Geldgeschäfte im Oberland:Die Krise der anderen

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Nur fürs Foto auf dem Weg nach unten: die Raiffeisen-Vorstände (v.l.) Manfred Klaar, Josef Bernöcker, Manfred Gasteiger und Hansjörg Hegele. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Raiffeisenbank vermeldet auch in Corona-Zeiten gute Zahlen - vor allem dank einer weiter boomenden Baubranche

Die Corona-Krise macht sich bei nahezu allen Branchen bemerkbar. Bei der Raiffeisenbank im Oberland hält sich der Schaden bislang jedoch in Grenzen. Nach einem stetig wachsenden Kreditgeschäft in den vergangenen Jahren, hat die kleine Regionalbank auch heuer schon wieder 575 Kredite neu vergeben. "Damit bewegen wir uns wieder auf dem hohem Niveau des Vorjahres", sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Manfred Gasteiger.

Natürlich ist die Krise aber auch an der Raiffeisenbank nicht ganz spurlos vorbeigegangen. Vor allem Ende Februar und Anfang März, als die Corona-Welle Deutschland so richtig erreichte, habe man die Nervosität der Leute spüren können - vor allem an den Geldautomaten, sagt Vorstandsmitglied Manfred Klaar. Wer für gewöhnlich sonst 100 Euro abgehoben hat, bei dem waren es jetzt plötzlich 200. Für wen 300 Euro normal waren, der holte sich plötzlich 500. Der Kontostand schwarz auf weiß reichte den Leuten also offenbar nicht mehr, sie wollten das Geld lieber zum Anfassen zu Hause haben. "Das Haptische ist da wohl ein wichtiger Faktor", so Klaar.

Auch die Zahl der Abhebungen hat zu Krisenbeginn massiv zugenommen. Normal sind im wöchentlichen Schnitt rund 6000 Vorgänge an einem Automaten. Im Februar und in der ersten Märzhälfte waren es jedoch etwa 13 000 Abhebungen pro Woche. In dieser Zeit hat die Raiffeisenbank ihre 25 Geldautomaten in der Region deshalb immer wieder bis zum Anschlag vollgemacht. 200 000 Euro passen in einen solchen Automaten. Bis zu diesem Maximalwert haben die Bankangestellten die Automaten wochenweise wieder mit frischen Geldscheinen befüllt.

Auch einige Großabhebungen in einer Größenordnung von 100 000 Euro hat es bei der Raiffeisenbank im Oberland gegeben - im Februar und März waren es jeweils acht bis zehn. Vorstandsmitglied Josef Bernöcker nennt das einen "Klopapier-Effekt". Wie die Toilettenartikel, so hätten die Leute in der Krise auch das Geld gehortet, sagt er. Wobei bei den Großabhebungen noch ein anderer Beweggrund dazukommt. Die Einlagensicherung gilt schließlich nur bis 100 000 Euro. Die Leute hätten ihr Vermögen deshalb auf verschiedene Banken verteilt. Auch in der Finanzkrise 2008 seien solche Effekte bereits messbar gewesen, sagt Bernöcker. Auch da sei bei der Raiffeisenbank schon sogenanntes "Fluchtgeld" angespült worden.

In der Region wird wie hier am Karl-Lederer-Platz in Geretsried weiter viel gebaut. Das befördert auch das Kreditgeschäft. (Foto: Hartmut Pöstges)

Gut möglich also, dass bei der Raiffeisenbank inzwischen mehr Geld lagert als das noch Ende vergangenes Jahres der Fall war. Zum Jahresabschluss 2019 lag die Höhe der Einlagen laut der am Mittwoch vorgelegten Bilanzzahlen bei etwas mehr als einer Milliarde Euro. Die wirtschaftliche Lage in der Region scheint trotz Corona aber halbwegs stabil zu sein, so dass die kleine Regionalbank bislang keine Schwierigkeiten hatte, das Geld zu reinvestieren. "Natürlich gibt es Unternehmen, die hatten auch vor der Krise schon zu knabbern", sagt Vorstandsmitglied Bernöcker. Die Tourismusbranche, die Gastronomie und der Einzelhandel seien durch die Corona-Beschränkungen zudem schwer gezeichnet. Unter den Kunden der Raiffeisenbank gebe es aktuell aber keine insolvenzbedrohten Betriebe.

Vor allem die Baubranche boomt weiter, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Manfred Gasteiger. Das könne man an den Kreditaufnahmen und der hohen Nachfrage nach Baumaterialien in den Raiffeisen-Warencentern sehen. Ob die Krise die Region nicht doch noch schwerer trifft, werde man aber erst in einigen Monaten sagen können, ergänzt sein Vorstandskollege Manfred Klaar. "Viele Unternehmen in der Region stehen am Ende der Nahrungskette", sagt er. Da seien viele Zulieferfirmen dabei, die es erst in zweiter Instanz treffe. "Da weiß man nicht, ob es die noch erwischt", so Klaar.

Noch aber sieht es so aus, als würde die regionale Wirtschaft gut durch die Krise kommen. Bei der Raiffeisenbank im Oberland sind die Zahlen sogar so gut, dass die Genossenschaftsbank auch heuer an ihre Mitglieder gerne eine Dividende von zwei Prozent ausschütten würde. Die Aufsichtsbehörde Bafin hat Dividendenzahlungen heuer aber eigentlich verboten, schließlich stehen auch Banken immer noch in der Gefahr, in der Corona-Krise staatliche Unterstützung abrufen zu müssen, zum Beispiel in Form von Kurzarbeitergeld. Bei Verstößen habe die Bafin "mit der großen Keule in Form von aufsichtsrechtlichen Mitteln gedroht", wie Vorstandschef Hansjörg Hegele beklagt. Die diffizile Dividendenfrage soll deshalb nun die formelle Vertreterversammlung klären. Diese trifft sich voraussichtlich am 6. Oktober. Und vielleicht, so die Hoffnung bei der Raiffeisenbank, hat sich die Welt bis dahin schon wieder etwas entspannt.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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