wir müssen jeden Tag nach kreativen Lösungen suchen", sagt Katharina Bolzmacher. An einem Unterrichtstag vor mehr als einer Woche standen plötzlich nur mehr zwei Lehrkräfte für vier Klassen in der Grundschule Eurasburg bereit. Die Klassenzimmertüren blieben deshalb offen, die Kinder mussten ihre Aufgaben still lösen, die Lehrkräfte wechselten zwischen den Räumen hin und her. Solche spontanen Lösungen zu organisieren, bedeutet viel Aufwand, sagt Rektorin Bolzmacher. "Noch ist das aber handhabbar."

"Wir suchen jeden Tag nach kreativen Lösungen", beschreibt die Eurasburger Grundschulrektorin Katharina Bolzmacher ihren aktuellen Arbeitsalltag. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit dem Anschwellen der Omikron-Welle nach dem Ende der Weihnachtsferien haben sich an der Grundschule mit Standorten in Eurasburg und Beuerberg erstmals auch Lehrkräfte infiziert. Wenn sie großes Glück habe, könne jemand aus der mobilen Reserve des Schulamts die Unterrichtsvertretung übernehmen, so Bolzmacher. Entweder sie selbst oder eine Lehrkraft an ihrer Schule springe ein, wenn dies gerade möglich sei. Jedenfalls seien Lösungen von einem Tag zum nächsten gefragt. Es gehe darum, alles als Team irgendwie gemeinsam zu stemmen. Ihre Aufgabe als Rektorin sei es jedoch auch, sicherzustellen, dass sich keine Lehrkraft zu viel zumute.

Im Januar half aber selbst Improvisieren nicht weiter. Das Gesundheitsamt schickte zwei von acht Klassen der Eurasburger Grundschule in Quarantäne. Drei, beziehungsweise vier Kinder hatten sich mit Corona infiziert, 31 mussten zuhause bleiben. Als die Anordnung zur Quarantäne die Schule erreichte, vergingen allerdings mehrere Tage, eine Klasse konnte sich direkt wieder freitesten. Bei den derzeit hohen Fallzahlen will Bolzmacher dem Gesundheitsamt aber gar keinen Vorwurf machen. Alle arbeiteten sowieso wie die "Weltmeister", sagt sie. Gerade sei eben sehr viel Bürokratie und Verwaltung zu erledigen.

An den 14 Betreuungseinrichtungen der Kinderland Weyarn GmbH - acht davon im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen - hat sich die Situation mit dem Anstieg der Omikron-Fälle nochmals zugespitzt. "So hohe Fehlzeiten wie im Moment haben wir in unserer ganzen Geschichte nicht erlebt", berichtet Geschäftsführerin Petra Götzenberger. Seit 2009 existiert die Kinderland Weyarn GmbH. Schätzungsweise ein Drittel des Personals fielen derzeit krankheitsbedingt aus, und das nicht nur wegen Corona, sagt die Geschäftsführerin: "Das ist für uns wie viele andere Arbeitgeber eine Wahnsinnsherausforderung." Weil ohnehin drei, vier Leute pro Betreuungsgruppe eingeplant seien und eigenes Personal auch einmal von anderswo einspringe, sei das häufig aufzufangen. Doch die Kinderland Weyarn GmbH habe auch schon Gruppen und einmal eine ganze Einrichtung schließen müssen, weil so viele Kinder infiziert waren, erzählt Götzenberger.

Schwierig zu koordinieren sind nach ihrer Aussage vor allem die unterschiedlichen, behördlich vorgegebenen Zeiträume, nach denen man sich aus einer Quarantäne mit einem negativen Ergebnis freitesten kann. Während dies für das Personal erst nach sieben Tagen mittels PCR-Test möglich sei, gelte für Kinderbetreuungsgruppen eine Fünf-Tage-Regelung. "Man muss jeden Tag flexibel bleiben und das Beste daraus machen", meint Götzenberger. Zum Teil habe man auch schon die Öffnungszeiten reduziert, um Engpässe aufzufangen. Die Mehrzahl der Eltern akzeptiere die problematische Situation. Wer aber berufstätig sei und sich schwer tue, eine alternative Betreuung zu organisieren, reagiere eben schon einmal frustriert, erzählt Götzenberger.

Die Pandemie belastet schlussendlich die ganze Gesellschaft, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sind dafür nur ein Beispiel. Um die Nachwirkungen sorgt sich Fritz Meixner vom Kinder- und Jugendförderverein (KJF) Wolfratshausen. Der Geschäftsführer fragt sich, wie die seit zwei Jahren angespannte Situation das Verhalten der Kinder womöglich negativ beeinflussen könne. Der KJF organisiert die Hort- und Mittagsbetreuung für die Schulkinder in der Flößerstadt und einigen Kommunen im Umkreis. Vor drei Tagen, sagt er, seien sechs Leute mit Omikron zuhause gewesen.

Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, ist Meixner zufolge ein Höchstmaß an Flexibilität nötig. Schon im Dezember habe eine Gruppe des Wolfratshauser Kinderhorts für eine Woche schließen müssen. Für die Eltern konnte damals aber eine Notbetreuung angeboten werden. Im neuen integrativen Kindergarten habe auch einmal eine Gruppe schließen müssen. Immer wieder sprängen etwa Mitarbeitende vom Team des Jugendhauses La Vida, das am Freitag zum Beispiel erst um 16 Uhr aufmache, in der Kinderbetreuung ein. "Die Mitarbeiter halten unsere Einrichtungen am Laufen", sagt Meixner. Glücklicherweise müsse nicht jeder Ausfall eins zu eins ausgeglichen werden, weil teilweise so viele Kinder infiziert seien, dass auch weniger betreut werden müssten.

In der Schulkinderbetreuung ist Fritz Meixner vom Kinder- und Jugendförderverein Wolfratshausen für 86 Mitarbeiter verantwortlich. Zählt er Auszubildende und Beschäftigte im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) dazu, sind es fast 100. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zwar fehlt nach nach Meixners Aussage insgesamt gar nicht so viel mehr Personal wie in vorangegangenen Wintern. Das Team sei aber jeden Tag mit Corona beschäftigt. Eltern meldeten, dass ihr Kind positiv getestet sei, es gehe um Kontaktpersonen, Isolationsbescheide und vieles mehr.

Künftig sollen Gesundheitsämter in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen nun keine Kontaktpersonen von positiv Getesteten mehr ermitteln. Damit müssen diese auch nicht mehr Quarantäne. So können die restlichen Kinder die Einrichtungen weiterhin besuchen, solange nur wenige Altersgenossen positiv getestet werden. Erst bei höheren Fallzahlen gelten strengere Regeln. "Die ständig wechselnden Vorgaben des Sozialministeriums erfordern laufende Anpassungen und zusätzlichen Aufwand in den Kindertagesstätten und bei den Familien - und das in einer eh schon sehr angespannten Lage", erklärt Wolfgang Schweiger, Kreisgeschäftsführer der Caritas. Angaben zu einzelnen Personalausfällen und Gruppenschließungen will er nicht machen. Denn die sähen morgen schon wieder anders aus, sagt er. Familien und Mitarbeitende wolle er nicht zusätzlich verunsichern. Die Kita-Gemeinschaft aus Eltern, Kindern und Angestellten nehme enorme Anstrengungen auf sich, um "dem Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsauftrag trotz der Pandemie gerecht zu werden".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: