Kindertagesstätten im Landkreis:Wenn der Rechtsanspruch auf Personalmangel trifft

Lesezeit: 6 min

Im Kreis mit einer Erzieherin: Pädagogisches Personal wird überall gesucht. (Foto: imageBroker/Jan Tepass via www.imago-images.de/imago images/imagebroker)

Kommunen und andere Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen stehen vor enormen Herausforderungen. Nicht überall kann der Bedarf gedeckt werden - denn es fehlen Fachkräfte. Ein Überblick.

Von Lorenz Szimhardt; Von Felicitas Amler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Alle Kinder ab dem Alter von einem Jahr haben bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz - so zumindest die Theorie. Die Praxis sieht nämlich oft anders aus: Wartelisten, überbelegte Kindergärten und Krippen sowie ein eklatanter Mangel an Personal. Vom Jahr 2026 an besteht zudem für jedes Grundschulkind ein rechtlicher Anspruch auf einen Platz in einer Ganztagsbetreuung. Die Bundesregierung will damit eine Betreuungslücke schließen, die für viele Familien entsteht, sobald die Kinder eingeschult werden - für viele Kommunen und andere Träger eine enorme Herausforderung. Wo im Landkreis genug Betreuungsplätze vorhanden sind und wo Personal fehlt - ein Überblick.

Bad Tölz

Die Kurstadt hat insgesamt elf Einrichtungen. Unter deren Dächern verbergen sich vier Kinderkrippen, neun Kindergärten, ein Kinderhort sowie zwei Mittagsbetreuungen. Theoretisch stünden in diesen Einrichtungen alles in allem also 938 Plätze zur Verfügung, so Franziska Gschwandtner aus der Presseabteilung des Rathauses. "In der Praxis jedoch benötigt beispielsweise ein Integrationskind vier Plätze." Für das anstehende Betreuungsjahr seien dennoch alle fristgerecht beantragten Plätze bewilligt worden. Der Betreuungsschlüssel liege derzeit bei 1:9, das heißt durchschnittlich betreut eine Erzieherin oder ein Erzieher neun Kinder.

Damit seien alle Tölzer Einrichtungen in ihrer Kapazität ausgelastet, erklärt Gschwandtner. Schon jetzt zeichne sich jedoch der Bedarf einer weiteren Betreuungseinrichtung ab. Aus diesem Grund werde bis Herbst die Bedarfsplanung überarbeitet, auch einen geeigneten Standort suche die Stadt bereits. Für die Erfüllung des ab 2026 bestehenden Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern wolle Bad Tölz "zeitnah" einen Plan erstellen. Solche gesetzlichen Änderungen und der steigende Anteil an Kindern mit erhöhtem Förderbedarf werden den Personalbedarf weiter erhöhen, so Gschwandtner. "Die Herausforderungen werden immer größer."

Geretsried

Die Stadt Geretsried betreibt die Kindertagesstätten nicht in eigener Regie, sondern vergibt sie an diverse Träger. "Wir haben immer eine Warteliste", sagt Rathaussprecher Thomas Loibl, betont aber, dass diese "sehr dynamisch" sei und daher immer nur eine Momentaufnahme zeige. Diese sah jüngst so aus: Für 59 Kinder fehlte ein Krippenplatz, für 68 ein Platz im Kindergarten und für 86 eine Nachmittagsbetreuung. Allerdings brauchten nicht alle Eltern die Plätze bereits in diesem Jahr, etliche hätten ihre Kinder schon für 2024 angemeldet. "Das entspannt die Liste." Die Nachfrage sei bei Krippe und Kindergarten in etwa genauso groß wie im Vorjahr, der bedarf an Nachmittagsbetreuung aber "enorm gestiegen".

Geretsried verfügt laut Loibl derzeit über 208 Krippenplätze, 1019 Kindergarten- und 191 Hortplätze. Weitere Einrichtungen sind in Planung. So wird an der Johann-Sebastian-Bach-Straße eine Einrichtung mit vier Krippengruppen mit je zwölf Plätzen und sechs Kindergartengruppen mit je 25 Plätzen geschaffen; Eröffnung soll 2025 sein. Bis dieses Haus betriebsbereit ist, wird eine Übergangslösung an der Tattenkofener Straße auf dem Gelände der früheren Kita "Blechkiste" eingerichtet. Das Grundstück gehört der Stadt. Dort entstehen 50 Plätze bieten, und zwar in zwei Krippengruppen und einer Kindergartengruppe.

