Energiegewinnung im Oberland:Die Biege gemacht

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Die Arbeiten beim Projekt Eavor-Loop in Gelting gehen nach Plan voran. (Foto: Hartmut Pöstges)

Beim Geothermie-Projekt in Gelting sind die senkrechten Bohrungen bis in 4,5 Kilometer Tiefe abgeschlossen. Bis Jahresende könnte das Kraftwerk Strom liefern.

Von Benjamin Engel, Geretsried

Wer die gigantischen Dimensionen des Geothermieprojekts Eavor-Loop im Wald bei Gelting erfassen will, müsste mit dem Auto bis nach Lauenstein an der bayerisch-thüringischen Grenze fahren. Die zurückgelegte Route von um die 360 Kilometern entspricht der gesamten geplanten Bohrstrecke im Untergrund auf Geretsrieder Flur. Dafür hat die Geretsrieder Projektgesellschaft des kanadischen Unternehmens Eavor bis zum Jahreswechsel 2023/2024 einen entscheidenden Zwischenschritt erreicht.

"Wir sind ganz gut im Zeitplan."

Laut Sprecher Alexander Land haben sich die Meißel der beiden Bohranlagen jeweils 4,5 Kilometer senkrecht durch das Gestein nach unten gearbeitet. Damit ist der tiefste Punkt erreicht. Die Arbeiter haben die Bohrungen zudem so weit abgelenkt, dass mit dem waagerechten Querverbindungssystem weitergemacht werden kann. Ist es fertig, entstehen unterirdische Wärmeschleifen. "Wir freuen uns, dass wir im alten Jahr die Biege gekriegt haben", sagt Land. Damit sind wir ganz gut im Zeitplan."

Zur Strom- und Energieerzeugung braucht die Anlage kein natürlich vorkommendes, heißes Tiefenwasser. Das macht das Geretsrieder Projekt mit im Endausbau vier geplanten sogenannten Loops (zu Deutsch Schleifen) besonders. Stattdessen, so der Plan, leitet das Unternehmen in das System eine kalte Flüssigkeit ein, die bis auf 4500 Meter hinunterfließt, sich dort unten durch das heiße Umgebungsgestein erhitzt und dadurch wieder nach oben steigt. Die im Untergrund in 4500 Meter Tiefe herrschenden Temperaturen von 160 Grad Celsius seien genauso prognostiziert worden, erklärt Sprecher Alexander Land.

Die parallelen Abzweigungen, welche die beiden senkrechten Bohrungen in einer Tiefe von 4500 Metern verbinden, sind seinen Worten nach jeweils um die 3400 Meter lang. Die horizontalen Bohrungen werden nicht verrohrt, sondern flüssig versiegelt und damit abgedichtet. Für ein Loop-System müssen laut Land etwas mehr als 90 Kilometer gebohrt werden. Da in Geretsried insgesamt vier "Schleifen" geplant sind, kommen auf diese Weise die oben erwähnten 360 Kilometer zusammen.

Die neue Technik stößt überregional auf großes politisches Interesse. Unter den prominenten Gästen, die Ende August den Bohrplatz bei Gelting besichtigten, waren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Der Europäische Investitionsfonds fördert das Geretsrieder Projekt mit 91,6 Millionen Euro. Insgesamt kalkuliert das Unternehmen Eavor mit einem Kostenvolumen von 200 bis 350 Millionen Euro. Die Bandbreite sei so groß, weil sich nie hundertprozentig vorhersagen lasse, wie schnell sich der Meißel durch die Gesteinsschichten vorarbeiten könne, erklärt Land. Jeder zusätzliche Bohrtag koste viel Geld.

Während im Untergrund gebohrt wird, baut das Unternehmen parallel an einem Kraftwerk. Dieses soll laut Land plangemäß noch im vierten Quartal dieses Jahres in Betrieb gehen können. Zu diesem Zeitpunkt ließe sich dann für 5000 Haushalte Strom produzieren.

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