Folgen des schweren Unwetters:Junge Leute bauen auf

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Gute Laune in einem Feld der Verwüstung: Jule (links) und Loni sammeln kaputte Ziegel. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Kloster Benediktbeuern steht nach dem Hagel-Sturm vor einem Scherbenhaufen - und vor einem Neubeginn. Mittendrin: 25 Volunteers, die Zuversicht verbreiten.

Von Stephanie Schwaderer, Benediktbeuern

Ach, die Jugend von heute! Wer über sie schimpfen wolle, der solle doch bitte bei ihm vorbeikommen, sagt Benedikt Hartmann, "und ein paar Tage mitarbeiten". Der Leiter des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) steht im Innenhof des vom Unwetter bös mitgenommenen Maierhofs im Kloster Benediktbeuern. Eigentlich wollte er eben eine Schadensbilanz für Vertreter des Bezirks Oberbayern und die Presse ziehen. Die Lage ist ernst, die Gesichter sind es auch.

Aber nun kommt doch gerade dieser lustige kleine Bulldog mit Anhänger angetuckert. Er hält vor der ramponierten Fassade des Südtrakts und entlädt seine Fracht: Fünf junge Leute in blauen Shirts und kurzen blauen Hosen springen von der Ladefläche. Sie lachen, haben offensichtlich Spaß an ihrer Aufgabe. Immer noch. Auch eineinhalb Wochen nach dem verheerenden Unwetter sammeln sie munter Ziegel ein, kehren Scherben auf, schleppen kaputte Sofas von A nach B. Und strahlen Zuversicht aus.

ZUK-Leiter Benedikt Hartmann im Gespräch mit Bezirksheimatpflegerin Astrid Pellengahr, Bezirkstagspräsident Josef Mederer und Alexander Wandinger vom Trachteninformationszentrum (von links). Im Hintergrund: Tatkräftige Volunteers bei der Arbeit. (Foto: Manfred Neubauer)

"Was die wegarbeiten Tag und Nacht, ist unglaublich", sagt Hartmann. Dabei hätten sie alles andere als einen guten Start in ihren Freiwilligendienst gehabt. Die meisten seien erst ein paar Tage vor dem Unwetter am 26. August angereist, hätten gerade ihre WG-Zimmer bezogen. Und dann der Schock: Ein Sturm mit Hagelkörnern so groß wie Tennisbällen. Verstörte Gäste. Wassermassen, die durch die zerschlagenen Dächer dringen. Berge von kaputten Ziegeln. Scherbenfelder. "Die haben keinen Moment gezögert und sofort mit angepackt", sagt Hartmann.

Aber nicht nur die Neuen seien sofort zur Stelle gewesen, ergänzt Pater Heinz Wenz. Er steht ebenfalls in der Runde und lächelt nun zum Bulldog-Team hinüber. Einige der scheidenden Volunteers hätten ihren Aufenthalt spontan verlängert, weil sie das Kloster in dieser Situation nicht im Stich lassen wollten. Von den jungen Leuten gehe gerade ein starkes Signal aus: "Wir sind da."

Gut eingespieltes Team: Freiwillige holen noch immer Dachziegel aus den Kelleraufgängen. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Motto, das sich die Salesianer Don Boscos im Kloster Benediktbeuern gegeben haben, lautet: "Jugend, Schöpfung, Bildung - heute für morgen". In diesen Tagen bekommt es eine neue Bedeutung. 22 Volunteers aus ganz Deutschland sind bei den Aufräumarbeiten im Einsatz, acht sind dem ZUK zugeteilt, 14 dem Kloster, der Jugendbildungsstätte und der Jugendherberge. Sechs weitere aus europäischen Nachbarländern werden in Kürze dazustoßen. "Sie bauen einen Ort mit auf, an dem sie ein Jahr bleiben werden", sagt Hartmann.

Eine halbe Stunde später sitzen fünf junge Leute an einem Tisch der Jugendherberge. Sie kommen aus Stuttgart, Weißenhorn, Donauwörth, Würzburg und Radeburg und sind zwischen 17 und 19 Jahre alt. Für den Freiwilligendienst haben sie sich entschieden, weil sie nach dem Abi mal eine Weile praktisch arbeiten wollten, erzählen sie - mit Jugendlichen, im Naturschutz oder in der Denkmalpflege. "Man lernt sich da ja auch selbst besser kennen", sagt Nina.

"Uns sind die Fensterscheiben entgegengekommen"

Loni saß in ihrem Zimmer im Maierhof, als der Sturm losbrach. "Uns sind die Fensterscheiben entgegengekommen", erzählt sie. "Da war keine Zeit, darüber nachzudenken, was jetzt eigentlich passiert. Wir haben uns um die Gäste gekümmert und aufgepasst, dass sich keiner an den Scherben verletzt. Und dann haben wir Eimer aufgestellt, um den Wasserschaden einzugrenzen."

In der ersten Nacht hätten die meisten nur drei, vier Stunden geschlafen, bestätigt Björn Koalick, Leiter der Jugendherberge. "Alle haben gefragt: Was können wir tun?" Die Situation sei einerseits schlimm gewesen, zugleich habe es diesen großen Zusammenhalt gegeben. "Das war emotional krass." Erst am Montag, also eineinhalb Tage nach dem Sturm, hätten alle allmählich realisiert, was geschehen war. "Nun geht es darum, wieder eine Perspektive zu finden", sagt Koalick. "Wir versuchen, so schnell wie möglich wieder junge Menschen aufs Gelände zu bekommen. Und dazu tragen alle ihren Teil bei."

Johannes, Nina, Loni und Jule (von links) tragen Sicherungspfähle über das Klostergelände. Alle Eingänge sind derzeit abgeriegelt. (Foto: Manfred Neubauer)

Nachdem die WG-Zimmer im Westtrakt des Klosters zerstört wurden, sind die Freiwilligen in Gästezimmer der Jugendherberge gezogen. Loni ist vor allem froh, dass die ehemalige Zivi-Küche im ZUK überlebt hat. "Das ist der Ort, an dem wir uns am meisten aufhalten." Ansonsten gibt es wieder eine feste Tagesstruktur und Wochenpläne mit Aufgaben und Einführungskursen. Johannes bereitet sich gerade aufs Klettern vor. "Wir müssen die Kinder und Jugendlichen dann ja auch richtig sichern."

"Wenn man das dann so zerstört sieht, dann will man das auch wieder aufbauen."

Was haben sie in den vergangenen Tagen gelernt, woran sie nie zuvor gedacht hätten? "Fensterabkleben", sagt Rosa wie aus der Pistole geschossen. "Das können wir jetzt im Schlaf." Allgemeine Zustimmung in der Runde. "Traktorfahren", sagt Jule. Große Begeisterung.

Auch andere Disziplinen werden wohl nie in einem Wochenplan auftauchen. Durch- und Zusammenhalten etwa. In Benediktbeuern werden sie derzeit einfach gelebt. "Wir werden schon noch ein paar Tage Ziegel wegräumen", sagt Loni. "Aber im ZUK sind wir zu acht. Und da kriegt man einiges geschafft. Das motiviert." Das Kloster sei ihnen schon jetzt ans Herz gewachsen, ergänzt Jule. "Wenn man das dann so zerstört sieht, dann will man das auch wieder aufbauen." Ja, die Jugend.

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