Neue Studie:Wohn-Notstand im Landkreis

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Neubauten wie in Waldram entstehen viele, doch sie reichen nicht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Mehr als 1200 Appartements fehlen - vor allem im bezahlbaren Bereich. Kommunen und Investoren müssten doppelt so viel bauen wie bisher. Das wird kaum zu schaffen sein.

Von Pia Ratzesberger, Bad Tölz-Wolfratshausen

Kräne ragen in den Himmel, Bagger schaufeln den Schutt zu großen Halden zusammen, ein lautes Dröhnen kundet von den schweren Arbeiten: Im Tölzer Kurviertel wird geschuftet, mehrere Baustellen dominieren hier seit Monaten den Alltag der Anwohner. Nicht nur hier, im gesamten Landkreis sollen vielerorts neue Appartements entstehen. Doch das wird nicht reichen.

Der Landkreis braucht einer neuen Studie des Pestel-Instituts aus Hannover zufolge allein in diesem Jahr 1220 Wohnungen, um den Bedarf abzudecken, vor allem im günstigen Preissegment. Das sind den Wissenschaftlern zufolge etwa doppelt so viele Wohnungen wie sonst im Kreis durchschnittlich pro Jahr fertiggestellt werden. Die Zahl ist vor allem gestiegen, weil die anerkannten und geduldeten Flüchtlinge in diesem Jahr schätzungsweise etwa 600 Unterkünfte brauchen werden.

Geretsried plant 1000 Wohnungen

"Um eine Wohnungskrise zu vermeiden, muss jetzt dringend neuer Wohnraum her", sagt Institutsleiter Matthias Günther, sowohl Neubauten als auch Sanierungen seien nötig. Die Untersuchung seines Instituts ist unter anderem von der Industriegemeinschaft Bauen-Agrar-Umwelt sowie dem Bundesverband Deutscher Baumeister in Auftrag gegeben worden.

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Dass es im Kreis an günstigen Wohnungen mangelt, ist Städten und Gemeinden durchaus bewusst: In Geretsried etwa plant der Stadtrat ein Wohnbauprogramm für bis zu 1000 Wohnungen. In Bad Tölz baut die Stadt neben der Montessorischule auf der Flinthöhe ein Haus für zunächst 170 Asylbewerber, die 30 Appartements sollen später zu Sozialwohnungen umfunktioniert werden. Und in Wolfratshausen sucht eine Arbeitsgruppe im Rathaus nach neuen Flächen.

Alle Sozialwohnungen sind belegt

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist eine Zuzugsregion, jedes Jahr drängen mehr als 1000 Menschen in den Kreis, weit mehr, als in einem Jahr fortgehen. Aus München, wo die Mieten noch höher liegen, ziehen die meisten zu. Fragt man bei Landratsamt und Immobilienmaklern nach, sind diese Neubürger nur allzu oft relativ wohlhabende Senioren, die sich für den Ruhestand einen neuen Alterswohnsitz suchen. Junge Familien mit Kindern dagegen können sich die Mieten immer seltener leisten. "Schon eine Ein-Zimmer-Wohnung kostet hier mittlerweile mehr als 550 Euro im Monat", sagt Ines Lobenstein von der Wohnungslosenhilfe der Caritas in Wolfratshausen. Sie berät momentan mehrere Klienten, die eigentlich Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten, aber trotzdem keine kriegen. Weil alles voll ist.

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Etwa 1600 Sozialwohnungen gibt es momentan im Landkreis - noch. Jedes Jahr nämlich laufen weitere Bindungen mit den Baugenossenschaften aus, vor drei Jahren waren es noch 2200 Sozialwohnungen, 600 mehr. In den vergangenen acht Jahren sind nicht einmal 50 neue Sozialwohnungen entstanden. Obwohl es also immer mehr solcher Bauten braucht, gibt es immer weniger. "Es fehlt an Baugrund", sagt Peter Zimmermann, beim Landratsamt zuständig für den sozialen Wohnungsbau. Das führt dazu, dass auch seltener Wohnungen frei werden. Denn wer einmal eine Sozialwohnung ergattert hat, gibt sie freiwillig kaum wieder auf. "Oft werden Wohnungen erst neu belegt, wenn jemand stirbt oder ins Pflegeheim muss", sagt Günther vom Pestel-Institut. Der Mangel an Wohnraum ist nicht nur für die Betroffenen folgenreich, die in zu teuren Apartments Schulden anhäufen oder ihr Umfeld resigniert verlassen. Der Mangel ist auch eine Bedrohung für die Wirtschaft. Gibt es keine Wohnungen, suchen die Leute woanders Arbeit - und ziehen gar nicht erst her.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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