Kandidatin für den Tassilo 2018:Doppel-Talent

Lesezeit: 3 min

Andrea Fessmann glänzt als Veranstalterin genauso wie als aktive Musikerin - und das nicht nur in Iffeldorf.

Von Reinhard Szyszka, Iffeldorf

Die Frau strahlt Begeisterung aus. Wenn man mit Andrea Fessmann über gute Musik spricht - und da reicht das Spektrum von der Gregorianik bis zum Jazz -, dann leuchten ihre Augen, und der Funke des Enthusiasmus springt auf den Gesprächspartner über. Doch noch etwas anderes merkt man: Diese Leidenschaft für Musik ist gepaart mit einem tiefen, grundsoliden Können.

Die in Bad Tölz geborene Andrea Fessmann, früher Letzing, hat mit 17 Jahren ihren ersten Chor gegründet, einen Jugendchor an der Pfarrei Maria Himmelfahrt in ihrer Heimatstadt. Mit einem Studium an der Münchner Musikhochschule gab sie ihrer Chorleitertätigkeit eine professionelle Basis, ließ zugleich ihre eigene Singstimme schulen und erwarb ein Diplom als Gesangslehrerin. Seit 1995 ist sie Mitglied im Konzertchor des Bayerischen Rundfunks, einem Spitzenchor mit internationalem Renommee. Auch als Solosängerin lässt sich Fessmann hören und setzt ihre samtweiche, makellos geführte Altstimme vorzugsweise in Oratorien ein.

2010 gründete Andrea Letzing das Ensemble Laetare, in dem außer ihrer Singstimme eine keltische Harfe und Klangsteine zu hören sind. Klangsteine sind speziell präparierte Granit- und Gabbrosteine, und der sie zum Schwingen bringt, ist Klaus Fessmann, Professor am Mozarteum Salzburg. Bald schon war klar, dass die Sängerin und den Klangsteine-Magier mehr verbindet als nur musikalische Interessen. 2014 wurde geheiratet, und aus Andrea Letzing wurde Andrea Fessmann.

Natürlich gibt Fessmann ihre gesangstechnischen Kenntnisse weiter, sowohl im Einzelunterricht als auch an ihre Chöre, denn die Grundlagen der richtigen Stimmführung sind für Chor- und Solosänger gleich. Eng damit zusammenhängend: die Alexandertechnik, die hilft, falsche Bewegungsgewohnheiten und -muster zu erkennen und abzulegen, was für Sänger von entscheidender Bedeutung sein kann. Für diese Technik hat Fessmann einen Lehrauftrag an der Münchner Musikhochschule.

Der jetzige Chor der Künstlerin nennt sich KlangKunst im Pfaffenwinkel und hat seinen Sitz in Iffeldorf, wo Fessmann seit 1999 lebt. Die "KlangKunst" singt nicht nur das übliche Chorrepertoire, sondern immer wieder außergewöhnliche Werke, die durch die Initiative Fessmanns erst entstanden sind. 2015 bat sie den Leipziger Pianisten und Komponisten Stephan König um eine Jazz-Version des Bachschen Weihnachtsoratoriums; König sagte sogleich begeistert zu. Das "Weihnachtsoratorium in Jazz" wurde ein voller Erfolg und brachte Fessmann mit ihrer "KlangKunst" in den Münchner Herkulessaal sowie in die neu eröffnete Universitätskirche von Leipzig, wo sie als erster externer Chor überhaupt aufgetreten sind.

Fessmanns chordirigentische Fähigkeiten sind so groß, dass ihr ernsthaft angeraten wurde, sie möge sich um das Leipziger Thomaskantorat als Nachfolgerin von Georg Christoph Biller bewerben. Davon nahm die Künstlerin denn doch Abstand; der Ortswechsel nach Leipzig hielt sie ebenso ab wie die Konversion zur evangelisch-lutherischen Kirche, was beides unvermeidlich gewesen wäre. Doch einen anderen, sehr angesehenen Chor konnte sie übernehmen: Im September übergab der bisherige Leiter Bernward Beyerle den Lassus-Chor München, spezialisiert auf mehrchörige Musik, in Fessmanns Hände.

Nicht nur als aktive Musikerin ist Fessmann höchst erfolgreich, sondern auch als Organisatorin. Ende 2010 legte der Grafiker Egbert Greven die Leitung der Iffeldorfer Meisterkonzerte nieder, und wer wäre besser für die Nachfolge geeignet gewesen als Fessmann, damals Letzing? So lernte die Musikerin auch die andere Seite des Musikgeschäfts kennen, die der Veranstalter, die Spitzenkünstler zu möglichst günstigen Preisen engagieren möchten. Dabei kämpft sie mit allen Unwägbarkeiten des Geschäfts, wie im vorigen Herbst, als das Modern String Quartet kurzfristig absagte. Die Erfolge der Iffeldorfer Meisterkonzerte bei Publikum und Presse sprechen für sich; so ist es Fessmann gelungen, Weltklasse-Schauspieler Bruno Ganz für eine Lesung mit Musik nach Iffeldorf zu holen.

Aktive Musikerin auf der einen, Organisatorin einer Konzertreihe auf der anderen Seite - wie schafft Fessmann das? Es ist die tiefverwurzelte Liebe zur Musik, die sie antreibt, und die es ihr ermöglicht, in beiden Bereichen immer wieder Spitzenleistungen zu erbringen, damit Konzerte der Spitzenklasse zustande kommen.

Leserinnen und Leser der SZ haben bis Ende Februar die Gelegenheit, Personen und Gruppen vorzuschlagen, die in ihrem Landkreis oder Stadtviertel künstlerisch wirken oder in der Kulturarbeit aktiv sind. Das Spektrum kann vom Kirchenchor über Kammermusiker bis zur Rockband reichen, vom Volksmusikanten bis zum Videokünstler, Filmemacher oder Veranstalter. Vorschläge können per E-Mail unter tassilo@sueddeutsche.de oder per Post an die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen, Untermarkt 2, 82515 Wolfratshausen, geschickt werden. Einsendeschluss ist Mittwoch, 28. Februar.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: