Nachhaltigkeit im Krankenhaus:Kinder heilen, Klima schützen

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Die Photovoltaik-Module auf dem Dach der Klinik gehören zu einem ausgeklügelten Klimaschutz-Konzept. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Gesundheitssystem gilt als einer der größten Emittenten von Treibhausgasen. Die Fachklinik Gaißach arbeitet daher schon länger daran, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Nicht nur das Personal, auch Patienten werden zum Umdenken angeregt.

Von Sophia Coper, Gaißach

Die Fensterfront der Fachklinik Gaißach ist groß und breit, das Licht flutet regelrecht durch die Eingangshalle. An manchen Scheiben hängen Kindermalereien, die Bergmotive sind wie abgepaust von dem Panorama in der Ferne. "Arbeiten, wo andere Urlaub machen", fasst Stefanie Haberger den Blick nach draußen zusammen, der auch im Winter schön ist. An wärmeren tagen sieht man dort neben Hochbeeten und schattigen Baumgruppen über Hausaufgaben gebeugte Kindergruppen sitzen, das eigentliche Programm geschieht jedoch um den Unterricht herum. Mit Behandlungsschwerpunkten auf Asthma, Neurodermitis und Adipositas ist die Fachklinik Gaißach spezialisiert auf Reha-Maßnahmen für chronisch erkrankte Kinder und Jugendliche. Haberger selbst arbeitet als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Allergologin im Haus.

Um den Aufgabenbereich des Rehabilitationszentrums soll es jedoch nur am Rande gehen, nicht durch Zufall hat Haberger schon auf die Hochbeete mit selbst angebautem Gemüse hingewiesen. "Gesundheits- und Klimaschutz sind eng miteinander verknüpft", sagt sie, "daher versuchen wir Nachhaltigkeit in der Klinik allumfassend anzugehen."

Überzeugt bei der Sache: Fachärztin Stefanie Haberger und Oberarzt Stephan Ingrisch sensibilisieren auch die Gäste zum Thema Klimaschutz. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Hitzige Debatten über Klimakleber oder Wärmepumpen lassen manchmal Aspekte in Vergessenheit geraten, die im Rahmen der Erderwärmung genauso von Bedeutung sind. Laut Bundesärztekammer ist der Gesundheitssektor für 4,4 Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich — betrachtet als Nation, würde er im weltweiten Ranking den fünften Platz belegen. Grund für den hohen Anteil sind vor allem die weit verzahnten Lieferketten für Medikamente, doch auch Narkosegase oder die Energieversorgung der Einrichtungen tragen zur Bilanz bei.

In der Fachklinik Gaißach ist man sich dieser Problematik bewusst. Als Teil des internationalen Netzwerkes gesunder Krankenhäuser ("Global Green and Healthy Hospitals") hat die Einrichtung schon Nachhaltigkeitspreise gewonnen, am gewünschten Ziel ist man jedoch noch lange nicht angelangt.

"Wir befinden uns in einem stetigen Prozess", erklärt Haberger. Eine interne Zero-Emission-Arbeitsgruppe treffe sich in regelmäßigen Abständen zum Austausch. "Jede Abteilung der Klinik ist dabei", schildert die Ärztin die Zusammensetzung. Mitarbeitende aus Technik, Verwaltung und Küche seien genauso vertreten wie die Geschäftsführung und das medizinische Personal. Infolgedessen gehe es nicht nur um Photovoltaikanlagen und die erfolgreiche Sanierung des Schwimmbades, sondern auch um Themen wie Ernährung, Mobilität, Abfall und Medikamente — stets mit dem Anspruch, das Wissen mit den Patienten und Patientinnen in den Sprechstunden, Visiten oder eigens angebotenen Schulungen zu teilen.

Traumkulisse: Die Fachklinik Gaißach liegt in einer Voralpenlandschaft, die den Wert des Umweltschutzes unterstreicht. (Foto: Manfred Neubauer)

"Im Bereich Mobilität kümmern wir uns zum einen gerade um weitere E-Ladesäulen, zum anderen wird während des Aufenthalts gezielt ein aktiver Lebensstil gefördert", erklärt Haberger. "Die Kinder und Jugendliche erfahren: Wenn sie mit dem Rad zur Schule fahren, tun sie etwas für ihre Gesundheit und fürs Klima." Bei der Verpflegung sehe es ähnlich aus. "Wir achten darauf, Lebensmittelabfälle zu reduzieren und legen Wert auf ein ausgewogenes Angebot", sagt Haberger. Niemand werde zu einem bestimmten Ernährungsstil gedrängt, doch Veggie-Days und gemeinsames Kochen sollen junge Leute und deren Eltern stärker mit pflanzenbasierter Kost in Berührung bringen. "Weniger Fleisch und Milchprodukte auf dem Teller bedeutet gesundheitliche Vorteile und spart CO₂, Methan und Wasser ein", sagt sie.

Weiteres Augenmerk liege auf einer ressourcensparenden Handhabung von Medikamenten und medizinischem Material. Um den Überblick bei den Verfallsdaten zu behalten, sei das meiste zentralisiert, zudem werde restriktiver bestellt. "Wir haben bereits Produkte gewechselt, deren Rückstände nachweislich schädlich für die Umwelt sind, die zu viel Müll produzieren oder zu lange Transportwege bedeuten", erzählt Habeger. Auch bei Asthma-Sprays gebe es die Möglichkeit, Pulver anstelle von Treibgas zu verwenden — "die Umstellung empfehle ich so oft wie möglich, aber natürlich nur, wenn es technisch für den Patienten umsetzbar und somit medizinisch sinnvoll ist", betont die Allergologin.

Nachhaltigkeit zum Essen: In den Hochbeeten der Klinik wachsen im Sommer Zucchini. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Stefanie Haberger wird enthusiastisch, wenn es über ihre Arbeit geht. Neben ihrer Tätigkeit in der Fachklinik ist sie ehrenamtlich noch in mehreren überregionalen Ausschüssen aktiv, die alle in unterschiedlicher Hinsicht mit Nachhaltigkeit und Gesundheit zu tun haben. Erst kürzlich war sie als Vertreterin für die Belange Kinder und Jugendlicher bei der Hitzeschutzkonferenz des Bundesgesundheitsministeriums, für die Fachklinik hat sie den Hitzeschutzplan mit entworfen. "Es muss einem schon wichtig sein", beschreibt sie ihr Engagement.

In Gaißach ist sie damit nicht allein. Innerhalb des Betriebs werde zwar viel, aber stets konstruktiv diskutiert — egal ob mit dem Personal oder den Jugendlichen sowie deren Eltern. "Klimaschutz ist selten bequem", räumt Haberger ein. "Aber er bedeutet immer gleichzeitig Gesundheits- und Kinderschutz." Sie hoffe, die Patienten während des Aufenthalts zum Nachdenken anzuregen — und sie so im Alltag zu einer nachhaltigen Lebensweise zu motivieren.

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