Kreativ trotz Corona:Freiluft-Dinner am Feuerring

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Ein junges Kochkollektiv möchte Gäste an außergewöhnlichen Orten bewirten, an denen ein Restaurant sonst nicht zu finden ist. Start ist im Garten des Klosters Beuerberg, von da an geht es über Berlin und Wien in die Welt

Von Anja Brandstäter, Eurasburg

250 Kilo ist er schwer, sieht aus wie eine durchgeschnittene Kugel mit Loch und besteht aus Stahl: der sogenannte Feuerring. Dabei handelt es sich um eine Outdoor-Kochgelegenheit, die der Schweizer Künstler Andreas Reichlin erfunden hat. Seine Idee war, eine mobile Kochgelegenheit zu schaffen, die unabhängig von Strom oder Gas funktioniert. Ein Exemplar des mit vielen Designpreisen gekürten Feuerrings steht nun im Garten des Klosters Beuerberg. Angeschafft hat ihn der Koch Florian Nagy, der mit einem jungen Kochkollektiv zwischen dem 23. und 29. Dezember Fünf- bis Sieben-Gänge-Menüs darauf zaubern wird. Neben Nagy bilden Helena Kopetz, Justus Becker, Norman Rietz und Tim Wilke das Kollektiv, und mit von der Partie als Gastgeberin und Gastgeber sind Tassja Viehbacher und Paul Hadulla.

"Ich habe mir überlegt, was wir im Winter anbieten könnten", sagt Nagy. Inspiriert habe ihn der Sternekoch Stefan Wiesner, der die köstlichsten Menüs auf dem Feuerring zaubert. Beim Feuerring treffen zwei Formen aufeinander: eine Schale und ein Ring. Der Ring ist oben rund um die Schale geschweißt und dient als Kochfeld. Die Schale fasst Brennholz, das wiederum die Hitze an den Ring abgibt. Gekocht wird somit auf dem Ring, auf dem Töpfe, Pfannen und Tiegel ausreichend Platz finden. Ein weiterer Vorteil dieser Form ist, dass mehrere Köche um den Ring herum gleichzeitig verschiedene Gerichte zubereiten können. "Das Kochen mit Holz hat mich unglaublich fasziniert." Kaum ein Koch könne heute noch damit kochen. "Dieses Wissen soll nicht verloren gehen", sagt Florian Nagy. Holz gibt es rund um Beuerberg genug, Nagy hat es von der Familie Stückl bezogen.

Ein exklusives und ungewöhnliches Genusserlebnis möchte das Kochkollektiv in der Weihnachtszeit anbieten. So entstand die Idee der sogenannten Rota: "Rota heißt unser Freiluftrestaurant. Unser Herd ist der Feuerring, mit dem wir draußen bei jedem Wetter kochen", erklärt Nagy. Sollte es regnet, hängen sie Planen auf. "Wir möchten unsere Gäste an außergewöhnlichen Orten bewirten, an denen ein Restaurant normalerweise nicht zu finden ist. Es geht uns ums Zusammensein, um gemeinsames Essen und um Kommunikation", sagt er.

Es wird also spannend, was Nagy, Kopetz, Becker, Rietz und Wilke kreieren. Für seine Menüs hat sich das Kochkollektiv lustige Namen ausgedacht: An diesem Donnerstag, 23. Dezember, heißt es "Die wilde Rota" und besteht aus fünf Gängen. Es folgt am Samstag und Sonntag "Das Schwein im Heu" und richtet sich mittags um 12 Uhr an Familien mit Kindern. Für sie gibt es extra eine Kinderkarte, mit Klassikern wie Knödel, Spätzle, paniertem Schnitzel mit hausgemachtem Ketchup und Vanilleeis mit Zimtsternstücken sowie selbstgemachten Dessert-Soßen. Das gleichnamige Abendmenü beginnt um 19.30 Uhr. Beim "Wiener Rondell" steht der Tafelspitz aus dem Kessel im Mittelpunkt. Auch dieses Menü servieren die Köche einmal von 12 Uhr an und ab 19.30 Uhr.

Das siebengängige Weihnachtsmenü am 25. Dezember bildet den Höhepunkt. An diesem Abend ist Tim Wilke Ring-Chef. Experimentell wird es nach den Feiertagen. Die Kreativ-Köche haben in den Herbstmonaten Hydrolate aus den Pflanzen des Klostergartens gewonnen. Apfel und Quitte steht auf zwei Gläsern neben der Destille. "Wir haben Apfelbaumrinde und Blätter destilliert", sagt Nagy. Die Quittenessenz riecht vorzüglich. "Auch ein Destillat aus Tanne, Kirsche, Rose und Brombeere haben wir hergestellt", erzählt der Koch. Die Hydrolate dienen der Aromatisierung der Gerichte, die gekocht, gegrillt oder gebraten werden. Um die Hydrolate herstellen zu können, hat Nagy eine Kupfer-Destille angeschafft. "Das Hydrolat aus den Kräutern Gewürztagetes, Pimpernelle, Minze, Melisse und Salbei verwenden wir, um den heißen Apfelsaft zu aromatisieren, den wir als Apéro reichen." Die verschiedenen Hydrolate wurden im klassischen Destillierverfahren gewonnen: Frische Kräuter, Rinden oder anderes Gut wird zunächst gereinigt und anschließend in den Aromakorb der Destille gegeben. Daraufhin wird Wasser erhitzt. Der Dampf nimmt die Schwebstoffe mit, die dann kondensiert über ein abgekühltes Rohr in einem Glas als Wasserlösung aufgefangen werden. "Im Anschluss müssen die Hydrolate sechs bis acht Wochen reifen, daher habe ich bereits im Sommer damit begonnen", erzählt der Koch. Die leichten Schwebstoffe unterstützen den Geschmack der damit zubereiteten Gerichte. Dabei werden die Aromen der Ausgangsgerichte jedoch nicht überlagert. Die einzelnen Komponenten der Gerichte sollen aber durch die jeweiligen Reaktionen der Hydrolate in den verschiedenen Bereichen des Geschmacks hervorgehoben werden. Zum Beispiel hebe die dunkle, mollige Note der Kirsche beim Reh den Eigengeschmack des Fleisches hervor, sorge aber auch für das "Umami" bei der Soße. "In Kombination mit frischer Kirsche im Blaukraut sorgt so der ganze Baum für diese interessante Unterstützung", erklärt Nagy. Die Menüs heißen entsprechend "Die Veganessenz", explizit für Veganer, oder "Die Essenz".

Die Rota-Runden finden in der beheizten Remise des Klosters statt, das derzeit umgebaut wird. Dort haben etwa vierzig Personen Platz, es sei denn, es ändern sich die Corona-Regelungen. Anders als gewohnt erfolgt der Einlass über das große Gartentor und nicht über die Klosterpforte, denn dort ist Baustelle.

Von Beuerberg aus soll die Rota später umziehen an andere besondere Plätze. Nagy träumt von einer Jurte, einem Nomadenzelt, das samt Feuerring durch Europa tingelt. Ankommen, aufbauen, einrichten. "Es braucht nicht viel, um in einer Jurte eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen. Ein warmes Feuer, ein Glas Wein und ein Gericht vom Feuerring, und schon ist eine Behaglichkeit geschaffen", schwärmt der Koch.

Um Einfachheit, Genuss und Gestaltung ging es auch dem Schöpfer des Feuerrings Reichlin. Vier Jahre lang hat der Schweizer Stahlplastiker gebraucht, bis er diese Skulptur entwickelt hatte. Sein Ziel war es, ein ästhetisches Kunstwerk zu schaffen, reduziert und schön, auf dem man im Freien gesund kochen kann. Denn schon als Kind vertrug er Gegrilltes nicht. Das Prinzip sollte auf jeden Fall simpel sein. Nun hat er einen Klassiker erschaffen, der durch das Material unvergänglich ist und von Generation zu Generation weitergegeben werden kann. Längst ist der Feuerring patentiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zum Beispiel erhielt er 2016 den internationalen Designerpreis "Red Dot Award: best of the best" für wegweisendes Design. Im Frühling 2022 - so der Plan des Kochkollektivs - wollen sie mit der Rota in Berlin Station machen und im Herbst in Wien.

Mehr Infos über Termine und Menüs unter www.dierota.de

© SZ vom 22.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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