Tölzer Kämmerer geht in Ruhestand:"Eine Kommune muss nicht alles selber machen"

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Der Kauf der ehemaligen US-amerikanischen Kaserne kostete Martin Bachhuber die Wahl zum Landrat. (Foto: Manfred Neubauer)

Hermann Forster sieht Bad Tölz trotz aller Krisen für die Zukunft gut aufgestellt. Zu den stabilisierenden Faktoren zählt der scheidende Kämmerer eine gesunde Wirtschaftsstruktur, die Lage in einer Zuzugsregion - und das Vertrauen zwischen Verwaltung und Stadtrat.

Interview von Klaus Schieder, Bad Tölz

Der Abzug der US-Armee, das Ende der alten Sozialkur, später die Bankenkrise, zuletzt noch Corona: In den fast 32 Jahren seiner Dienstzeit in der Tölzer Stadtverwaltung hat Hermann Forster viel erlebt. Seit 2005 arbeitete er als Kämmerer, seit 2009 war er auch berufsmäßiger Stadtrat. Nun geht der 63-Jährige zum 31. März in den Ruhestand. Über die finanzielle Situation der Stadt, die wichtigen Projekte in den vergangenen Jahrzehnten und die Zukunftsaussichten für Bad Tölz äußert er sich im SZ-Gespräch.

SZ: Ukraine-Krieg, Inflation, hohe Energiekosten, steigende Flüchtlingszahlen - diese Zeiten sind geprägt von Krisen, deren Folgen andauern. Herr Forster, sind Sie da nicht froh, als Kämmerer in Rente gehen zu können?

Hermann Forster: Aus diesen Gründen nicht, um ehrlich zu sein. In all den Jahren hat es ja immer irgendwelche Krisen gegeben. Die Bankenkrise 2008 hat stark durchgeschlagen, die Flüchtlingskrise 2015 auch. Den Ukraine-Krieg spürt man schon, aber auf die Stadtfinanzen wirkt er sich nicht so extrem aus.

Gibt es für Sie andere Gründe, gerne zu gehen?

Nein. Ich bin 63 Jahre alt, also nicht mehr so jung. Wir befinden uns in der Mitte der Legislaturperiode des Stadtrats, wo ein Wechsel leichter umzusetzen ist. Da bietet sich das dann irgendwie an.

Vor drei Jahren war es völlig ungewiss, wie sich die Corona-Pandemie auf den kommunalen Haushalt auswirken wird. Die Stadt Bad Tölz steht heute finanziell sehr gut da. Woran liegt dies hauptsächlich?

Bad Tölz ist von seiner Wirtschaftsstruktur her und an sich sehr gut aufgestellt. Es gibt viele Faktoren, die zur Stabilität beitragen. Wir sind nicht abhängig von einem großen Gewerbesteuerzahler, der krisengefährdet sein kann, wir sind Zuzugsregion. Wir befinden uns nicht in einer strukturschwachen Gegend, wo die Menschen wegziehen und die Infrastruktur in Schieflage gerät, wo dann beispielsweise Bibliotheken schließen. Wir sind eine bevorzugte Region, wobei wir nie zu den steuerstärksten Kommunen gezählt haben.

"Bad Tölz hat sich stark verändert": Hermann Forster war 18 Jahre lang Stadtkämmerer von Bad Tölz. Seit 2009 war er auch berufsmäßiger Stadtrat. (Foto: Manfred Neubauer)

Wie hat sich Bad Tölz in den gut drei Jahrzehnten verändert, in denen Sie bei der Stadt beschäftigt waren?

Bad Tölz hat sich stark verändert. Vor 25 Jahren waren wir noch sehr kurabhängig. Heute haben wir viele Gewerbeansiedlungen, eine gesunde Struktur, das muss man so sagen. Ein Glücksfall war die Entwicklung der Flinthöhe, das hat sehr viel gebracht. Nach dem Abzug der US-Armee 1991 gab es eher Bedenken, dass die Stadt an Kaufkraft verlieren werde, dass Arbeitsplätze verloren gingen und eine gewisse Tristesse einkehre. Aber es war ein Glücksfall, wenn man sieht, was auf der Flinthöhe alles entstanden ist: der Sportpark, der in Bayern einmalig ist, die Gewerbeansiedlungen, die Wohnungen sowie das Behördenzentrum, auch wenn der Start damals holprig war. Die Entwicklung ist noch nicht zu Ende, wenn erst einmal die Nordspange gebaut ist, gibt es weiteres Entwicklungspotential.

Woran denken Sie dabei?

