Elektromobilität in der Werkstatt:"Sicherheitsaspekt an oberster Stelle"

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Jochen Böhm und die Berufsschule Bad Tölz-Wolfratshausen haben vom Autohaus Michael Schmidt ein neues Schulungsfahrzeug erhalten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Was müssen Kfz-Mechatroniker können, um E-Autos zu reparieren? Ein Gespräch mit Jochen Böhm von der Berufsschule Bad Tölz-Wolfratshausen über einen Beruf im Wandel.

Interview von Celine Chorus, Wolfratshausen

E-Autos werden immer beliebter. In Deutschland sind aktuell mehr als eine Million Elektrofahrzeuge zugelassen - und das stellt viele Kfz-Werkstätten vor Probleme: Ohne entsprechende Qualifizierung darf ein normaler Kfz-Mechatroniker nicht an E-Autos arbeiten. Jochen Böhm, Lehrer für den Fachbereich Kfz-Technik an der Berufsschule Bad Tölz-Wolfratshausen, äußert sich gegenüber der SZ über die Herausforderungen eines Berufs im Wandel - und wie sich Fachkräfte entsprechend weiterbilden können.

SZ: Herr Böhm, was müssen Kfz-Mechatroniker alles können, um auch E-Autos zu reparieren?

Jochen Böhm: Elektrofahrzeuge haben andere Anforderungen bei der Diagnose und Reparatur. Kfz-Mechatroniker sollten also ein solides Verständnis im Bereich der Elektrotechnik, beziehungsweise der Elektronik haben, um eine fachgerechte und zielgerichtete Diagnose im sogenannten Hochvoltsystem durchführen zu können. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen, dass ein falscher Handgriff bei der Reparatur eines Elektrofahrzeugs mit Hochvoltbordnetz deutlich gravierendere Folgen hat als bei einem konventionellen Fahrzeug ohne Hochvoltbordnetz. Deswegen steht bei diesen Fahrzeugen der Sicherheitsaspekt an oberster Stelle.

Was bedeutet es für die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, dass E-Autos immer beliebter werden?

Der Bereich Elektromobilität ist seit einigen Jahren schon im Basis-Lehrplan des Kfz-Mechatronikers für Pkw-Technik integriert. Die Auszubildenden lernen also die Grundlagen der Hochvolttechnik und damit verbunden das sogenannte "Spannungsfreischalten" des Hochvoltbordnetzes. Dies garantiert das sichere Arbeiten am spannungsfreien Fahrzeug. Ab dem dritten Ausbildungsjahr besteht für die Auszubildenden die Möglichkeit, sich auf den Schwerpunkt "E-Mobilität" zu spezialisieren. Dieses Berufsbild nennt sich dann "Kfz-Mechatroniker für System- und Hochvolttechnik".

Die Bauteile eines E-Autos müssen vor der Wartung erst einmal spannungsfrei geschaltet werden. (Foto: imago images/MiS)

Wie kann man sich diese spezielle Weiterbildung für E-Autos vorstellen?

Bei der Fachrichtung "Pkw-Technik" erlernen die Auszubildenden lediglich die Basics der Hochvolttechnik. Sie erreichen mit bestandener Gesellenprüfung die sogenannte Qualifizierungsstufe 2S und dürfen definierte Diagnose- und Reparaturarbeiten an Hochvoltsystemen im spannungsfreien Zustand durchführen. Wer den Schwerpunkt "Kfz-Mechatroniker für System- und Hochvolttechnik" wählt, erreicht mit bestandener Gesellenprüfung die Qualifizierungsstufe 3S und hat die Zusatzqualifikation "Fachkundige Person für Arbeiten an unter Spannung stehenden Hochvolt-Systemen". Dadurch darf auch die Diagnose an unter Spannung stehenden Hochvolt-Komponenten oder Energiespeichern durchgeführt werden.

"Herausforderungen als auch Chancen für die Werkstätten."

Was verändert sich durch die Elektromobilität in den Werkstätten?