Auf dem Papier gibt es auch im neuen Wohnquartier an der Banater Straße, das die Krämmelgruppe errichtet, ein "Haus für Kinder". Loibl nennt als Eckdaten einen Hort mit 25 Plätzen, vier Kindergartengruppen mit insgesamt 100 und drei Krippengruppen mit 36 Plätzen. Die Einrichtung gehöre zum bereits laufenden ersten Bauabschnitt des 770-Wohnungen-Projekts. Eine neue Krippe mit zwölf Plätzen entstehe im Kinderhaus "Bärenbande" der Arbeiterwohlfahrt am Robert-Schumann-Weg. Außerdem werde die Mittagsbetreuung an der Karl-Lederer-Grundschule erweitert.

Loibl erklärt, die Thematik Kinderbetreuung umfasse "so viel, was nicht von der Stadt steuerbar ist". Dazu gehört in Geretsried wie derzeit überall ein gravierender Mangel an Personal. Der Rathaussprecher betont aber: "Wir geben uns Mühe."

Egling

In Egling gibt es insgesamt fünf Kinderbetreuungseinrichtungen: Vier Kindergärten und eine Kindertagesstätte mit Kinderkrippe und Kindergarten. Zusammen macht das 200 Kindergarten- und 48 Krippenplätze. Damit könne man momentan den Bedarf an Kinderbetreuung decken, teilt die Gemeinde Egling mit. Dennoch könnten sie "nicht immer garantieren, dass Kinder auch einen Platz in der Wunscheinrichtung der Eltern erhalten". Obwohl Egling derzeit alle Kinder unterbringen kann, wird der Kindergarten in Deining erweitert. Nach dessen Fertigstellung, vermutlich gegen Ende des Jahres, kann die Gemeinde hier 50 weitere Plätze für Kinder ab dem dritten Lebensjahr anbieten. Zudem werde derzeit die Sanierung und Erweiterung der Grundschule geplant, um ab 2026 ein offenes Ganztagsangebot zu ermöglichen, so die Gemeinde.

Im Moment könne man mit dem vorhandenen Personal die Einrichtungen stemmen, aber "das Aushelfen untereinander bleibt hier leider nicht aus". Mit Blick auf die Zukunft geht Egling davon aus, dass der Fachkräftemangel sie noch weiter begleiten werde. Deshalb werde man wohl auch weiterhin von Kürzungen der Öffnungszeiten betroffen sein. "Es kann natürlich passieren, dass Betreuungsplätze wegfallen, wenn wir nicht ausreichend Personal zur Verfügung haben", fügt die Gemeinde hinzu. Um für Erzieherinnen und Erzieher attraktiv zu sein, bieten die Eglinger eine betriebliche Krankenversicherung, die Großraumzulage sowie ein Fahrrad-Leasing.

Icking

Icking hat zwei reguläre Kindergärten, einen Waldkindergarten, einen Waldorf-Kindergarten und eine Großtagespflegeeinrichtung, die sowohl Krippen- als auch Kindergartenplätze bietet. Alles in allem macht das 226 Kinderbetreuungsplätze. Beispielsweise aufgrund von Integrationskindern, die mehrere Plätze beanspruchen, sei die Anzahl der Plätze allerdings "nicht immer in gleicher Anzahl vergeben", sagt Verena Reithmann, Bürgermeisterin von Icking. Dennoch könne man alle Kindergartenkinder unterbringen. Aufgrund von fehlendem Personal würden jedoch noch etwa ein bis zwei Kinder auf einen Krippenplatz warten. "Plätze nach Betriebserlaubnis stünden ausreichend zur Verfügung", erklärt die Bürgermeisterin die Situation.

Trotz des Personalmangels liegt der Anstellungsschlüssel in Icking je nach Einrichtung zwischen 9,5 und 10,8. Einen Hort oder eine Mittagsbetreuung betreibe die Gemeinde nicht mehr, da seit 2020 die Grundschule als Offene Ganztagsschule geführt werde, so Reithmann. Mit diesem Angebot, dass von 65 bis 75 Prozent der Grundschüler wahrgenommen wird, erfüllt Icking bereits den im Jahr 2026 in Kraft tretenden Rechtsanspruch.

