Bayerisches Brauchtum:Öffentliche Liebschaft

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In Ergertshausen wird ein junges Paar mit einer weißen Verbindungslinie auf der Straße geoutet.

Von Florian Zick, Egling

Liebesbeziehungen sind an sich etwas sehr Privates. Außer vielleicht bei Heidi Klum und Tom Kaulitz. Da wird jede Geste der Zuneigung, jede neckische Pärchen-Turtelei öffentlichkeitswirksam in den sozialen Medien inszeniert. Aber das ist eben so eine spezielle Promi-Eigenart. Genauso wie bei der Ex-Spielerfrau Simone Ballack, die kürzlich, wohlwollend begleitet von der Regenbogenpresse, standesamtlich in Wolfratshausen geheiratet hat - samt anschließender Hochzeitssause am Starnberger See, wie den einschlägigen Blättern zu entnehmen war.

Öffentliche Liebe gibt es aber nicht nur bei der Prominenz. Wie in Ergertshausen in der Gemeinde Egling derzeit zu lernen ist, kann eine intime Romanze auch sehr unverhofft und unerwartet ans Tageslicht geholt werden. Einem alten bayerischen Brauch folgend hat der in Ergertshausen ortsansässige Burschenverein in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nämlich ein junges Pärchen als Liebespaar geoutet.

Wer jüngst auf der Staatsstraße 2070 bei Ergertshausen unterwegs war, der wird sich vielleicht schon gewundert haben. Dort führt seit dem Pfingstmontag ein seltsamer weißer Strich die Dorfstraße herunter, kreuzt die Staatsstraße und führt weiter Richtung Egling. Doch nein: Hier ist kein Milchlaster Leck gelaufen, es hat auch kein Bauer versehentlich Kreide in seinen Odeltank gefüllt. Tatsächlich führt hier ein verbindender Kalkstreifen vom einen Liebenden zum anderen - in diesem Fall von Ergertshausen stolze 18 Kilometer weit bis nach Königsdorf. Begleitet von durchaus auch etwas derberen Sprüchen an den beiden Endpunkten des weißen Liebesbandes.

Normalerweise werden auf diese drastische Weise Paare öffentlich gemacht, die zwar schon länger unübersehbar ein Techtelmechtel haben, die aber nicht so richtig rausrücken wollen mit der Sprache. So scheint es nun auch in Ergertshausen der Fall gewesen zu sein. Nach dem pfingstlichen Kalkstrichziehen herrscht dort nun aber zumindest unbestechliche Klarheit darüber, wer da mit wem zusammen ist.

Wo Liebende sind, da sind aber auch Neider - diesen Eindruck erweckt zumindest ein Schriftzug vor dem alten Feuerwehrgerätehaus in der Dorfmitte, direkt gegenüber vom Schützenheim, dort also, wo man sich auch als Ergertshauser Bursche gerne mal rumtreibt. Dort steht mittlerweile etwas unleserlich in weißer Kalkschrift auf den Asphalt geschrieben: "Is des an Lex sei Hex".

Dieser Satz lässt zwar einen gewissen Interpretationsspielraum, zumal er ohne das zu erwartende Fragezeichen auskommt. Der wenig schmeichelnde Begriff "Hex" und das direkt neben den Spruch gepinselte und von einem Amor-Pfeil durchbohrte Herz erweckt aber den Eindruck: Das ist eine enttäuschte Herzschmerz-Botschaft. Da will jemand seine Missbilligung mit der öffentlich gemachten Liebesbeziehung ausdrücken.

Der Strich zieht sich 18 Kilometer weit bis nach Königsdorf - dort wohnt die Angebetete. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Also Nachfrage beim Burschenverein in Ergertshausen. Dort erklärt man: Sie selbst hätten den Schriftzug angebracht. Hex sei nicht despektierlich gemeint - im Gegenteil. Das Madl aus Königsdorf sei eine sehr Nette. Der frisch verbandelte Bursche allerdings stamme vom Lex-Hof in Ergertshausen. Und zu nachtschlafender Stunde sei ihnen eben kein besserer Reim eingefallen.

Wer der Glückliche vom Lex-Hof ist, wird an dieser Stelle übrigens verschwiegen. Wie eingangs erwähnt sind Liebesbeziehungen an sich schließlich etwas Privates. Also darf dieses Geheimnis auch gerne ungelüftet bleiben.

© SZ vom 13.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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