Leben im Landkreis:Wenn Wohnen zum Luxus wird

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Egal, ob zum Kaufen oder zur Miete: Die Immobilienpreise in der Region haben in den vergangenen Jahren massiv angezogen. Vor allem junge Familien stellt das vor heftige Probleme.

Von Florian Zick, Claudia Koestler, Konstantin Fahrner, Yara van Kempen

Der negative Höhepunkt der Wohnungssuche war die Sache mit dem Krabbeln. Das Parkett und das Baby, ob sich das so gut verträgt? Der Vermieter hatte da seine Zweifel. Denn was, wenn da im schönen Boden Kratzer entstehen? Carolin Pauli hat deshalb dann doch lieber abgesagt. "Ich werde ein Baby sicher nicht am Krabbeln hindern", sagt sie mit einer immer noch gewissen Fassungslosigkeit.

Vier Jahre lang haben Pauli und ihre Familie gesucht, bis sie eine neue Bleibe gefunden hatten. Sehr zermürbend sei das gewesen, erzählt die 35-Jährige. Das mit dem krabbelunfreundlichen Vermieter war zwar eine einmalige Episode. Aber an irgendwas ist es immer gescheitert. Mal waren die Kinder das Problem, mal die Katze. In aller Regel hat es aber vor allem aus einem Grund nicht mit einem neuen Mietvertrag geklappt, nämlich wegen der größtenteils horrenden Preise.

In Wolfratshausen muss man bei einer Wohnung in guter Lage laut dem deutschen Immobilienverband (IVD) inzwischen 11,40 Euro pro Quadratmeter an Kaltmiete hinlegen. In Geretsried (10,30 Euro) und Bad Tölz (10,80 Euro) ist es im Schnitt auch nicht wesentlich günstiger. In der gesamten Region haben die Mieten in den vergangenen fünf Jahren massiv angezogen, teilweise um über 40 Prozent. Bei der Suche nach einem passenden Zuhause tun sich junge Familien im Landkreis deshalb mittlerweile extrem schwer.

Betroffen sind auch ganz normale Familien wie die von Carolin Pauli. Ihr Mann ist selbständig mit einem kleinen Reparaturdienst für Hydraulikgeräte, sie mit einem sicheren Job bei einer Krankenkasse. 1600 bis 1700 Euro warm hatten sie als Budget eingeplant gehabt. Eigentlich gar nicht so wenig. Doch egal ob Wohnung, Doppelhaushälfte oder Häuschen: Ein Garten hätte für dieses Geld schon dabei sein sollen. Und da in Geretsried oder gar in Wolfratshausen etwas Vernünftiges zu finden? "Das ist utopisch", sagt Pauli.

Die Geschichte der Familie Pauli steht beispielhaft für so viele andere Fälle, die es in der Region momentan gibt. Die Drei-Zimmer-Wohnung in Egling war zu klein geworden, als vor vier Jahren das zweite Kind kam. Der heute 13-jährige Sohn, das kleine Säuglingsmädchen, dazu das Büro, das Alexander Pauli dort betrieb, nachdem er sich mit seiner kleinen Firma selbständig gemacht hatte - das ging irgendwann einfach alles nicht mehr. "Die Akten haben sich gestapelt", erzählt Carolin Pauli. Zudem sei die Kleine immer aufgewacht, wenn ihr Mann im Büro den Drucker angeschmissen habe. "Wir wollten einfach nur noch raus", so Pauli.

Doch trotz aller Bemühungen wurde es so schnell nichts mit einem Umzug. Die Paulis filzten die einschlägigen Immobilienportale, fragten bei Freunden, Bekannten und Kunden herum, inserierten eine Wohnungssuche bei Ebay-Kleinanzeigen, schickten über Facebook einen Hilferuf raus - es half alles nichts. Und wenn doch mal etwas Passendes kam, "das war dann einfach unbezahlbar", sagt Pauli.

Manfred Fleischer vom Maklerunternehmen Bartsch in Wolfratshausen kennt solche Geschichten. Das Problem sei, sagt er, dass die Mieten in Wolfratshausen und der Region trotz des Preissprungs in den vergangenen Jahren immer noch deutlicher günstiger seien als in München. Dieses Preisgefälle würde eine enorme Sogwirkung entfalten. Viele Menschen aus der Stadt seien inzwischen bereit, länger zu pendeln, wenn sich dadurch die Mietbelastung verringern lässt. Das würde den Druck auf den Immobilienmarkt im Landkreis massiv erhöhen.

