Naturschutz:Konfliktgebiet Kesselberg

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Viel Holz: Das FFH-Gebiet am Kesselberg umfasst 674 Hektar und besteht zu 92 Prozent aus Wald. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Management-Plan für das Natura-2000-Projekt ärgert die Waldbesitzer. Beim Dialog mit Forst- und Naturschutzbehörden kritisieren sie die geforderten Erhaltungsmaßnahmen.

Von Petra Schneider, Kochel am See

Die Kesselbergregion ist bei Motorradfahrern und Ausflüglern beliebt; bereits zwei Mal musste die Mautstraße am Südufer des Walchensees in diesem Sommer wegen Überfüllung geschlossen werden. Aber Konflikte gibt es nicht nur wegen des hohen Freizeitdrucks, sondern auch mit privaten Waldbesitzern. Denn das 674 Hektar große Fauna-Flora-Habitat (FFH)- Gebiet Kesselberg, das sich auf die Gemeinden Kochel am See, Schlehdorf und Jachenau verteilt und zu etwa 92 Prozent bewaldet ist, zählt in der bayerischen Alpenregion zu den wertvollsten Naturschätzen.

Die vielfältige Geologie mit seltenen Gesteinsschichten, naturnahe Berg- und Buchenmischwälder,Latschenfelder, Felswände und Schluchten sowie das Vorkommen geschützter Arten wie Alpenbock oder Gelbbauchunke machen das Kesselberggebiet zu einem wichtigen Element im oberbayerischen Natura-2000-Netz. Der europäische Biotopverbund ist das weltweit größte Projekt zum Schutz der biologischen Vielfalt. In Deutschland stellt Bayern die meisten Natura-2000-Gebiete: Auf 800 000 Hektar, also etwa elf Prozent der Landesfläche, sind 745 Gebiete ausgewiesen, eines davon in der Region am Kesselberg.

"Was darf ich in meinem Wald noch?"

Um den von der EU geforderten "guten Erhaltungszustand" zu sichern, werden in einem Managementplan Lebensräume und Arten erfasst und Vorschläge für Erhaltungsmaßnahmen formuliert. Weil aber davon auch private Grundstückseigentümer und Waldbesitzer betroffen sind, hatte die Regierung von Oberbayern zusammen mit der Forstverwaltung und der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts am Mittwoch zu einem Runden Tisch am Kesselberg geladen.

Etwa 20 Interessierte waren gekommen, und dass der Ärger unter den Waldbesitzern groß ist, machte der Jachenauer Bürgermeister Klaus Rauchenberger deutlich. Die Kosten für die Maßnahmen müssten die Privateigentümer tragen, schimpfte er, außerdem gebe es oft Ärger mit den Kartierern, die sich unangemeldet auf den Grundstücken aufhielten. Zudem seien die Gemeinden Kochel, Schlehdorf und Jachenau gar nicht eingeladen worden. "Aber wir Kommunen sind die Anlaufstellen für die Waldbesitzer", betonte Rauchenberger. Der Staat stehle sich aus der Verantwortung, und die Grundstückbesitzer würden nicht informiert.

Skeptische Waldbesitzer: Beim "runden Tisch" zum Managementplan für das Kesselberggebiet gibt es Konfliktpotenzial. (Foto: Manfred Neubauer)

Denn was genau bedeute "Verschlechterungsverbot"? Ist ein Rückewegebau eine Verschlechterung? Gibt es Aufforstungsauflagen nach Sturmereignissen? Und überhaupt: "Was darf ich in meinem Wald noch"? - das fragten sich viele Grundstücksbesitzer. In seiner Gemeinde gebe es eine klare Haltung: "Der Staat soll seine Flächen als FFH-Gebiete ausweisen, nicht Privatbesitz." Die Bauern hätten die Flächen durch eine sinnvolle Bewirtschaftung erst in den Rang eines FFH-Gebiets gebracht. "Wir haben das erhalten, und jetzt haut der Staat einen Schutzstatus drauf", schimpfte Rauchenberger. "Das ärgert die Leute."

Korbinian Wolf, Bereichsleiter Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), bemühte sich um Entspannung. Die Managementpläne seien im Internet abrufbar, und die Mitarbeiter der zuständigen Behörden stünden jederzeit für Fragen zur Verfügung. Der EU hätten die staatlichen Flächen nicht gereicht, weshalb man die Schutzbereiche in zwei weiteren Meldeschritten in den Jahren 2001 und 2004 erheblich erweitert hatte. "Das ist nicht ganz glücklich gelaufen", räumte Christoph Meder, Leiter der Fachstelle Waldnaturschutz Oberbayern, ein. Dialogveranstaltungen seien wichtig, denn das Projekt Natura 2000 könne nur gemeinsam mit den Grundstücksbesitzern umgesetzt werden.

"Das ist nicht ganz glücklich gelaufen", räumt Christoph Meder, Leiter der Fachstelle Waldnaturschutz Oberbayern, zur Erweiterung der Schutzgebiete ein. (Foto: Manfred Neubauer)

Als "notwendige Erhaltungsmaßnahmen" im Kesselberggebiet listet der Managementplan diverse Punkte auf: So müsse etwa die Einhaltung der Einschränkungen beim Klettern an der Rauter- und Panoramawand am Kochelsee-Südufer regelmäßig überwacht werden. Wildschäden müssten reduziert und die extensive Mahd und Beweidung weitergeführt werden. Die Hauptbaumart Tanne sei zu fördern, aber auch Nebenbaumarten wie Esche, Vogelkirsche oder Eibe. Das Niedermoor östlich von Sachenbach müsse von Verbuschung freigehalten, Totholzanteile müssten erhöht und Laichgewässer angelegt werden.

Der Managementplan sei eine Art "Nachschlagewerk" für Grundbesitzer, sagte Meder. Die Maßnahmen seien freiwillig und sollen vorrangig über Förderprogramme finanziert werden. "Sie als Privatbesitzer müssen nichts, aber dürfen nicht alles", betonte Meder. Denn der Erhaltungszustand der Lebensraumtypen dürfe sich durch eine Bewirtschaftung nicht verschlechtern. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Vorkommen des seltenen Frauenschuhs durch den Einsatz von Glyphosat zerstört würde, erklärte Meder. Oder wenn Buchen wegen starker Nachfrage abgeholzt und stattdessen Douglasien nachgepflanzt würden. Auch beim Wegebau könne es zu einer Verschlechterung kommen, wenn die dafür benötigten Flächen zu groß seien. Grundsätzlich gelte: "Im Rahmen der normalen Forstbewirtschaftung ist keine Verschlechterung zu erwarten, außer bei Kahlschlag", sagte Meder.

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Bereits in den 70er Jahren sei auf EU-Ebene eine Vogelschutzrichtlinie auf den Weg gebracht worden, 20 Jahre später dann die FFH-Richtlinie, um Pflanzen und Tiere zu schützen, die in europäischen Ländern typisch seien. Weltweit stehe man vor "wahnsinnigen Herausforderungen", sagte Meder. Klimawandel, Hitze und Trockenheit, der Verlust von Flächen. Täglich gingen in Bayern elf Hektar Wald verloren, das entspricht 15 Fußballfeldern. Lebensräume und Artenvielfalt müssten erhalten werden, "denn in einer monotonen Betonwüste will keiner leben."

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