Schaffung von Wohnraum bei einer Neuordnung des Geländes von der General-Patton-Straße hin zur Flinthöhe, und es ist ja beschlossen, das Pflegeheim Josefistift dorthin zu verlagern. Am bisherigen Standort an der Bahnhofstraße kann dann ein Seniorenzentrum entstehen. So wie im Franziskuszentrum alle sozialen Bereiche zentralisiert wurden, die einst über die ganze Stadt verstreut waren, so könnte dort in zentraler Lage mit einem Seniorenzentrum in gleicher Weise eine Anlaufstelle geschaffen werden. Diese Entwicklungen muss man in gewisser Weise aber vorausdenken, und zwar frühzeitig.

"Es muss priorisiert werden, das ist meine Rede seit Langem."

Neubau der Lettenholzschule, noch eine Kindertagesstätte, der Ausbau des Kurhauses: Auf die Stadt kommen einige Projekte mit hohem Finanzbedarf zu. Zugleich wird die Kreisumlage steigen, die Gewerbesteuerumlage ebenso, 2025 soll die Umsatzsteuerpflicht kommen. Wird es Bad Tölz finanziell künftig schwer haben?

Es war nie leicht, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Die Projekte muss man in einem zeitlichen Kontext sehen und dann nach einer passenden Finanzierung suchen. Und es muss priorisiert werden, das ist meine Rede seit Langem. Eine Kommune muss auch nicht alles selber machen. Mir war immer der Weg lieber, dass man sich jemanden sucht, der das baut. Bad Tölz lässt zum Beispiel das neue Pflegeheim von einem Investor bauen, Lenggries baut sein neues Pflegeheim selbst für mehr als 21 Millionen Euro. Da ist ein Haushalt auf Jahre hinaus gebunden und belastet. Aber das muss jede Gemeinde, jede Stadt für sich entscheiden.

Wie sieht es mit Schule und Kita aus?

Schule und Kindertagesstätten sind Kernaufgaben der Stadt, die man bedarfsgerecht vorhalten muss. In der Lettenholzschule gibt es Handlungsbedarf, aber nicht von heute auf morgen. Die Schule hat amerikanische Maße, die Klassenzimmer sind groß. Bei einem Neubau der Schule müssen wir die Norm erfüllen - sonst kriegen wir ihn nicht gefördert -, und deshalb ist der bisherige Schulbau bei den Nutzern nicht unbeliebt. Das Kurhaus ist wichtig für die Stadt. Es war nie der große Defizitbringer wie manche Stadthallen. Bei einer Erweiterung muss man auch über den Kleinen Kursaal am Vichyplatz nachdenken, was dort einen Sinn ergibt und wie man das finanziert. Das muss der Stadtrat abwägen und entscheiden.

Welche Weichenstellungen waren für Sie die bedeutsamsten in Ihrer Amtszeit in Tölz?

Es gab drei Weichenstellungen, die ich hervorheben möchte. Die eine war die Privatisierung des Krankenhauses. Das war eine der besten Entscheidungen, die der Tölzer Stadtrat je getroffen hat. Damit hat er die Klinik in die Zukunft geführt, das sieht man an vielen anderen Häusern, die ums Überleben kämpfen. Bad Tölz hat ein qualitativ hochwertiges, modernes Krankenhaus, das keine Defizite für den Kreishaushalt und den Haushalt der Stadt verursacht. Und das seit 20 Jahren. Die andere Weichenstellung war die Entwicklung der Flinthöhe, deren Auswirkung ich bereits genannt habe. Und als weiteren Meilenstein würde ich die Einrichtung der kommunalen Sozialplanung sehen, die mit ein Grund dafür ist, dass die Stadt im sozialen Bereich krisenfest ist.

An der Asklepios-Klinik in Bad Tölz gibt es künftig keine Abteilung für Gefäßchirurgie mehr. (Foto: Asklepios-Klinik/OH)

Gab es einen Beschluss des Stadtrats, den Sie als Kämmerer zwar finanzieren mussten, über den Sie sich aber insgeheim geärgert haben?

Da gab es eigentlich gar nichts. Das war ja immer alles im Konsens. 2011 wurde die Neue Tölzer Hotelkultur aufgelegt. Und ich bin da froh, dass der damalige Vorschlag, Herrn Dr. Hoefter von der Jod AG das Erlebnisbad Alpamare abzukaufen, nicht umgesetzt wurde. Das wäre finanziell ein Fass ohne Boden geworden. Und was das Spa "Natura Tölz" betrifft: Wenn man sich die Energiekosten heute ansieht, bin ich heilfroh, dass wir nach vielen Diskussionen nicht in so eine Einrichtung investiert haben, was ich damals noch bedauert habe.

"Das Vertrauen zwischen Verwaltung und Stadtrat ist extrem wichtig."

Seit 14 Jahren sind Sie nicht nur Kämmerer, sondern auch berufsmäßiger Stadtrat. Sie sind damit eine Art Mittler zwischen Verwaltung und Stadtrat. Was war für Sie in dieser Position am wichtigsten?