Werkstattmitarbeiter müssen zum Beispiel spezielle Schulungen erhalten, um diese Fahrzeuge warten und reparieren zu können. Die Werkstätten müssen sich auf die geänderten Wartungsanforderungen vorbereiten oder eine notwendige Ladeinfrastruktur errichten. Es gibt auch rechtliche Vorgaben, wie etwa, dass der Arbeitsplatz für ein Fahrzeug mit Hochvolttechnik ausgestattet sein muss. Das Fahrzeug muss zum Beispiel besonders gekennzeichnet und der Arbeitsbereich gegen unbefugten Zutritt abgesperrt sein. Nur Personen, die die notwendigen Qualifikationen hierfür haben, dürfen diesen Arbeitsbereich betreten. Dies sind nur einige Beispiele. Ich denke, die zunehmende Elektromobilität bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die Werkstätten.

E-Autos benötigen meist weniger Reparaturen. Eine Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aus dem Jahr 2019 rechnet damit, dass in den der Automobilindustrie vor- und nachgelagerten Branchen bis 2050 rund 300 000 Stellen verloren gehen. Droht der Beruf des Kfz-Mechatronikers zu einem Auslaufmodell zu werden?

Natürlich entfallen bei Elektrofahrzeugen viele mechanische Arbeiten. Stattdessen beschäftigen sich die Mitarbeiter aber mit Elektromotoren, Hochvolt-Batterien und anderen Komponenten, die in Autos mit klassischem Verbrennungsmotor nie vorgekommen sind. All diese Unterschiede erfordern auch ein angepasstes Werkstattsystem. Aber dass der Beruf des Kfz-Mechatronikers mit zunehmender Elektromobilität ein Auslaufmodell wird, würde ich so nicht sagen. Die Schwerpunkte und Inhalte dieses Berufsbildes verändern sich nur.

Durch die Elektroautos verändern sich die Schwerpunkte und die Inhalte des Berufs Kfz-Mechatroniker. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Welche neuen Arbeitsbereiche sind dies konkret?

Zum Beispiel die Diagnose des Hochvoltsystems mit speziell hierfür vorgeschriebenen Mess- und Diagnosegeräten. Eine Überprüfung des sogenannten Potenzialausgleichs oder des Isolationswiderstandes sind Standards bei der gezielten Fehlersuche im Hochvoltbordnetz. Selbst die Arbeitsabläufe bei der Pannenhilfe oder beim Abschleppen eines Fahrzeugs haben sich durch die Elektromobilität verändert.

Wer ist als Kfz-Mechatroniker für System- und Hochvolttechnik geeignet?

Es wird keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben. Nach unseren Erfahrungen in der Berufsschule haben die Betriebe größtenteils Auszubildende mit Mittelschulabschluss oder mittlerem Schulabschluss (Realschule). Wir haben aber auch immer wieder Abiturienten, die sich für eine Ausbildung im Kfz-Bereich, teilweise als Basis für ein späteres Studium, entscheiden. Die steigende Anzahl der Abiturienten in den vergangenen Jahren zeigt auch die Attraktivität dieses Berufsbildes. Speziell für den Kfz-Mechatroniker für System- und Hochvolttechnik gilt, dass mit Sicherheit nicht jeder an Elektrofahrzeugen arbeiten kann, sondern die Person persönlich und fachlich dafür geeignet sein muss.

Was meinen Sie damit?

Grundsätzlich sollte Interesse an der Kfz-Technik sowie ein gewisses technisches Verständnis gegeben sein. Gut ist auch, wenn der Auszubildende in den sogenannten Mint-Fächern fit ist. Die Werkstätten entscheiden, welche von ihren Mitarbeitern für die System- und Hochvolttechnik geeignet sind. Diese Eignung zeigt sich meist erst dann, wenn die Auszubildenden schon einige Zeit im Betrieb verbracht haben. Es braucht einen sehr zuverlässigen Mitarbeiter, der strukturiert, eigenverantwortlich sowie fachgerecht arbeiten kann und bereit ist, sich ständig weiterzubilden. Denn gerade im Kfz-Bereich ist die Entwicklung sehr schnelllebig.

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