Ein Gespräch über Humor in Krisenzeiten:"Hühner sind ja nicht ansteckend"

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Der Schäftlarner Cartoonist Peter Gaymann postet täglich lustige Zeichnungen auf Instagram, die von den Phänomenen und Sehnsüchten der Coronazeit erzählen.

Von Marie Hesslinger

Mit seinen Hühnern ist der Cartoonist, Grafiker und Schriftsteller Peter Gaymann bekannt geworden. Seit zwei Jahren lebt der gebürtige Freiburger in Schäftlarn. Einem Impuls folgend entwirft der 69-Jährige seit Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen jeden Tag einen neuen Cartoon zur Corona-Krise. In rund vier Wochen werden die ersten 48 Zeichnungen in einem Buch erscheinen.

SZ: Herr Gaymann, wie geht es Ihren Hühnern in der Corona-Krise?

Peter Gaymann: Na, Hühner sind ja nicht ansteckend, oder? Meinen Hühnern geht es blendend, aber es sind ja nicht nur Hühner, die ich zeichne. Es denkt jeder im Moment über die Corona-Sache nach, deswegen habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, meine eigenen Gedanken dazu fast tagebuchartig umzusetzen. Das war einfach mal mein eigenes Projekt, und dabei habe ich gemerkt, dass das sehr gut ankommt. Ich stelle fest: Der Humor ist nicht tot, trotz nervlicher Anspannung.

Woher kommt Humor?

Humor gibt's immer, der kommt nicht von irgendwoher. Der ist dem Menschen eigen. Ich denke, Menschen mit Humor haben es manchmal einfacher, weil Humor entspannen kann. Insofern ist Humor in Krisenzeiten sehr wichtig. Man kann zur Seite treten, eine neue Perspektive einnehmen und ein bisschen lachen. Lachen ist ja auch heilsam. Es ist ja auch so, dass Ängste das Immunsystem runterfahren.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag gerade aus?

Im Home-Office sind wir immer. Den größten Teil des Tages sitze ich in meinem Atelier und arbeite an meinen Bildern, die müssen ja erst einmal ausgedacht werden, skizziert werden, koloriert werden. Nachmittags mache ich mit meiner Frau einen Spaziergang oder eine Radtour und versuche, ein bisschen Sonne zu tanken. Neu ist: Ich habe noch nie in 40 Jahren so gearbeitet wie jetzt, dass ich jeden Tag ganz aktuell einen Cartoon zu einer Situation mache. Als Zeichner arbeitet man sonst im Vorlauf für bestimmte Bücher, Kalender oder Zeitschriften. Es waren viele Ausstellungen geplant, zum Beispiel zu meinem 70. Geburtstag im Buchheim-Museum. Das ist jetzt alles unsicher. Und die Themen sind gerade kurzlebiger. Am Anfang hat jeder diese Klopapierwitze gemacht, auch ich, aber das Thema ist jetzt durch. Im Moment ist vielleicht das Thema: Die Geduld ist vorbei, ich bin vier Wochen zu Hause und es hört immer noch nicht auf! Auf diese Themen möchte ich reagieren.

Wie kommen Ihnen Ihre Ideen?

Die kommen mir beim Lesen, beim Diskutieren mit meiner Frau, man guckt fern, man kriegt ja viel Input. Es kann sein, dass mir abends beim Einschlafen oder beim Kaffeetrinken eine Idee kommt. Ansonsten setze ich mich in mein Atelier und denke nach. Ich versuche als Cartoonist querzudenken. Jedes Bild ist eine eigene Geschichte zu einem Thema. Ich versuche, möglichst viel in einem Bild auszudrücken, man muss verdichten. Wenn ich die Ideen skizziert habe, bespreche ich sie mit meiner Frau und schaue, wie sie reagiert. Sie ist aber die einzige, der ich etwas vor der Veröffentlichung zeige.

Schlägt Ihnen manchmal Kritik entgegen?

Zum Glück nicht. Auf Instagram habe ich jetzt sogar mehr Follower. Aber es kommen einem ängstliche Fragen entgegen: Geht das überhaupt - Humor in so einer Situation? Das kenne ich schon, weil ich auch sonst zu schwierigen Themen arbeite. Ich machejedes Jahr Zeichnungen über Demenz und Kinderhospize. Da gibt es Angehörige, die wissen, dass es schwierig ist und manchmal zum Heulen, aber die sagen: Ach, ich bin so froh, dass ich von Ihnen diese Bilder habe!

Sind Menschen zu manchen Zeiten empfänglicher für Humor als in anderen?

Vielleicht sind sie in schweren Zeiten dankbarer. Wenn es einem nicht gut geht, ist man froh, wenn jemand einen zum Lachen bringt. Humor wird dann vielleicht bewusster oder anders wahrgenommen.

Fallen Ihnen die Scherze gerade schwerer oder leichter?

Da man den Kopf voll von diesen Corona-Themen hat, ist es sogar leichter, Ideen zu haben als üblicherweise. Wenn ich jetzt nicht Corona machen würde, müsste ich schon Weihnachtskarten entwerfen. Ich bin Profi, ich weiß dann schon, wie ich reinkommen kann, aber manchmal ist es schwierig.

Täglich zeichnet der Caroonist ein Bild wie dieses über die Sehnsucht nach dem Gardasee. (Foto: Peter Gaymann, www.gaymann.de / oh)

Wie kam es dazu, dass Sie Cartoonist wurden?

Als Schüler habe ich gerne gezeichnet und gemalt. Und da ich nicht ein Kind der Traurigkeit bin, habe ich, als ich in Freiburg Sozialpädagogik studiert habe, meinen Zeichnungen eine humoristische Form gegeben. Nach dem Studium habe ich versucht, jeden Tag ein paar Stunden zu zeichnen und meine Zeichnungen an den Mann zu bringen - was natürlich nicht sofort geklappt hat. Anfang der Achtziger kam der Durchbruch, als die ersten Bücher erschienen sind.

Sie haben im März das Buch "Typisch Bayerisch!" herausgebracht. Wo liegt der Unterschied zwischen bayerischem und badischem Humor?

Baden ist Heimspiel für mich. Ich bin zwar 1986 weggegangen, aber ich habe da viele Fans. Das scheint ein Muttersprachenhumor zu sein, der gut funktioniert. In Bayern geht es mir gut mit dem "Forum Humor und Komische Kunst", das dafür kämpft, dass es ein Haus des Humors gibt. Man merkt, dass in Bayern viel Potenzial da ist und ich sehr integriert bin in dieser Szene. Es wäre sicherlich schwieriger in Ostfriesland oder so. (lacht) Mit dem Buch werden wir mal testen, ob die Landsleute in Bayern meinen Humor auch mögen.

Peter Gaymanns neues Buch erscheint in Kürze im Stuttgarter Belser-Verlag. Auf der Homepage des Cartoonisten gibt es einen Blog mit "Virus-Visionen" und "Trostpflastern per Post", www.gaymann.de

© SZ vom 25.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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