Fußball im Landkreis:Kunstplatz oder Naturrasen

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2007 war der Kunstrasenplatz im Isar-Loisachstadion in Wolfratshausen nagelneu. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Spielfelder aus synthetischen Materialien sind intensiver nutzbar, und das auch noch ganzjährig. Immer mehr Fußballvereine setzen darauf, zum Beispiel in Eurasburg und Münsing. Für Umweltschützer sind diese Sportanlagen allerdings problematisch.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Kunstrasenplätze stehen aus Umweltschutzgründen in der Kritik - und trotzdem werden sie immer häufiger angelegt. Für die Region von Gaißach über Penzberg bis Schäftlarn listet der Bayerische Fußballverband (BFV) solche Sportanlagen für zwölf Vereine auf, Stand Anfang August 2021. Und neue sind derzeit in zwei Kommunen des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen im Gespräch. In Münsing ist die Beschlusslage noch vage. Im September 2020 hatte der Gemeinderat entschieden, entweder das kleinere Fußballfeld durch einen Kunstrasenplatz zu ersetzen oder das größere Spielfeld mit dem gleichen Material zu sanieren - dies allerdings unter dem Vorbehalt, dass es dafür staatliche Fördermittel gibt. Eurasburg ist da schon wesentlich weiter. Dort wartet man im Prinzip nur noch auf den Bauantrag des örtlichen Sportvereins.

Beide Gemeinden verbindet, dass der neue Kunstrasenplatz ökologisch und gesundheitlich unbedenklich sein soll. Laut Studien ist vor allem das verwendete Kunststoffgranulat problematisch, das der Vergangenheit oftmals aus dem Gummi von Altreifen gewonnen wurde. Mikroplastikpartikel in der Größenordnung von mehreren Tonnen pro Jahr können sich lösen und so die Natur belasten. Vollkommen unumstritten sind aber auch Naturmaterialien wie Kork als Granulatersatz anstelle von Kunststoff nicht.

"Die Probleme sind da"

"Die Probleme sind da", räumt der stellvertretende Vorsitzende des SV Eurasburg-Beuerberg, Gerhard Jung, ein. Der Verein wolle deshalb auf eine Variante ganz ohne Granulat setzen. Die endgültige Entscheidung stehe aber noch aus. Als natürliche Granulat-Alternative habe Kork den Nachteil, zu modern und dann leicht in die Umgebung geschwemmt zu werden. In Eurasburg hätten die Fußballer jedoch den großen Wunsch, auf Kunstrasen zu trainieren und zu spielen. Dies gehöre zum modernen Selbstverständnis eines Vereins - und habe seine Vorteile. Der Untergrund sei deutlich länger im Jahr bespielbar als ein Naturrasen, wodurch sich die Saison deutlich verlängere, sagt Jung. In der Turnhalle würden Kapazitäten frei, weil die Fußballer draußen trainieren könnten.

Die Pläne des Eurasburgers Sportvereins, seine Aktivitäten auf dem Gelände im Hauptort zu konzentrieren, existieren schon lange. Momentan nutzen die Fußballer noch Rasenplätze in Eurasburg sowie im fünf Kilometer entfernten Beuerberg. Als ein Meilensteinprojekt hat die Kommune den neuen Kunstrasenplatz für die laufende Ratsperiode definiert und dafür den Bebauungsplan geändert. Der Gemeinderat hat den endgültigen Satzungsbeschluss im Januar gefasst. Das muss jetzt noch das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen prüfen, ehe der Sportverein den Bauantrag stellen kann. Die Kosten werden nach bisheriger Berechnung rund eine Million Euro betragen, der kommunale Anteil läge bei 620 000 Euro.

