Protest gegen Rechtsextremismus:Bunt bleiben

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Mehr als 1500 Menschen sind am 4. Februar unter dem Motto "Penzberg bleibt bunt - Stadt der 100 Nationen" auf die Straße gegangen. Benjamin Idriz (Mitte) war einer von ihnen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In Geretsried und Penzberg demonstrieren mehrere Tausend Menschen für ein respektvolles demokratisches Miteinandner.

Von Stephanie Schwaderer und Alexandra Vecchiato, Geretsried/Penzberg

Mehrere Tausend Menschen sind am Sonntag in Geretsried und Penzberg gegen Rechtsextremismus, Hass und Hetze auf die Straße gegangen. Die Demonstration auf dem Karl-Lederer-Platz unter dem Motto "Zammhoitn, ned spoitn" hatte der 39-jährige Florian Völler initiiert. Seinem Aufruf schlossen sich in den folgenden Tagen die Bürgermeister der Städte Geretsried und Wolfratshausen, der VdK, der Erinnerungsort Badehaus sowie der DGB-Kreisverband an. Gegen 14 Uhr drängten sich Menschen allen Alters, viele mit bunten und kreativen Schildern ausgestattet, rund um einen Lastwagen, den Völler zur Tribüne umfunktioniert hatte. In Penzberg fand die Kundgebung unter dem Motto "Penzberg ist bunt" statt. An die 2000 Menschen versammelten sich in der Innenstadt.

Man dürfe "unsere Demokratie nicht den Spaltern überlassen", forderte Völler zu Beginn seiner Ansprache - und bat darum, keinen der Redner auszubuhen. Wer auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe, habe das Recht seine Meinung zu äußern. "Rechts ist nicht gleich rechtsextrem." Statt sich gegenseitig "ständig eins auf die Nuss zu hauen", sei ein respektvolles Miteinander unter dem bayerischen Leitsatz "Leben und leben lassen" gefragt. Dass die in Teilen rechtsextreme AfD bei der Landtagswahl in Geretsried 17,6 Prozent der Stimmen erzielt habe, in manchen Wahlbezirken sogar 20 plus, habe ihn erschüttert, sagte Völler. Jeder Politiker, aber auch jeder Bürger sei aufgerufen, mit potenziellen Anhängern der "populistischen Vereinfacher" das Gespräch und die inhaltliche Auseinandersetzung zu suchen. Nur so könne man der AfD "den Boden abgraben".

Auch auf dem Karl-Lederer-Platz in Geretsried drängten sich die Menschen. (Foto: Manfred Neubauer)
Initiator Florian Völler war Eröffnungsredner der Demonstration in Geretsried. (Foto: Manfred Neubauer)

Michael Müller (CSU), Bürgermeister von Geretsried, verwies auf die besondere Geschichte der Stadt, die von Vertriebenen auf den Trümmern der Nazi-Diktatur erbaut worden sei. Derzeit lebten 116 Nationen in der Stadt zusammen. "Und unser buntes Geretsried lassen wir uns nicht kaputt machen", rief er unter Applaus. Sein Wolfratshauser Kollege Klaus Heilinglechner (BVW) erinnerte an die "Generationen vor uns, die für die Demokratie gekämpft" hätten. "Wer die AfD aus Protest wählt, hat unsere Geschichte nicht verstanden."

Für den Erinnerungsort Badehaus trat der 22-jähriger Joseph Coenen ans Mikrofon. Er richtete sich vor allem an die jungen Leute im Publikum. Sie alle seien mit dem großen Privileg aufgewachsen, in Frieden, Freiheit und Sicherheit zu leben. Dies sei nicht selbstverständlich. Sein Appell: "Engagiert euch! Macht mit!" Völler hatte 500 Teilnehmende angemeldet. Einsatzleiter Andreas Feinecker von der Geretsrieder Polizeiinspektion schätzte die Zahl auf 1000. Andere Beobachter gingen von der doppelten Menge aus.

"Penzberg ist bunt" - und soll es auch bleiben. Dafür demonstrierten an die 2000 Bürgerinnen und Bürger. (Foto: Harry Wolfsbauer)
Die Organisatoren der Penzberger Demonstration (von links): Clemens Meikis, Gianna Lisci und Bärbel Scholz. (Foto: Harry Wolfsbauer/Harry Wolfsbauer)

"Wer stolz darauf ist, Arisch zu sein, hat ein -i- zu viel", ist auf einem Plakat auf dem Penzberger Stadtplatz zu lesen - nicht die einzige Botschaft am Sonntagnachmittag, die sich gegen Rechtsextremismus ausspricht. Ein breites Bündnis von "Demokratie-Bewegten", so Hauptredner Clemens Meikis, sei vor zwei Wochen auf die Idee gekommen, auch in Penzberg eine Demonstration zu organisieren, wie sie in den Tagen davor in deutschen Städten stattgefunden habe. Dass so viele Menschen sich auf dem Stadtplatz versammelt hätten, um für Toleranz einzustehen, erfülle ihn mit Freude, sagte Meikis. "Penzberg bleibt bunt. Penzberg ist bunt", rief er unter Applaus in die Menge.

Kein Platz für Rechtsextremismus: Auf Plakaten machten Penzberger gegen Fremdenfeindlichkeit mobil. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, bei dem über die Abschiebung von Millionen Menschen aus Deutschland gesprochen wurde, habe ihn hellhörig werden lassen und mache ihm Angst, so Meikis. "Und es empört uns!" Dort seien die "Werte unseres Zusammenlebens" mit Füßen getreten worden - dabei reiche ein Blick in das Grundgesetz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Damit sei alles gesagt, betonte Meikis. Vor dem Hintergrund der deutschen NS-Vergangenheit dürfe niemand weghören. Im Gegenteil: "Wir müssen hinhören! Es liegt an uns Verantwortung zu übernehmen."

Alexandra Link-Lichius sang und spielte unter anderem "Blowing in the wind". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Nach den Ansprachen setzte sich ein langer Zug durch die Penzberger Innenstadt in Bewegung. Die Polizei schätzte etwa 1200 Teilnehmer, die Veranstalter sprachen von an die 2000 Bürgerinnen und Bürger. Begleitet wurde die Kundgebung von musikalischen Beiträgen. So stimmten Thomas Müller, Markus Bocksberger und Tom Sendl die Penzberg Hymne "Weilst a Herz hast wia a Bergwerk" - eine Adaption des Fendrich-Songs - an. Gerhard Prantl hatte den Text dazu in den 1990er-Jahren für die Bergwerksstadt umgeschrieben und nahezu prophetisch die Zeile getextet: "Weil bei dir das Herz und nicht die Herkunft zählt."

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