Leben im Alter:Wenn das Vergessen beginnt

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Aktivierung für die Gäste, Entlastung für die Angehörigen (v.li.): Jan Philipp Gerhartz, Cathrin Pötzl und Stephanie Waldstein im "Café Malta". (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Wolfratshauser "Café Malta" können Menschen, die am Anfang einer Demenz-Erkrankung stehen, ihre Stärken wiederentdecken. Gemeinsame Aktivitäten sollen der Selbstisolation entgegenwirken

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Das Krankheitsbild Demenz betrifft immer mehr Familien. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es derzeit weltweit 55 Millionen Demenzkranke, bis 2030 sollen es 40 Prozent mehr sein. Wenn das Vergessen beginnt, ziehen sich die Betroffenen oft zurück und bleiben im häuslichen Umfeld, für die Angehörigen ist die Betreuung kräftezehrend. In Wolfratshausen will der Malteser Hilfsdienst Menschen mit beginnender Demenz und ihren Angehörigen nun einen Lichtblick geben: mit dem "Café Malta", das in den Malteser-Räumen im Untermarkt 17 errichtet wurde. Dort sollen Betroffene künftig jeden Dienstagnachmittag zusammenkommen und, betreut von Demenzbegleitern, bei verschiedenen gemeinsamen Aktivitäten ihre verborgen geglaubten Fähigkeiten entdecken.

Das Café Malta, das es unter anderem bereits in München, Freising und Garmisch gibt, soll darüber hinaus den Angehörigen einen regelmäßigen Freiraum geben. Diese müssten die Last der Pflege und Betreuung nicht alleine tragen, erklärte die Leiterin der Einrichtung, Cathrin Pötzl, bei der Vorstellung der Räume am Dienstag. "Sie können ein paar Stunden in der schönen Wolfratshauser Altstadt verbringen, sich mit Freunden treffen oder einen Arzt besuchen."

Vor geladenen Vertretern der Stadt, des Landratsamts und anderer Demenzhilfe-Einrichtungen erläuterten Pötzl, die neue Kreisgeschäftsführerin der Malteser, Elisabeth Vogel, und Jan Philipp Gerhartz, der in der Diözesangeschäftsstelle für die Demenzarbeit verantwortlich ist, das neue Betreuungsangebot: Im Café Malta werden die Betreuten "Gäste" genannt, ihre Wünsche und Fähigkeiten sollen individuell gefördert werden. Gemeinsame Ausflüge, Bewegungstraining und Tanz sollen die beginnende Unruhe in positive Bahnen lenken, Lieder und Gespräche Erinnerungen und Fähigkeiten aktivieren. So würden die vorhandenen Ressourcen wieder spürbar, erklärte Vogel - zum Beispiel, indem Gäste Liedtexte oder Gedichte wiedergeben. "Die Menschen können sich in ihrer Stärke und ihrem Können erleben."

Die Arbeit der Malteser beruht auf dem Konzept der Silviahemmet, einer von der schwedischen Königin Silvia gegründeten Stiftung. Ziel sei die Erhöhung der Lebensqualität für Betroffene und Angehörige, erklärte Gerhartz. Weil es für Demenz keine medizinische Behandlung gebe, verfolge man einen palliativen Ansatz. Eine "verständnisvolle und wertschätzende Art des Umgangs" und die Gesellschaft Gleichgesinnter bewirkten, dass sich die Betroffenen sicherer fühlten und ihre Fähigkeiten aktivierten. Scheinbar Vergessenes werde wiederentdeckt. "Sie blühen dann richtig auf", sagte Pötzl. "Wir wollen die Gäste willkommen heißen und sie ein bisschen aus der Reserve locken. Sie sollen sich als Teil der Gesellschaft wohlfühlen und nicht allein im kleinen Kämmerlein sitzen." Damit das gut klappt, wurden die Malteser-Räume nach dem schwedischen Konzept umgestaltet, finanziert mit Spenden der Josef-und-Luise-Kraft-Stiftung sowie von drei Banken im Landkreis. Kontraste in dunklem Rot, etwa an Türrahmen und auf den Toiletten, erleichtern die Orientierung der Gäste, deren Sichtfeld beschränkt ist. An den Wänden hängen Bilder des Fotoklubs Wolfratshausen, auf denen sie markante Orte in der Stadt wiedererkennen können. Cathrin Pötzl betonte auch den hohen Stellenwert der ehrenamtlichen Helfer bei den Maltesern. Ihr Team sei dankbar für Unterstützung, sagte sie. Freiwillige, die das Café Malta unterstützen wollen, bekämen vorher eine Schulung als Demenzbegleiter.

Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) war angetan von der "ganz neuen Institution in Wolfratshausen", wie er sagte. Demenz betreffe viele Bürger. Menschen, die merkten, dass sie erkranken, wollten niemandem zur Last fallen und zögen sich daher oft zurück. "Es ist toll, dass es hier die Möglichkeit gibt, Leute aus ihrer Isolation herauszuholen und sie mit anderen Menschen zusammenzubringen, denen es genauso ergeht."

Café Malta, Untermarkt 17, 82515 Wolfratshausen, jeden Dienstag von 14 bis 17 Uhr. Teilnahme nur nach Anmeldung und Vorgespräch mit Betroffenen und Angehörigen. Kontakt: Cathrin Pötzl, Telefon: 08171/347918-10, mobil: 0160/94412749 oder E-Mail: CafeMalta.Wolfratshausen@malteser.org

© SZ vom 29.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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