Laut Fleischer sind es neben kleinen Singlebuden vor allem Vier-Zimmer-Wohnungen, die in Wolfratshausen und Umgebung nachgefragt werden. Aber auch kleine Häuser würden stark gesucht. Genau das Spektrum also, das auch bei jungen Familien vornehmlich zum Suchprofil gehört.

Was diese angespannte Marktlage für krude Blüten treibt, kann man sich aktuell in Ergertshausen in der Gemeinde Egling anschauen. Dort dominiert derzeit ein freistehendes Einfamilienhaus das Dorfgespräch. 200 Quadratmeter Wohnfläche, nicht ganz 800 Quadratmeter Garten, erst gut zehn Jahre alt. Die derzeitige Eigentümerin hat es über ein Maklerunternehmen für stolze 1,45 Millionen Euro zum Kauf angeboten. Dabei, so heißt es in dem kleinen Kirchdorf, sei dieses Haus doch erst vor ein paar Jahren für deutlich unter einer Million weggegangen. Wie könne es so schnell also so teuer geworden sein?

Der Traum von den eigenen vier Wänden: In der Region braucht man dafür ein gut gefülltes Konto. Aber auch die Mieten gehen inzwischen gehörig ins Geld. (Foto: Andrea Warnecke/dpa)

"Ja mei", sagt Bürgermeister Hubert Oberhauser (FW) dazu, und selbst über das Telefon ist ein gewisses Schulterzucken vernehmbar. Die Millionengrenze sei nichts, was man in der Gemeinde Egling nicht schon vor Jahren durchbrochen habe, sagt er. "Das ist eben der derzeitige Markt, das hat auch vor uns nicht Halt gemacht." Er kenne auch ein weiteres Beispiel: Ein Einfamilienhaus in Dettenhausen werde derzeit ebenfalls für mehr als eine Million Euro angeboten, mit weniger Grund als 1000 Quadratmeter und einem baufälligen Gebäude.

Allerdings, gibt Bürgermeister Oberhauser zu bedenken, seien das eben Wunschpreise der Verkäufer. "Mein Großvater war Kaufmann und hat immer gesagt: Wer viel verlangt, der ist nicht dumm." Gut möglich, dass der Preis "so 200 000 überm Marktpreis angesetzt ist", sagt er. "Der Rest ist Verhandlungssache." Letztlich aber könne man dem Markt und seiner Preisentwicklung wenig entgegensetzen, "außer die Angebote zu erhöhen". Dass man "in einem gesegneten Fleckchen Erde" lebe, das habe inzwischen aber eben seinen Preis, so Oberhauser.

Der Landkreis droht also, zu einer Luxus-Herberge zu werden. Hier scheint sich der Verdrängungswettbewerb fortzusetzen, der in München mit seinen irren Mieten begonnen hat. Erst treiben die Preise junge Familien raus aufs Land. Dann setzt sich dort die Preisspirale in Gang und sucht sich neue Opfer.

Zu beobachten ist dieses Phänomen ganz gut bei den Preisen für Doppelhaushälften. Wenn man kaufen wollte, hat man vor fünf Jahren da für ein Objekt in Wolfratshausen noch lediglich 460 000 Euro berappen müssen. Mittlerweile zahlt man laut IVD dafür schon 710 000 Euro. Das sind fast 55 Prozent Preisanstieg, also gut das Anderthalbfache. In Geretsried ging es sogar fast 60 Prozent hoch.

Man fragt sich, wer das alles noch bezahlen soll. Aber immerhin: Wenigstens die Familie Pauli hat inzwischen ein neues Heim gefunden. Seit Februar wohnt Carolin Pauli mit ihrem Mann und den Kindern in einer 200 Quadratmeter großen Doppelhaushälfte in Ascholding. Ihr ursprünglich veranschlagtes Budget hat der neue Mietvertrag zwar gesprengt. Aber in der alten Wohnung "sind wir nur noch aufeinandergehockt", erinnert sich die junge Frau. Entsprechend lagen die Nerven manchmal auch blank. Nun in Ascholding: "Da sind wir viel entspannter", so Pauli.

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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