Dass ich politisch habe denken dürfen. Der Trennung von Verwaltung und Politik war ich damit nicht so unterworfen. Für mich war es in gewisser Weise gut, politisch agieren zu können. Das war nicht Parteipolitik, sondern Ortspolitik. Ich konnte etwas beeinflussen, ich konnte mit entwickeln. Allerdings ist das auch eine gefährliche Stelle. Man darf nicht übers Ziel hinausschießen, man braucht das Vertrauen des Stadtrats. Das Vertrauen zwischen Verwaltung und Stadtrat ist extrem wichtig.

Wenn ein Stadtrat wie 2020 in Bad Tölz zur Hälfte ausgetauscht wird, dürfte dies nicht ganz einfach sein.

Das war ein mühsamer Prozess. Mit jedem Stadtrat, der geht, geht auch Wissen verloren. Er oder sie weiß schon, wie der Hase läuft, was ein Stadtrat machen kann, was nicht. Im neuen Stadtrat hat man am Anfang gespürt, dass da so eine Haltung war, der Verwaltung müsse man die Grenzen aufzeigen. In Bad Tölz herrscht ja landläufig die Meinung, dass die Stadtverwaltung anschafft. Das hat man dem früheren Bürgermeister Josef Janker oft vorgehalten. Ja, die Verwaltung macht sich Gedanken und will pushen, aber sie will nicht den Stadtrat oder den Bürgermeister ersetzen. In Tölz haben wir eine starke Verwaltung, dazu gehören vor allem auch meine Referatsleiterkollegen Fürstberger, Hohenreiter und Wiesenhütter.

Ihre Haushaltsreden waren auch stets geprägt von Exkursen in die Bundes- und Landespolitik.

Das war mir sehr wichtig. Nur so kann man begreifen, wie sich die Finanzen und deren Entwicklung zusammensetzen. Wenn man das einigermaßen versteht, weiß man auch, wie man in Tölz agieren muss. Ich war im Arbeitskreis Finanzen und im Arbeitskreis Steuern des Bayerischen Städtetags, 20 Jahre lang war ich Vorsitzender der Kämmerer-AG der süddeutschen Kur- und Fremdenverkehrsorte. Und wenn man mit Kämmerern von Lindau bis Berchtesgaden oder aus München, Augsburg und Nürnberg an einem Tisch sitzt, kriegt man enorm viel mit. Das war ein Grund, warum ich so agiert habe. Und es hängt auch mit meiner Person zusammen, dass ich das gerne gemacht habe.

Hatten Sie jemals die Ambition, selbst Bürgermeister zu werden?

Das hat man einmal vage an mich herangetragen, als der damalige Bürgermeister Josef Niedermaier zum Landrat gewählt wurde. Aber ein Bürgermeister hat viele andere Aufgaben, er muss repräsentieren, er muss vor Ort sein. Aber ich bin derjenige, der versucht, ein Projekt zu managen. Außerdem hätte ich dann ja für die Kämmerei - flapsig bemerkt - jemanden finden müssen, einen genauso Wahnsinnigen wie mich. Bürgermeister war somit nie eine Option.

Was wünschen Sie Ihrer Nachfolgerin Silke Furmanek?

Frau Furmanek ist seit 18 Jahren meine Stellvertreterin. Fachlich ist sie top. Sie ist ein anderer Typ als ich, aber sie wird ihren Weg gehen, da bin ich sicher. Ich wünsche ihr, dass sie immer den Rückhalt im Stadtrat hat, und dass die Einnahmen immer höher bleiben als die Ausgaben.

Das sind nun Ihre letzten Tage im Rathausbüro. Wie fühlen Sie sich da?

Komisch. Ich bin schon so lange dabei, dass ich mir noch nicht vorstellen kann, wie das nun sein wird. Allerdings habe ich einen fließenden Übergang. Ich mache noch das Beteiligungsmanagement der Stadt, bin also der städtische Vertreter bei den Stadtwerken, der Blombergbahn, der Entwicklungsgesellschaft. Ich bin nicht ganz draußen, aber ich werde mich nicht mehr ins Tagesgeschäft einmischen. Es gibt so einen Grundsatz, der lautet: Wer nichts mehr zu sagen hat, soll trotzdem schweigen.

Was machen Sie nun mit der Freizeit als Rentner?

Ich habe mehr Zeit fürs Skifahren, Wandern und Radfahren. Außerdem habe ich einen Enkel, der neun Monate alt ist - der ist für mich sehr wichtig und etwas sehr Schönes. Wenn man im Beruf steht, hat man ja immer kaum Zeit. Meine Frau arbeitet noch ein Jahr, wir werden sicher die eine oder andere Reise unternehmen. Ansonsten lasse ich es auf mich zukommen. Langweilig wird mir nicht.

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