Die Personalprobleme, die auch die Gemeinde Icking betreffen, schaffe die Bundes- und Landespolitik, erklärt Reithmann. "Mit der seit Jahren stetigen Erweiterung des Betreuungsangebotes und Rechtsanspruch darauf, wird immer mehr Personal benötigt, auf dem Arbeitsmarkt gibt es das Personal aber nicht", führt sie fort. Zwar gebe es von Seiten der Landespolitik immer wieder neue und erweiterte Qualifizierungsangebote zum Beispiel für Quereinsteiger. Dies würde jedoch nicht entscheidend helfen. In diesem und letztem Jahr habe man zwar fünf neue Arbeitsverträge abschließen können, aber, "wenn wir Personal nach Icking 'locken', mit welchen Angeboten auch immer, fehlt es woanders", gibt Reithmann zu bedenken. Oft gehe es weniger darum "anzulocken", sondern darum, gutes Personal zu halten. Um auch in Zukunft selbst bei Schwankungen den Betreuungsbedarf decken zu können, wäre "Flexibilität auf allen Seiten erforderlich". "Gerade im Krippenbereich sollte es möglich sein, dass vielleicht auch Gruppen für drei Tage in der Woche gebildet werden, oder Plätze sinnvoll geteilt werden", fordert Reithmann.

Wolfratshausen

"Die Soll-Zahlen passen", sagt Martin Melf, Referatsleiter Bildung und Soziales der Stadt Wolfratshausen. Damit meint Melf, dass grundsätzlich genug Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen. Aber auch in Wolfratshausen stellt der Fachkräftemangel die Kinderbetreuung vor große Probleme. Aufgrund des fehlenden Personals könne es vorkommen, dass manche Betreuungseinrichtungen trotz theoretisch vorhandener Plätze keine weiteren Kinder aufnehmen könnten.

Auch für Fritz Meixner vom Kinder- und Jugendförderverein (KJFV) Wolfratshausen, der primär in der Bildung und Betreuung von Schulkindern tätig ist, ist das Personal das zentrale Problem. Für das kommenden Schuljahr könnten "voraussichtlich" alle Kinder aufgenommen werden - "wenn das dafür benötigte Personal noch gefunden wird", fügt Meixner hinzu. "Für den Bereich der Schulkinderbetreuung muss festgestellt werden, dass die Stadt Wolfratshausen einen ganz ausgezeichneten Job macht", sagt Meixner. Das findet auch Melf. Aufgrund der guten Zusammenarbeit mit dem KJFV würde einem das Thema der Schulkinderbetreuung trotz des im Jahr 2026 in Kraft tretenden Rechtsanspruches "nicht auf die Füße fallen", so Melf. Mit der Sanierung und Erweiterung der Grund- und Mittelschule am Hammerschmiedweg in Wolfratshausen entstünden zusätzliche Räumlichkeiten für die Bildung und Betreuung von Schulkindern. Damit bereite man sich weiter auf den kommenden Rechtsanspruch vor, erklärt Meixner.

Die Warteliste für die Kindergärten sei je nach Zu- und Wegzügen tagesabhängig, sagt Melf, "derzeit haben wir eine geringe Warteliste, die wir hoffen abbauen zu können". Dementsprechend könne es aber passieren, dass manche Kinder zwei, drei oder vier Monate nach Beginn des Betreuungsjahres im September auf einen Platz warten müssten. "Ich hoffe, dass die Eltern Verständnis haben, wenn es nicht gleich klappt", sagt Melf. Sich über den Rechtsanspruch einen Platz einzuklagen, hält er für "den falschen Ansatz". Melf bedauert sehr, dass Kinderbetreuung zunehmend "als juristische Frage betrachtet wird und es sich nicht mehr um die Qualität der Betreuung dreht". Diese ist Melf nämlich besonders wichtig. Einen guten Personalschlüssel zu haben, sei dabei zentral. Eine Überbelegung von Betreuungsgruppen, um allen Kindern einen Platz zu bieten, komme nicht in Frage, weil man die Erzieherinnen und Erzieher nicht überlasten dürfe und eine hohe Qualität sichern wolle, sagt Melf. Stattdessen gebe man sich alle Mühe neues Personal zu finden. Dafür sei die Stadt auf Ausbildungsmessen unterwegs und biete attraktive Angebote für Quereinsteiger.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTradition in Bayern
:Zug um Zug

Das Fingerhakeln gibt es als Sportart nur im Alpenraum. Wer macht das und warum? Zu Besuch in einer ganz besonderen Welt.

Von Claudia Koestler und Manfred Neubauer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: