Karrieren:Mit aller Kraft

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Seine aktive Zeit als Gewichtheber liegt etwas zurück. Heute engagiert sich Florian Sperl ehrenamtlich im Verband und peilt eine politische Karriere an. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Eglinger Florian Sperl macht Lokalpolitik für die CSU und ist Präsident des Deutschen Gewichtheberverbands. Gegen Bürgermeister Hubert Oberhauser hat er bei der Kommunalwahl verloren. Aber er kann sich auch höhere Ämter vorstellen

Von Kathrin Müller-Lancé, Egling

Den Trainingsbereich, den er sich in seiner Garage eingerichtet hat, nutzt Florian Sperl schon länger nicht mehr. Die Hantelbank steht eingeklemmt zwischen dem Familienvan und einem Fahrradanhänger. "Ich hab momentan einfach keine Zeit fürs Gewichtheben", sagt Sperl. Dabei war er in der Jugend zweimal Bayerischer Meister. Heute ist er 33, Vater zweier Kinder, CSU-Ortsvorsitzender - und er ist Präsident des Deutschen Gewichtheberverbands. Bald will er sich sogar zum Vizepräsidenten des Weltverbands wählen lassen. Der Mann hat noch viel vor.

In der Garage erklärt Sperl seine länger nicht genutzten Trainingsgeräte: die roten Gewichte wiegen 25 Kilo, die blauen 20, die gelben 15. Seine persönlichen Rekorde: 118 Kilo beim Reißen, 156 Kilo beim Stoßen. Um den Unterschied zwischen den beiden Disziplinen zu demonstrieren, schnappt er sich die Stange und stemmt sie einmal über den Kopf, einmal vor die Brust - und das im weißen Businesshemd.

2017 ist Sperl mit seiner Familie nach Egling gezogen. Nur drei Jahre später bewarb er sich in der Gemeinde als Bürgermeister, als einziger Herausforderer des Amtsinhabers Hubert Oberhauser (Freie Wähler). Die Wahl im März 2020 verlor er mit 34,7 Prozent. "Das war definitiv keine Niederlage, sondern ein Erfolg für mich", sagt er heute und klingt damit ein bisschen wie ein Sportler auf der Pressekonferenz. Er habe trotz allem ein bemerkenswertes Ergebnis erzielt und sei an der Aufgabe persönlich gewachsen, sagt er.

Inzwischen sitzt Sperl für die CSU im Gemeinderat. "Ich kann nicht klagen, er hat sich mir gegenüber immer sehr respektvoll verhalten und macht im Rat eine gute Arbeit", sagt Bürgermeister Oberhauser über seinen ehemaligen Herausforderer. Als Lokalpolitiker will sich Sperl dafür einsetzen, dass die Gemeinde Egling sich der Baugenossenschaft Wolfratshausen anschließt, und dass Fotovoltaikanlagen bei Neubauten Standard werden.

Aufgewachsen ist Sperl im Münchner Stadtbezirk Allach-Untermenzing. Gleich an seinem 16. Geburtstag trat er in die CSU ein. Vorher war er schon in der Jungen Union (JU) aktiv. Warum ausgerechnet diese Partei? "Ich bin da so reingewachsen", sagt Sperl, "schon meine Eltern haben immer CSU gewählt, und die JU war die einzige Jungpartei bei uns im Ort." Ein frühes Vorbild für ihn war Edmund Stoiber: "Wie der 2003 die Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag geholt hat, das hat uns schon begeistert." Überhaupt: Das Kämpfen, der Wettbewerb, das ist einer der Hauptaspekte, die den ehemaligen Sportler Sperl auch an der Politik reizen. In beiden Bereichen brauche man Durchhaltevermögen, man müsse lernen, bei Erfolgen nicht abzuheben und bei Niederlagen nicht zu verbittern. "Für mich ist Wahlkampf auch immer ein Stück weit Wettkampf", sagt Sperl.

Während er spricht, liegen zwei Handys vor ihm auf dem Tisch, ein geschäftliches, ein privates. Über das private läuft auch die Arbeit für den Gewichtheberverband. Hin und wieder piept zusätzlich die Apple-Watch an seinem Handgelenk. Wenn Sperl nicht gerade Lokalpolitik macht oder als Sportfunktionär unterwegs ist, arbeitet er als Bautechniker. Nach der Schule hat er eine Lehre zum Zimmermann gemacht. "Dass ich gut koordinieren kann, hilft mir in allen Bereichen", sagt er. Etwa fünf von sieben Abenden in der Woche gehen für die Politik drauf. In einem digitalen Kalender halten er und seine Frau Hannah fest, wer wann welche Termine hat. Auch die Familienzeit muss eingetragen werden. "Anders würde das nicht funktionieren", sagt Sperl. Seiner Frau ist anzuhören, dass sie manchmal schon gern ein bisschen mehr von ihrem Mann hätte. "Die Familie kommt tatsächlich zu kurz", räumt Sperl ein. Die Tochter ist jetzt vier Jahre alt, der Sohn drei Monate.

Dass es momentan besonders stressig ist, er häufiger auch mal spätabends mit Kollegen aus China oder den USA konferieren muss, liegt daran, dass der Gewichthebersport gerade in der Krise steckt - vielleicht der größten Krise seiner Geschichte. Die Sportart droht aus dem Programm der Olympischen Spiele zu fliegen. Der inzwischen zurückgetretene Chef des Weltverbands und seine Vertrauten sollen etliche Dopingfälle verschleppt haben. "Es geht um Vertuschung, um Korruption und gekaufte Stimmen", sagt Sperl.

Damit Gewichtheben olympische Disziplin bleibt, muss sich der Weltverband eine neue Satzung geben. Die Reformer, zu denen Sperl sich zählt, kämpfen gegen die alte Garde. "Das Gewichtheben gehört zu den ersten olympischen Disziplinen der Neuzeit", sagt Sperl, "da will ich nicht der deutsche Präsident sein, wenn sie aus dem Programm fliegt." Dafür setze er sich ein. Für seinen Verband opfert er im Moment zwanzig Stunden die Woche - obwohl die Funktion des Präsidenten nur ein Ehrenamt ist.

Die schwierigen Aufgaben scheinen den ehemaligen Sportler besonders anzuziehen. Zu seiner Kandidatur als Vizepräsident des Weltverbands sagt er: "Die Chancen stehen ähnlich wie damals bei der Bürgermeisterwahl gegen Null." Kämpfen wolle er trotzdem. Vor der Funktionärswahl im Dezember heißt es jetzt Netzwerke knüpfen, an zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen und bei den Funktionären der anderen Länder vorsprechen - auf Englisch natürlich, noch so eine Herausforderung. Das habe ihn anfangs ziemliche Überwindung gekostet, erzählt Sperl. Seit der Schule habe er mit Englisch nichts mehr zu tun gehabt. "Ich musste mir was einfallen lassen." Jetzt nimmt er ein Mal die Woche Unterricht bei einem englischen Muttersprachler, über Zoom. "Da geht schon was." Seine Frau bewundert ihn dafür, "dass er sich einfach hinstellt und sich das zutraut".

Schließlich hat er ja auch damals, im Eglinger Bürgermeisterwahlkampf, die Podiumsdiskussion gegen den routinierten Amtsinhaber gemeistert, vor 400 Leuten. "Davor war ich wirklich aufgeregt. Die waren ja alle eine eingeschworene Gemeinschaft, und ich quasi ein Zuagroaster." Mehr als 2000 Haushalte suchte Sperl im Haustürwahlkampf auf, um sich persönlich vorzustellen - vorgenommen hatte er sich sogar mehr: "Beim nächsten Mal muss ich früher anfangen."

Ob er bei der nächsten Bürgermeisterwahl im Jahr 2026 wieder antreten möchte, weiß der Eglinger noch nicht genau. Bis dahin könne viel passieren: "Vielleicht will ich dann nicht nur Bürgermeister werden, vielleicht ergibt sich ja noch was anderes." Sein Jugendtraum sei es gewesen, Berufspolitiker zu werden. Er könne sich auch vorstellen, als Abgeordneter zu arbeiten - oder als hauptamtlicher Sportfunktionär.

Für den Rest dieses Tages hat er erst mal nichts weiter vorgesehen, einer der seltenen freien Abende. "Wobei", sagt Sperl, "vielleicht kommt ja noch was rein."

© SZ vom 12.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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