In den Ratsstuben Geretsried:Verbindungen im Kopf

Lesezeit: 3 min

Ludwig Schmid teilt als Bruder Barnabas beim Geretsrieder Starkbierfest aus - und macht nebenbei Wahlkampf in eigener Sache

Von Felicitas Amler, Geretsried

Wahlkampf ist das Thema des Abends - in jeder Hinsicht. Der Geretsrieder Fastenprediger Bruder Barnabas alias Bäcker Ludwig Schmid stichelt am Samstag beim Starkbierfest der Gartenberger Bunker-Blasmusik nicht nur gegen Kandidaten aller Couleur, sondern nutzt die Bühne auch fürs eigene Vorankommen. Wählen ("Kann ich nur empfehlen") und Gewählt-werden gewissermaßen. Denn der Running Gag des Abends in den ausverkauften Ratsstuben ist eine Formel - "3/12/3". Soll heißen: Wählt zum Kreistag die Liste 3 der Freien Wähler, und gebt dort dem Ludwig Schmid auf Platz 12 drei Stimmen. "A bissl Wahlkampf für mich muss ich schon machen", erklärt der Prediger und bekommt dafür wie für vieles andere donnernden Applaus.

Dramaturgisch am stärksten wird's eigentlich erst am Ende. Da lässt Barnabas spannungsgeladene Musik aus den Haudrauf-Filmen mit Sylvester Stallone erklingen und kündigt die Geretsrieder Bürgermeisterwahl als aufregenden Boxkampf um den Meistertitel an. Die Herausforderer werden mit Boxer-gemäßen Namen qualifiziert - und abqualifiziert: "Larry 'The unknown' Terwey" für die FDP, "Wolfgang 'Wo drückt der Schuh' Werner" als SPD-Herausforderer "in der roten Ecke", die Grüne "Martina 'Da machen wir was mit Bürgerbeteiligung' Raschke" und schließlich der Titelverteidiger der CSU - der im wirklichen Wahlkampf Honiggläschen mit seinem Konterfei als Give-aways verteilt - "Michael 'Die Honigbiene' Müller". Johlender Applaus im überfüllten Saal.

"Wia a Kugel beim Flipperspielen"

Zuvor streift der Fastenprediger durch Stadt und Umland, fährt von der Tiefgarage, in die man ja von der Innenstadt aus gar nicht hineinkomme, zum Straßengewirr an der neuen B-11-Ampel ("Da kimmst da vor wia a Kugel beim Flipperspielen. Woaßt a nia, wos d'letztlich rauskimmst") übers Lorenz-Areal (Erstens: Wann fangas as Baua o? Und zweitens: Was fangt da Bauer o?" bis zum Eisstadion, das immer teurer geworden ist. Unter heftigster Zustimmung stellt der Prediger fest, mit einer der Millionen hätte man den Ratsstubensaal technisch "auf Vordermann bringen" können.

Und dann wird's Zug um Zug persönlicher. Über die Bundes- und Landtagsabgeordneten Alexander Radwan, Florian Streibl und Hans Urban, denen er vorhält, dass sie sich nicht sehen ließen, pirscht sich Barnabas an Bürgermeister Michael Müller heran. Er erinnert daran, dass Müller sich beim Starkbierfest im vorigen Jahr über eine ins Private greifende Sottise verschnupft gezeigt hat, bügelt das vermeintlich aus, indem er dem Bürgermeister und seiner inzwischen Ehefrau Daniela "herzlich" zur Hochzeit gratuliert. Und setzt dann zum eigentlichen Schlag an. Ebenfalls im vergangenen Jahr habe er mit einer Bemerkung über eine Studentenverbindung unverhofft in ein Wespennest gestochen, sagt Schmid. Und erklärt mit einem stöhnenden "Puh!", dass da im Nachgang noch etwas passiert sei. Ein Anwalt sei zu ihm in den Bäckerladen gekommen, um ihm "den wohlmeinenden Rat" zu geben, "das mit der Studentenverbindung auf sich beruhen zu lassen". Das Publikum hält bereits den Atem an. Und der Fastenprediger legt noch eins drauf: Als Barnabas sei ihm so was ja egal. "Aber wenn du a Gschäft hast, an dem drei eigene Familien dranhängen und teilweise die von 50 Angestellten. Und so am Gschäft kann ja viel passieren ..." Noch dazu, da er inzwischen "einige einflussreiche Namen aus der Verbindung" kenne ... Man müsse ja an die Zukunft denken. Deutlicher wird er nicht. Sondern wendet sich nur mit einem "Prost" an JU-Sprecher Alexander Totzauer - "wenn der da ist". Das Publikum nimmt die ganze Passage gebannt und begeistert auf. Nach der Vorstellung gratulieren nicht wenige Ludwig Schmid dazu, dass er so "mutig" gesprochen habe.

Betont artig gratuliert der Fastenprediger Daniela und Michael Müller zur Hochzeit. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Rest der Rede behandelt das interkommunale Hallenbad und natürlich die S-Bahn als Dauerbrenner von der ersten Fastenpredigt an; es gibt den üblichen Rempler Richtung Nachbarstadt Wolfratshausen, wo zwar nichts voran-, "aber immerhin nicht rückwärts" gehe; zum stillgestellten Abriss des Isar-Kaufhauses empfiehlt Barnabas die Abbruchfirma der Geretsrieder Baugenossenschaft. Zwischendurch kürt er unter rauschendem Beifall Marlies Effenberger von der Eghalanda Gmoi als "Geretsrieder Original", weil sie vom Kulturherbst über die Sonnwendfeier bis zur Feuerwehr überall engagiert sei. Dann gibt's wieder ein bisschen Eigenwerbung "3/12/3" und einige Hiebe auf die Landratskandidaten. Zu Filiz Cetin von der SPD: "Da seh ich im Isarwinkel schwarz für a Rote." Toni Demmel und seine Weißwurstzangen mit der Aufschrift "Pack ma's!" quittiert Barnabas mit den Worten "Gott sei Dank hast' des nicht zum Wahlkampfslogan gmacht: Toni Demmel - weißwurscht is." Königsdorf und Münsing sind Thema, weil sie jeweils nur einen Bürgermeisterkandidaten haben. Und dass es in einer Gemeinde vier Kandidatinnen gibt - er nennt sie alle namentlich -, beendet der Starkbierbruder mit einer Frage: "Ratets amal, wo mir san? Richtig: z'Icking." Wer's nicht auf Anhieb verstanden hat, bekommt es noch einmal extra pointiert vorgetragen: "Zicking".

Nach diversen Anmerkungen zum Geretsrieder Wahlkampf, in denen aus dem Wahlslogan des Bürgermeisters, "Müller macht's" ein "Müllers Macht" wird und eine Kostprobe "Müllermilch" sich als ungenießbar erweist ("Entschuldigung, i kunn des net trinka nach dem Starkbier"), gipfelt der Abend im Boxtitelkampf und endet mit einer Liebeserklärung an Geretsried und einem letzten "Vergessts nicht: 3/12/3!"

© SZ vom 02.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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