Für den SV Eurasburg-Beuerberg war frühzeitig klar, dass sich diese Investition rechnen würde. So stellt es jedenfalls der stellvertretende Vorsitzende Jung dar. Ausschlaggebend mag dafür die mögliche Nutzungsintensität sein. Die macht zwischen einem auf künstlichem und einem auf natürlichem Material angelegten Platz einen großen Unterschied. Denn Kunstrasen ist laut Vergleichsuntersuchungen im Jahr etwa zwei- bis zweieinhalb Mal so oft bespielbar wie sein Naturpendant.

Das ist soweit unumstritten. Aus ökologischer Sicht hält Janine Korduan vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) solche Plätze jedoch für unvertretbar. Als einzige Ausnahme kann sich die Referentin für Kreislaufwirtschaft noch Kunstrasenfelder in Großstädten vorstellen, eben weil die Plätze dort viel häufiger übers Jahr genutzt werden können. Ganz einfach deshalb, weil es in dicht bebauten Gebieten eine Konkurrenz um eng begrenzten Raum gibt. "Jeder Quadratmeter wird dort heiß umkämpft", sagt Korduan. Dagegen ist es für sie "unfassbar", Kunstrasenfelder in so kleinen Kommunen wie Eurasburg oder Münsings - beide haben nur um die 4300 Einwohner - anzulegen. Dort müsse es doch genug Raum geben, um alternativ beispielsweise zwei Naturrasenplätze anzulegen, findet sie.

Im Wesentlichen ist ein Kunstrasenspielfeld wie folgt aufgebaut: Über dem Untergrund, etwa aus Schotter, folgt eine Dämpfungsschicht. Darauf liegt der Kunstrasenteppich mit den Fasern. Der Raum dazwischen ist mit Granulat aufgefüllt. Vor allem das zu den Anfangszeiten des Kunstrasenbaus vielfach zwischen den Kunstfasern verwendete Gummi-Granulat auf Altreifenbasis gilt als problematisch. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) wies in einer Studie in Gummigranulat potenziell umweltschädliche Substanzen wie Cadmium, Kupfer, Blei, Bisphenol A oder polyzyklische, aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nach. Vor drei Jahren hat das Bundesland Baden-Württemberg beschlossen, keine neuen Sportplätze mit Kunststoffgranulat aus Landesmitteln mehr zu fördern.

"Eine gute Geschichte" ist der Kunstrasenplatz in Wolfratshausen für den BCF-Vorsitzenden Manfred Fleischer. (Foto: Hartmut Pöstges)

Aber auch wenn auf gummilose Granulat-Alternativen gesetzt wird, können laut Korduan doch Faserverluste dazu führen, dass Mikroplastik in die Natur gelangt. Sie spricht von 50 Kilogramm bis zu mehr als einer Tonne pro Jahr. Zudem stelle sich die Frage, wie sinnvoll es sei, wertvolle Naturstoffe wie Kork oder weltweit knappen Sand als Granulatfüllung zu verwenden, meint sie. Zudem spricht die BUND-Referentin von hohen Entsorgungskosten der Spielfelder mit einer Lebensdauer von etwa zwölf Jahren.

Trotz allem will Korduan keineswegs als Miesmacherin gelten. "Sport ist ein hohes Gut, gerade für Kinder", betont sie. Nur sollten Kommunen ihrer Ansicht erst alle Möglichkeiten für natürliche Spielfelder prüfen, bevor sie auf Kunstrasen setzen. In Wolfratshausen nutzen die Vereine BCF und TSV schon seit mehr als zehn Jahren gemeinsam einen Kunstrasenplatz. "Das ist eine gute Geschichte", sagt der BCF-Vorsitzende Manfred Fleischer. Nur mit Rasen könne ab Oktober niemand mehr im Freien spielen. Der Platz bedeute weniger Pflegeaufwand, das Granulat sei altreifenfrei. Vor allem in der Pandemie habe es sich als vorteilhaft erwiesen, das Spielfeld ganzjährig im Freien nutzen zu können. "Alle trainieren viel lieber draußen als in der Halle", sagt er.

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