Neuer Kreisbaumeister:"Der Karl-Lederer-Platz ist als Zentrum nicht akzeptabel"

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Andreas Hainz glaubt, dass Geretsried von der Umgestaltung profitieren kann. Beim Wohnraum für Zuzügler ist er zurückhaltend.

Von Jakob Steiner, Bad Tölz-Wolfratshausen

Zwar ist die Wand noch kahl und die Möbel provisorisch, aber Andreas Hainz fühlt sich wohl. Der Architekt muss als Kreisbaumeister das Bauordnungsrecht vertreten und die Gemeinden in ihrer städtebaulichen Planung betreuen. Der 52-jährige hatte nie geplant, in den öffentlichen Dienst zu gehen, entschied sich 2012 aber, ins Landratsamt Landsberg am Lech zu wechseln, und hat sich, wie er sagt, in die warme, aber enge Jacke des Staates begeben. Jetzt sitzt der seit 18 Jahren in München lebende "Seelsorger der Bauherren" - wie er am Lech von seinen Kollegen genannt wurde - im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, nicht zuletzt, weil der in Holzkirchen aufgewachsene so wieder näher an seine Heimat gerückt ist.

Sie haben zuvor in Landsberg gearbeitet. Was sind die Unterschiede?

Was sofort aufgefallen ist: Der Tölzer Landkreis ist geprägt durch viele einzelne kleine Weiler, im Landsberger Landkreis ist die Siedlungsstruktur anders. Ein weiterer Unterschied zu Landsberg ist, dass unser Landkreis hier in großen Bereichen touristisch geprägt ist. Mir ist es wichtig, auf eine behutsame Entwicklung von Ortschaften zu achten, um die für den Tourismus bedeutsamen typischen, historischen Gestaltungsmerkmale der Ortschaften zu erhalten. Der Denkmalschutz, der mir besonders am Herzen liegt, spielt hier eine große Rolle. Im Landkreis gibt es mit 1600 im Vergleich zu Landsberg fast dreimal so viele eingetragene Denkmäler. Mir ist es ein Anliegen, den Denkmaleigentümern zu vermitteln, dass sie ein für die Allgemeinheit wichtiges Kulturgut besitzen. Und die Berge, natürlich, die gibt es in Landsberg nicht.

Neulich warnten Sie in Dietramszell vor einer Zersiedelung der Landschaft. Was können Sie gegen diese Entwicklung tun?

Ich unterstütze die Gemeinden beratend bei der Ausübung ihrer Planungshoheit. Ich habe im Rahmen einer Gemeinderatssitzung in Dietramszell die aktuellen Ergebnisse einer Fachkonferenz angesprochen. Darin demonstrierten Satellitenaufnahmen die fortschreitende Versiegelung des Bodens zwischen 1984 und 2014 am Beispiel des Großraumes München. Ich war überrascht, dass in den letzten 30 Jahren auch im Landkreis doch relativ viel an weiterer Versiegelung gerade auch außerhalb der Städte und größeren Ortschaften entstanden ist. Jedes Gebäude trägt zur Versiegelung bei. Die Auswirkungen selbst auf das lokale Klima sind unübersehbar. Das Ergebnis der Expertenrunde wollte ich dem Gremium zur Anregung für die Entscheidungen bei zukünftigen Baulandausweisungen mitgeben. Das Problem ist, dass Innenbereichsflächen nur bedingt verkäuflich sind und Außenbereichsflächen günstiger erworben werden können.

Landrat Josef Niedermaier sprach von 300 000 neuen Einwohnern in den nächsten zehn Jahren in der Region. Sie fordern, dass eine Versiegelung verhindert werden soll. Wie passt das zusammen?

München ist für viele Bürger mittlerweile zu teuer, sie drängen jetzt verstärkt ins Umland. Die Gemeinden müssten dem Baugesetzbuch zufolge nur insoweit städtebauliche Planungen betreiben, als es für eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Das heißt, es sollte vorrangig Wohnraum für die eigenen Bürger geschaffen werden und nur im erforderlichen Maße auch für Neubürger. Eine prospektive Ausweisung von Bauland für eventuelle zukünftige Entwicklungen in dem angesprochenen Umfang ist nicht Sinn der gesetzlichen Regelung. Zentren wie Bad Tölz, Wolfratshausen, Geretsried und vielleicht ein paar größere Gemeinden im Landkreis werden sich über 2020 hinaus einem anhaltenden Bevölkerungszuwachs stellen müssen. Den starken Siedlungsdruck dort kann man anhand der stetig steigenden Grundstückspreise seit einigen Jahren erkennen.

Stichwort Karl-Lederer-Platz, Geretsried. Befürworten Sie den Bau in die Höhe?

In Bezug auf den Karl-Lederer-Platz halte ich mich aus der öffentlichen Diskussion heraus. Die Entscheidung unterliegt zuerst der Planungshoheit der Stadt Geretsried. Grundsätzlich muss sich jede Stadt irgendwann die Frage stellen, wie sie sich zukünftig entwickeln will. Ich glaube, dass die Stadt aus städtebaulicher und architektonischer Sicht, von dem Vorhaben profitieren kann. Die Bedenken der Bürger sind absolut nachvollziehbar, aber die Stadt kann nicht nach hinten blicken und alles so lassen, wie es ist, sie will und muss sich nicht nur im Hinblick auf die S-Bahn-Verlängerung und der Verlegung der B11 entwickeln. Der Karl-Lederer-Platz ist in seiner derzeitigen Gestalt sicher nicht als ansprechend zu bezeichnen und als Zentrum einer aufstrebenden Stadt nicht akzeptabel.

Wolfratshausen ist räumlich stark eingegrenzt. Was ist dort möglich?

Das Zentrum Wolfratshausens ist hauptsächlich durch den Faktor Denkmalschutz bestimmt. Dort gibt es eine von der Isar und der westlichen Hangkante begrenzte historische Altstadt, die unter Ensembleschutz steht und durch viele Einzeldenkmäler geprägt ist. Eine Entwicklung derartiger Baugebiete kann nur ganz vorsichtig und langsam geschehen.

Viele Häuser in der Wolfratshauser Altstadt stehen leer. Wie kann sich die Lage verbessern?

Der Versuch, durch die Neugestaltung des Isar-Kaufhauses mit einem Publikumsmagneten als Mieter, die Altstadt wieder zu beleben, könnte das richtige Konzept sein. Andere Läden könnten durch die Laufkundschaft ebenso profitieren. Für viele Eigentümer ist der Denkmalschutz immer noch ein "rotes Tuch". Notwendige Umbau- und Modernisierungsarbeiten werden nicht durchgeführt, weil man davon ausgeht, dass diese durch den Denkmalschutz verhindert oder verteuert werden. Ein Denkmal muss jedoch mit Leben erfüllt sein, um bestehen zu können. Auch der Denkmalschutz hat das seit langem erkannt. Den Bauherren ist zu empfehlen, einen Beratungstermin mit der unteren Denkmalschutzbehörde in Anspruch zu nehmen.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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