Landkreis:Kreisräte protestieren gegen zentrale Unterbringung von Flüchtlingen

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Die Regierung will Asylbewerber nur noch in Gemeinschaftsunterkünfte einquartieren. Die Grünen sprechen von "humanitärem Rückschritt" - und stehen damit nicht allein.

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Für die Pläne der Regierung von Oberbayern, Flüchtlinge nur noch in zentralen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, hat Kreisrätin Barbara Schwendner (Grüne) bloß einen Kommentar übrig: "Das ist ein humanitärer Rückschritt", sagte sie in der Kreistagssitzung. Sie bat die zuständige Abteilungsleiterin Helga Happ, die Bedenken der Kommunalpolitiker nach München weiterzugeben. "Ich protestiere aufs Schärfste und bin entsetzt über den Weg", erklärte sie. Das sei auch keine Art, mit den Helferkreisen und den Kommunen umzugehen, die große Anstrengungen unternommen hätten. Mit dieser Meinung stand sie nicht allein im Gremium. Landrat Josef Niedermaier (FW) machte den Kritikern aber keine Hoffnung: "Wir müssen das jetzt umsetzen. Da sind uns die Hände gebunden."

Der Landrat informierte den Kreistag über die aktuellen Pläne des Freistaats bei der Unterbringung von Asylsuchenden, wie er es im Kreisausschuss vergangene Woche bereits getan hatte: Die Regierung von Oberbayern hat Neuanmietungen gestoppt. Zwar werden derzeit keine Objekte gekündigt, aber befristete Verträge für Unterbringungen nicht mehr verlängert. Gemeinschaftsunterkünfte sollen als Unterbringung für anerkannte Flüchtlinge genutzt werden. Allerdings sollen teure Liegenschaften geschlossen werden, wie auch solche, die von ihrer Ausstattung her schlecht geeignet seien. Ersteres hatte auch Wirtschaftsminister Markus Söder (CSU) bei der Bezirksversammlung des Bayerischen Gemeindetags betont: Der Freistaat wolle diese Art von "Geschäftemacherei" unterbinden. Es sei der Bevölkerung nicht zu vermitteln, dass Vermieter von Asylunterkünften einen Reibach mit Steuermitteln machten.

Bei jenen Unterkünften, die noch nicht gebaut sind, werde die Regierung von Oberbayern bewerten, ob sie gebraucht würden, sagte Niedermaier. Sollte das Urteil negativ ausfallen, würden solche Vorhaben "abgewickelt". Es werde also keine neuen Baumaßnahmen geben, was begründet sei, gebe es derzeit doch keine Zuweisung von Flüchtlingen. Auch könne er die Kreisräte beruhigen, dass - anders als beschlossen - weiteres Personal im Landratsamt nur nach dem tatsächlichen Bedarf eingestellt werde. "Da hinken wir eh hinterher."

Derzeit leben 1858 Flüchtlinge im Landkreis in 187 Liegenschaften. Bislang hatte man im Landratsamt neben wenigen Gemeinschaftsunterkünften auf eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen gesetzt. Happ versicherte, dass keine dieser Wohnungen gekündigt werde. "Wir pferchen die Leute nicht irgendwo zusammen", sagte sie. Aber Provisorien wie Turnhallen und ähnliches würden geleert.

Matthias Richter-Turtur (FUW) wies darauf hin, dass diese Umsiedlung für die Asylbewerber eine große Umstellung bedeute. Nur durch die dezentrale Unterbringung habe eine gute Integration gewährleistet werden können. Das sei mit der Entscheidung in München zunichte gemacht. Aber nicht nur wegen der Integration machen sich einige Kreisräte Sorgen. Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner (FW) fragte nach, ob sich die Regierung von Oberbayern schon zu den geplanten Unterkünften in Wolfratshausen geäußert hätte. Die Stadt hat keine Verträge und könnte auf den Planungskosten im sechsstelligen Bereich für fünf Unterkünfte sitzenbleiben. Es gebe gar keine Rückmeldung, erwiderte Happ. Ihre Sorge sei, dass das auch noch dauern werde. Die Regierung von Oberbayern müsse derzeit allein 200 Liegenschaften prüfen.

Fertig gebaut und belegt werden die beiden Gemeinschaftsunterkünfte an den Schulzentren Bad Tölz und Geretsried. Auch die Stadt Bad Tölz kann ihr Haus auf der Flinthöhe fertigstellen - sie hat Verträge. CSU-Kreisrat Werner Weindl, Bürgermeister der Gemeinde Lenggries, bat darum, die geplante Unterkunft an der Flussmeisterstelle in Lenggries doch zu genehmigen. "Damit man was in der Schublade hat, wenn wieder mehr Flüchtlinge kommen", sagte er.

Landrat Niedermaier treibt eine ganz andere Sorge um. Sollten wieder mehr Asylbewerber im Landkreis aufschlagen, glaube er nicht mehr, dass das Entgegenkommen der Bürger noch so groß sein werde. "Es wird dann bestimmt nicht mehr so leicht sein, Wohnungen für sie zu bekommen."

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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