Wie lässt sich günstiger Wohnraum schaffen, ohne weitere Flächen zu versiegeln? Darüber diskutieren die Landtagskandidaten am Donnerstagabend in der Tölzer Franzmühle am heftigsten. Nach einem kurzen Austausch zwischen Jakob Koch und Florian Streibl, ob der Flächenfraß in Bayern nun zehn oder fünf Hektar pro Tag beträgt, einigen sie sich aber zumindest auf eines: "Der Verbrauch ist einfach zu hoch."
Es ist 19.15 Uhr im Katholischen Pfarrheim Franzmühle, die fünf Landtagskandidaten - ausschließlich Männer - sitzen an einem langen Tisch, als die Podiumsdiskussion des Bunds Naturschutz (BN) mit einer Viertelstunde Verspätung beginnt. Der Saal ist mit knapp 40 Zuschauern gut gefüllt, im Publikum sitzt neben vielen BN-Mitgliedern auch der Tölzer Bürgermeister Ingo Mehner (CSU).
Eingeladen waren die Kandidaten aller Parteien, die im Landtag vertreten sind, bis auf die AfD: Thomas Holz (CSU), Jakob Koch (Grüne), Florian Streibl (Freie Wähler, FW), Benedikt Hoechner (SPD) und Tim Sachs (FDP). Im Verlauf von zwei Stunden beantworten sie die drängendsten Fragen zum Umwelt- und Naturschutz.
Um den Flächenverbrauch einzudämmen, wollen die Kandidaten von den Grünen und FW bestehende Flächen anders - und besser - nutzen. Koch möchte zusätzlichen Wohnraum schaffen, indem man künftig höher baut oder Bestandsgebäude aufstockt. Streibl fragt sich: "Brauchen wir überhaupt noch so viele Büroräume?" - und regt an, nicht genutzte Flächen unterzuvermieten.
Hoechner erklärt, das Bauen gehöre in die öffentliche Hand, damit sozialer Wohnraum entsteht. Holz plädiert ebenfalls für kommunale Förderungen, die das Angebot an preisgünstigem Wohnraum erhöhen, und möchte zudem Einheimischenmodelle stärken. Damit hat er etwas mit Streibl gemeinsam. Dagegen hält Sachs es für die falsche Lösung, wenn der Staat eingreift: "Was wir ändern können, sind die Verordnungen." Wenn der Boden günstiger wäre, würden auch mehr Leute bauen.
"Wenn wir eine Energiewende wollen, dann wird man sie auch sehen und hören"
Moderatorin Veronika Ahn-Tauchnitz will von den Kandidaten wissen, wie sie die Bürgerinnen und Bürger beim Umstieg auf erneuerbare Energie mitnehmen wollen. "Das Wichtigste ist, dass wir es einfach machen", betont Hoechner. Energie müsse verlässlich, kostengünstig und nachhaltig sein - und die Politiker müssten dieses Versprechen ehrlich vermitteln. "Wir müssen den Menschen erklären, warum vor ihrer Haustür plötzlich ein Windrad steht."
Wie Hoechner halten es auch Koch und Streibl für eine gute Idee, die Energieversorgung zu verstaatlichen. Die Menschen müssten sich an der Energiewende beteiligen können, fordert Koch: "Das ist meist der größte Motor." Holz, bisher Bürgermeister von Kochel am See, wo der Betrieb liegt, würde die Übernahme der Uniper-Wasserkraftwerke durch den Freistaat befürworten. Er äußert jedoch Bedenken, wie dies in der Praxis funktionieren kann. Sachs erklärt, staatliche Akteure seien nicht immer die besten Betreiber. Es dauere meist viele Jahre, bis der Kaufpreis zurückgeflossen sei und die Bürgerinnen und Bürger davon profitierten.
Die Kandidaten von CSU, FW und FDP plädieren dafür, sich vor keiner Technologie zu verschließen. "Alles, was Energie produzieren kann, müssen wir auch einsetzen", meint Streibl - und trotzdem werde man noch Energie dazukaufen müssen, um den hohen Bedarf zu decken. Für Sachs gibt es dennoch eine Einschränkung: Er ist dagegen, in Bayern Windkraft zu forcieren, und würde sich lieber auf andere Optionen fokussieren.
Einig sind sich die Kandidaten darüber, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien das wichtigste Instrument für den Klimaschutz sei. Jedoch müssten sich die Bürgerinnen und Bürger auf Veränderungen einstellen: "Wenn wir eine Energiewende wollen, dann wird man sie auch sehen und hören", betont Streibl. Dies sei der Preis, den man für den Klimaschutz zahlen müsse. Holz findet, Deutschland müsse in der Energiewende schneller werden, aber mit der Brechstange - wie seines Erachtens bei der Bundesregierung - gehe es nicht.
Der ÖPNV muss verlässlich und günstig sein
Dass sich auch beim Verkehr etwas ändern muss, stellt keiner infrage. Um den ÖPNV attraktiver zu machen, müsse dieser den Menschen ein gutes Angebot liefern - durch günstige Preise, bessere Strecken und regelmäßige Taktungen. "Die Verkehrswende werden wir nur schaffen, wenn wir ein Mosaik an Möglichkeiten bieten", erklärt Koch. Er möchte gleichzeitig den Zweit- und Drittautos den Kampf ansagen.
Mit dieser Aussage stößt er bei den übrigen Kandidaten auf erheblichen Widerspruch. "Ein Auto werden wir brauchen", betont Hoechner, "so ehrlich müssen wir sein." Wann entschieden sich Menschen, auf den ÖPNV umzuschwenken? Wenn dieser eine gute Alternative zum Auto sei, betont Sachs, weil die Verbindungen verlässlich seien und man pünktlich zu seinen Terminen komme.
Anstatt neuer Investitionen wollen die Kandidaten von FW und FDP lieber das Beste aus den bestehenden Strecken herausholen. Streibl warnt: "Wir sind ein dicht besiedeltes Gebiet, wo man neue Strecken nur schlecht erschließen kann." Insofern hält Holz den bereits beschlossenen Beitritt des gesamten Landkreises zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) für eine gute Sache. Hoechner wünscht sich jedoch intelligente Lösungen, damit Busse nicht komplett leer fahren. Mit Blick auf die geplante und seit Jahrzehnten nicht realisierte Verlängerung der S7 nach Geretsried fordert er strengere Kontrollen, damit Bauvorhaben auch rechtzeitig umgesetzt werden.
Wer an diesem Abend den besten Eindruck auf die Zuschauer machte? Eine kurze Umfrage im Publikum ergibt: Die große Mehrheit wusste schon davor, wen sie am 8. Oktober wählen möchte.