Platz für Gartenbau,Schnitzen und Kupfertreiben:Organisches Wachstum frei nach Steiner

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Auf der Baustelle der Waldorfschule am Malvenweg in Geretsried soll im Mai mit den Arbeiten für den Kindergarten begonnen werden. Geschäftsführerin Michaela Karg ist derzeit mit Details wie der Farbauswahl beschäftigt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Waldorfschule Isartal in Geretsried nutzt ihr großes Grundstück am Rand der Isar und des Waldes für zwei Neubauten: einen Kindergarten und eine Turnhalle samt Werkstätten.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Gerundet und organisch soll die Architektur sein, wenn es nach der Anthroposophie des Rudolf Steiner geht. Natürliche Materialien dominieren, dazu warme Farben. In der Freien Waldorfschule Isartal in Geretsried liegen dazu gerade ein paar Muster auf Karton aus: von Lachs- bis Weinrot und von Creme bis Mokkabraun. Denn die Waldorfschule plant neue Räume. Sie baut ihren eigenen Kindergarten - dafür müssen noch die stimmigsten Farben ausgewählt werden. Und sie errichtet eine Turnhalle - da steht schon fest, dass wenigstens das Dach leicht gerundet ist.

Die Waldorfschule Isartal ist ein Erfolgsmodell. Als sie vor sechs Jahren aus zwei kleinen Unterkünften in Wolfratshausen in ein großes Haus - das ehemalige Gebäude des Pharma-Unternehmens Mucos am Malvenweg - zog, hatte die Schule zehn Klassen mit insgesamt 186 Kindern und Jugendlichen. Abiturklassen gab es damals noch nicht; eine staatliche Förderung aber stand nur in Aussicht, wenn die Schule bis zur Hochschulreife führen würde. Und das tut sie heuer bereits zum vierten Mal.

Der Kindergarten war gerade erst geplant, als die Waldorf-Leute im Jahr 2015 im Geretsrieder Stadtteil Gartenberg einen groß angelegten Umbau absolvierten. Mit Unterstützung eines finanzkräftigen Mäzens konnten sie sich am Malvenweg ansiedeln, und nicht zuletzt mit Elternarbeit im Wert von fast einer halben Million Euro wurden die 5000 Quadratmeter Industriebau auf dem 11 000 Quadratmeter großen Grundstück in ein Waldorfpädagogik-gerechtes Schulhaus verwandelt.

Das große Grundstück am Rand von Isarauen und Wald ermöglicht es der gemeinnützigen Genossenschaft, welche die Waldorfschule samt Kindergarten trägt, sich nun auch auszudehnen. Eine eigene Turnhalle hatte das Haus bisher nicht, wie Geschäftsführerin Michaela Karg erklärt. Die Schülerinnen und Schüller mussten eigens mit Bussen zu angemieteten Turnhallen in Wolfratshausen oder Gelting gefahren werden. Von November 2022 an soll das anders sein. Bis dahin soll die Eineinhalbfach-Turnhalle mit einer Grundfläche von 36 mal 28 Metern stehen. Außer der eigentlichen Halle für Sport und Spiel wird sie noch Werkräume umfassen, für all das, was Waldorfschulen ihren Kindern zusätzlich zu theoretischem Unterricht anbieten: Holzverarbeitung, Kupfertreiben, Schnitzen, Gartenbau.

Über die Kosten der Halle wie auch des Kindergartens verrät Karg noch nichts. Zwar haben beide Vorhaben bereits erfolgreich den Geretsrieder Stadtrat passiert. Aber es stünden noch die Begutachtungen der staatlichen Förderstellen aus, sagt die Geschäftsführerin. Bei der Turnhalle rechnet sie mit eine Übernahme von einem Viertel der Kosten, beim Kindergarten mit einem Drittel. Auf jeden Fall müsse die Genossenschaft einen Kredit aufnehmen.

Der Kindergarten wird zwei Gruppen mit je 25 Plätzen haben. Da es schon bisher fünf Inklusionsplätze gibt, die rechnerisch jeweils drei anderen Plätzen entsprechen, können also insgesamt 35 Kinder die Einrichtung besuchen. Wenig überraschend angesichts des allgemeinen Mangels an Kinderbetreuungsplätzen in der Stadt: "Es gibt eine große Warteliste", sagt Karg.

Der Plan für den Kindergarten lässt anthroposophische Architekturelemente erkennen. So schwingt die Frontseite in einer weichen Wellenlinie. Und nicht nur ist das Haus - wenn auch bisher nur auf dem Papier - in einen üppig grünen Garten eingebettet. Es wird genauso wie die Turnhalle ein begrüntes Dach bekommen. Bei der Halle kommt dazu noch eine Teilfläche mit Photovoltaik. Die Vorplanung für die Gebäude hat das Architekturbüro Kruppa geliefert, die Ausführung stammt von den Geretsriedern Grasberger und Oppenheimer, G+O. Baubeginn soll im Mai sein; die Eröffnung ist für März 2022 geplant.

Geschäftsführerin Karg ist mit der Entwicklung der Waldorf-Adresse zufrieden. Die Pädagogik, die von manchen auf den Dörfern anfangs noch ein wenig belächelt worden sei, etabliert sich nach ihrem Eindruck zusehends. Für die Stadt Geretsried ist die Waldorfschule im weiten Umkreis ein Alleinstellungsmerkmal. Die nächsten Häuser, die sich der Steiner-Pädagogik verschrieben haben, sind im Norden in München und im Süden in Weilheim.

Wenn alles gut läuft, können die Waldorf-Verantwortlichen in Geretsried womöglich bald wieder jenes Motto zitieren, das für ihre Pädagogik steht: "Alles Lernen beginnt mit dem Staunen." Denn dann können die Kinder zwei neue Gebäude in komplett neu gestaltetem Ambiente bestaunen.

www.waldorfschule-isartal.de

© SZ vom 15.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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