In Wolfratshausen und Geretsried:"Bei jeder Kundgebung kommen neue Leute dazu"

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Transparent auf der Lichterdemo in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Organisatoren sehen die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus als erfolgreich an und setzen sie alle 14 Tage fort. Schwerpunkt ist der Blick zurück in die deutsche Geschichte.

Von Felicitas Amler und Philipp Rahn, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Weiter demonstrieren bis zu den Wahlen": Das hat ein junger Mann auf der Lichterdemo am Freitag in Wolfratshausen angekündigt, und die Initiatoren machen das auch möglich. Die derzeit zehnköpfige Gruppe um Martin Lorenz und Hans Schmidt trifft sich regelmäßig, "und bei jeder Kundgebung kommen Leute dazu", sagt der grüne Wolfratshauser Stadtrat Schmidt. Im 14-tägigen Wechsel sollen weitere Demos in Wolfratshausen und Geretsried stattfinden. Fürs nächste Mal ist eine Fahrraddemo vom Neuen Platz nach Geretsried-Stein geplant. Dort wird Werner Sebb über die Geschichte Steins sprechen. Sebb ist aktives Mitglied des Arbeitskreises Historisches Geretsried und Zeitzeuge der Stunde Null - er kam als Kind im ersten Vertriebenen-Transport hier an.

Werner Sebb (rechts) spricht über die Geschichte des Lagers Stein, wofür er vor neun Jahren zusammen mit Franz Pikal und Arthur Zimprich ein Modell präsentierte. (Foto: Hartmut Pöstges)

Schon die Lichterdemo in Wolfratshausen am vergangenen Freitag hatte als Schwerpunkt einen Rückblick in die NS-Geschichte. Eva Greif, frühere Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Gymnasium Geretsried, warf ein Schlaglicht auf die Entwicklung des ursprünglich äußerst konservativ und katholisch geprägten Wolfratshausen zu einer nationalsozialistischen Stadt.

Die heutigen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus haben aus Greifs Sicht vor allem den Sinn, "den Anfängen zu wehren, achtsam zu sein und sich nicht blenden zu lassen". Natürlich wiederhole sich Geschichte nicht eins zu eins, so Greif, aber man müsse bedenken: "Die Wolfratshauser waren nicht von Anfang an Nationalsozialisten." Es sei wichtig, darauf zu achten, "wo der Kipppunkt ist".

Eva Greif (links) ist im Erinnerungsort Badehaus aktiv; hier spielt und singt sie zusammen mit Conny Schubert. (Foto: Felicitas Amler/oh)

Greif ist Vorstandsmitglied im Erinnerungsort Badehaus Waldram-Föhrenwald. Zu den Führungen dort kämen zunehmend Schulklassen, stellt sie erfreut fest. Jugendliche für die Geschichte zu sensibilisieren sei schon deswegen bedeutsam, weil die digitalen Medien und Plattformen, die sie nutzen, oft "nur Schlagworte und populistische Aussagen" transportierten. Umso wichtiger seien außerschulische Lernorte, sagt Greif. Dass das Badehaus viele junge Leute anzieht, mache ihre Hoffnung.

Hans Schmidt wiederum ist mit der Resonanz der Demonstrationen in Geretsried und Wolfratshausen "sehr zufrieden". Nach eigener Zählung seien am Freitag mehr als 400 Leute da gewesen. Er sehe es als zentral an, dass man "auf den Demos und außenrum sehr gut miteinander ins Gespräch kommt". Man lerne sympathische Menschen aus allen Bevölkerungsschichten kennen und stelle Gemeinsamkeiten fest. Allerdings sagt Schmidt auch: "Irgendwann muss die Politik sich bewegen." Was er damit meint? "Die Bundesregierung muss ein bisschen konsistenter arbeiten."

Die Frage, ob er sich schon einmal unmittelbar mit einem AfD-Anhänger auseinandergesetzt habe, verneint Schmidt. Am Freitag sei einer auf der Demo erschienen und habe AfD-Flugblätter verteilt - das sei aber unterbunden worden.

Initiator Florian Völler war Eröffnungsredner der Demonstration in Geretsried. (Foto: Manfred Neubauer)

Florian Völler, der die Demonstration in Geretsried organisiert hatte, hofft darauf, dass diese Aktionen langfristig etwas bewirken. Bei der Europawahl im Juni werde man ja sehen, wo die Leute ihr Kreuzchen machen. "Grundsätzlich bewegen wir uns in einer Blase derer, die die Remigrationspläne und die AfD ablehnen", glaubt Völler. Das sei eine homogene Gruppe. Aber er glaube, die Demonstrationen könnten "den ein oder anderen an der Wahlurne umstimmen". Als Vorteil sieht er es an, dass der Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen der AfD keine Macht habe. Auf der Demo in Geretsried hatte Völler daran erinnert, dass die Stadt bei der Landtagswahl mit 17,6 Prozent Gesamtstimmen die Hochburg der rechtsextremen Partei im Landkreis war. Dennoch, so sagt er nun, gebe es keinen effektiven Kreisverband, der diese Wähler an sich ziehen könnte.

Auf Facebook, so Völler, gebe es zahlreiche Versuche, die Demonstrationen ins Lächerliche zu ziehen. Da werde etwa gefragt: "Was hat die AfD euch denn getan? Warum bekämpft ihr eine Oppositionspartei? Warum macht ihr nichts gegen Linksextremismus?" Solche Relativierungen lehne er ab.

Die Fahrraddemo startet am Freitag, 1. März, um 18 Uhr am Neuen Platz Geretsried.

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