Das "Haus Sonnenschein" trägt seinen Namen nicht von ungefähr. Eine milde Februarsonne fällt durch große Fenster in das Zimmer von Ingrid Berdnik, die auf dem Bett sitzt und mit einem Lächeln sagt: "Kommen'S nur rein." Seit einem Jahr wohnt die Seniorin aus Ohlstadt in dem lichtdurchfluteten Anbau des Reha-Zentrums Isarwinkel in Bad Tölz, ihre Möbel hat sie zum Teil selbst mitgebracht. Ob es ihr denn hier gefällt? "Doch, schon", sagt sie. An der Tür hängt ihr Wochenplan, der ziemlich voll ist: Kreatives Gestalten, Computergruppe, Wäsche waschen, Gespräche mit einem Therapeuten.
Ingrid Berdnik gehört zu den derzeit zwölf Bewohnern im Haus Sonnenschein, alle sind mehr als 60 Jahre alt und psychisch krank. In einem normalen Senioren- und Pflegeheim wären sie nicht so gut aufgehoben, meint Angela Niepel, Teamleiterin des Hauses, das zum Fachbereich Leben von ReAL Isarwinkel gehört. "Es geht bei ihnen nicht nur um Pflege, sondern um die Besonderheiten durch ihre psychische Erkrankung."
In dem flachen Anbau mit elf Einzelzimmer, drei Doppelapartments, Gemeinschaftsküche, Wohn- und Aufenthaltsraum und einer Bücherecke war früher die Demenzstation des Pflegeheims untergebracht, das ReAL (kurz für: Rehabilitation, Arbeit, Leben) im Jahr 2015 wegen erheblicher Pflegemängel schließen musste. Nun sollen dort Senioren, die an Schizophrenie, einer anderen Psychose oder schwerer Depression leiden, in einer Art Wohngemeinschaft einen ruhigen Alterssitz haben. Sie können dort so selbstbestimmt leben, wie dies möglich ist, bekommen aber Hilfe im Alltag, einen strukturierten Tagesablauf und ambulante Pflege.
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Die Bewohner sollen "in einem warmen, schönen Zuhause ihren Lebensabend verbringen können", sagt Dorothea Finck, Leiterin des Fachbereichs Lebens. Das "Haus Rosenwinkel" - eine Einrichtung für sozialtherapeutisches Langzeitwohnen von ReAL Isarwinkel im Kurviertel - eignet sich dafür kaum. Die Klienten sind dort mit 20 bis 40 Jahren weit jünger, oftmals bleiben sie nur ein bis zwei Jahre, ehe manche von ihnen in ein betreutes Einzelwohnen wechseln oder ganz ausziehen. Ältere Menschen fühlen sich in einem solchen Umfeld deplatziert, bisweilen auch zurückgesetzt.
Im "Haus Sonnenschein" gibt es vielfältige Angebote: Häkelkurse, Gartenarbeit, gemeinsames Kochen, Theaterfahrten, Ausflüge nach München, Kinoabende und Billardspielen. Ein Muss ist das nicht. "Die Förderung unserer Klienten läuft individuell, nicht nach vorgefertigten Plänen", sagt Finck. Viele Gruppen seien offen, die Bewohner könnten reinschnuppern. Ziel sei es, sie damit zu motivieren, "in eine Tagesstruktur zu kommen". Auch Frühstück und Abendessen dürfen sie sich selbst zubereiten, wenn sie möchten. Der Bedarf an solchen Plätzen, sagt Niepel, "ist größer als das, was wir bieten können".
Im Haus Sonnenschein arbeiten sieben Sozialpädagogen und Pflegekräfte, im Haus Rosenwinkel sind es 11,5 Stellen. Hinzu kommt ein Team von Therapeuten für Musik, Sport, Kunst, Ergotherapie. Sogar einen Schreinermeister gibt es. Um die Wohngemeinschaft für psychisch kranke Senioren zu etablieren, waren Finck zufolge viele Gespräche mit der Heimaufsicht des Landratsamtes und des Bezirks Oberbayern nötig. Aber es läuft gut, sagt Niepel. Die Bewohner verständen sich in aller Regel und unterstützten sich gegenseitig. In einem Regal bei der Bücherecke steht eine Reihe feiner Porzellanfiguren. Reiter, Musikanten. Eine Seniorin habe sie mitgebracht, als sie einzog, sagt Finck. Kurz zuvor war ihr Mann gestorben.