Prozess in Wolfratshausen:Drogengeschäfte im Darknet

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20-Jähriger aus dem Südlandkreis verurteilt - seine Dealer hatten Bestelllisten ausgedruckt.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Ist das Trio besonders dreist oder bloß naiv gewesen? Im abgeschotteten Darknet, aber auch im frei zugänglichen Internet, hatten drei junge Männer über einen Webshop mit dem Namen "Chemical Love" bundesweit große Mengen Drogen verkauft. Um die Aufträge der Kunden schneller bearbeiten zu können, druckten sie Bestelllisten mit Angaben von Rechnungs-, Liefer- und E-Mail-Adressen aus. Die fanden Ermittler bei einer Razzia im südpfälzischen Rülzheim, wo das Trio die Drogen gebunkert hatte.

So kam die Polizei auf die Spur eines heute 20-jährigen Mannes aus dem Südlandkreis. Er soll zehn LSD-Trips im Wert von knapp 70 Euro geordert haben. Am Amtsgericht Wolfratshausen wurde der junge Mann am Dienstag wegen versuchten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt. Zu den Vorwürfen äußerte sich der Angeklagte in der Verhandlung nicht.

Kürzlich hat das Landgericht Landau die drei Hauptangeklagten im "Chemical-Love"-Prozess, 30, 31 und 32 Jahre alt, zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte muss unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung für 14 Jahre und zehn Monate ins Gefängnis, die Mitangeklagten für je sieben Jahre und drei Monate. Wie eine Beamtin der Zentralen Kriminalinspektion (ZKI) Hannover schilderte, habe ein verdeckter Ermittler bei "Chemical Love" online Drogen bestellt. Mithilfe der Sendungsverfolgungsnummern konnten die Aufgabeorte der Pakete festgestellt werden. Per Videoüberwachung identifizierten die Beamten einen Täter und weitere Verdächtige.

Kurz nachdem das Trio weitere Drogen aus den Niederlanden beschafft hatte, schlug die Polizei Mitte April 2016 zu: Im Lager der Bande in Rülzheim stießen die Beamten bei einer Razzia auf rund 80 Kilogramm Drogen - und mehr als 2000 gedruckte Bestelllisten, darunter auch die Order des jungen Mannes aus dem Südlandkreis. Über eine Eingabemaske hatte er seinen Namen, E-Mail-, Rechnungs- und Lieferadresse - seine Wohnadresse - und die zehn bestellten LSD-Trips angegeben. Laut der ZKI-Beamtin wurde eine Bestellung nur elektronisch freigegeben, wenn ein Kunde die Ware zuvor mit der digitalen Währung Bitcoin bezahlt hatte. Erst danach sei die Bestellliste ausgedruckt worden. Zum konkreten Fall des Angeklagten habe das ZKI nicht weiter ermittelt.

Für dessen Verteidiger ergab die Verhandlung am Wolfratshauser Amtsgericht keine konkreten Beweise. Deshalb forderte er einen Freispruch. "Ich kann keinen verurteilen nur aufgrund von Mutmaßungen", sagte er. Außer der Bestellliste mit Namen und Anschrift des jungen Mannes liege nichts Konkretes vor. Für einen versuchten Erwerb von Betäubungsmitteln müsse das georderte Paket auch bei der Post aufgegeben worden sein. Dafür gebe es jedoch keinen Nachweis, sagte der Verteidiger.

Dagegen war die Staatsanwältin von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Sie forderte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Es gebe eine Bestellliste mit Namen und Adresse des Angeklagten, wie sie den sorgfältigen Ermittlungen der Polizei zufolge nur ausgedruckt wurde, nachdem die Ware bezahlt wurde. Ein Dritter hätte keinerlei Interesse haben können, im Namen des Angeklagten Drogen zu ordern.

Dieser Argumentation folgte Amtsrichter Urs Wäckerlin. Vom Verteidiger sei der große Unbekannte als Täter in den Raum gestellt worden, sagte er. Einen Grund, dass jemand anderer die Drogen bestellt und auch noch bezahlt habe, gebe es nicht. Wäckerlin verurteilte den Angeklagten - er hat eine abgeschlossene Ausbildung - nach Erwachsenenstrafrecht zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 30 Euro, also 1200 Euro.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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