Covid-19 in Bad Tölz-Wolfratshausen:Gefährliche Enge

Lesezeit: 2 min

In den Mehrbettzimmern der Gemeinschaftsunterkünfte kann sich das Virus schnell ausbreiten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In mehreren Flüchtlingsheimen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gibt es einen Corona-Ausbruch. Asylhelfer fordern deshalb die Belegungszahlen zu reduzieren. Doch Ausweichquartiere gibt es so gut wie keine.

Von Florian Zick und Konstantin Kaip, Bad Tölz-Wolfratshausen

In mehreren Flüchtlingsunterkünften im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist am Mittwoch ein Corona-Ausbruch festgestellt worden. Positiv getestet wurden bislang acht Bewohner. Ob sich das Virus in den Einrichtungen noch weiter verbreitet hat, werden erst die angeordneten Reihentests zeigen. Aber auch die bis jetzt schon bestätigten Fälle haben eine Debatte darüber ausgelöst, ob in den teilweise eher engen Asyleinrichtungen genügend für die gesundheitliche Sicherheit der Bewohner getan wird.

Natürlich sei die Ansteckungsgefahr in Flüchtlingsheimen höher als anderswo, sagt Andreas Wagner (Linke). Der Geretsrieder Bundestagsabgeordnete hat deshalb schon vor einiger Zeit an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geschrieben. Eine Rückmeldung hat er bislang nicht bekommen - "und ich habe auch nicht das Gefühl, dass sich an der Lage etwas verbessert hat", sagt Wagner. Er fordert deshalb, Flüchtlinge besser zu verteilen. Man müsse die Belegungszahlen drastisch reduzieren, nur so könne man die Infektionskette wirksam unterbrechen. "Und wenn Ausweichquartiere zur Verfügung stehen, dann wäre es unsinnig, diese nicht zu nutzen", sagt Wagner.

Vorrangig müsse man sich um Flüchtlingsfamilien kümmern, findet er. Wenn sich Kinder anstecken, sei die Gefahr schließlich groß, dass diese das Virus dann in der Schule weiter verbreiteten. Es sei natürlich eine "riesen Herausforderung" und finanziell ein großer Aufwand, sagt Wagner. Aber es sei besser, präventiv zusätzliche Unterkünfte anzumieten, statt bei einer Großinfektion dann das Gesundheitssystem belasten zu müssen.

Viele Reserven zur Unterbringung von Flüchtlingen hat der Landkreis derzeit allerdings nicht. Während der großen Flüchtlingswelle 2015 hatte das Landratsamt so gut wie alles angemietet, was auf dem Markt gerade zu bekommen war. So wollte man sicherstellen, dass man nicht alle Asylbewerber in Turnhallen einquartieren musste. Aktuell unterhält der Landkreis allerdings nur noch zwei Wohnhäuser. Diese werden jedoch nicht zur besseren Verteilung der Flüchtlinge eingesetzt. Der Landkreis nutzt diese Wohnungen, um bei einem Corona-Ausbruch in einer Asyleinrichtung die betroffenen Personen und die Kontaktpersonen ersten Grades von den anderen Bewohnern separieren zu können. Noch sei in den beiden Wohnhäusern Platz, sagt Sabine Schmid, Sprecherin des Landratsamts. Die Wohnungen seien noch nicht voll belegt.

Der Bundestagsabgeordnete Andreas Wagner kritisiert die derzeitige Unterbringungspraxis. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ähnlich sieht es in der Quarantäneeinrichtung in Wackersberg aus. Die Regierung von Oberbayern bringt dort übergangsweise positiv auf das Coronavirus getestete Flüchtlinge unter. Von den 32 Plätzen dort sind derzeit 26 belegt. Die Bewohner stammen dabei aus verschiedenen oberbayerischen Asylunterkünften. Sie werden über ein Cateringunternehmen versorgt und regelmäßig von einem mobilen Ärzteteam besucht.

Dass sich das Virus vor allem in Asyleinrichtungen schnell verbreite, sei ein "strukturelles Problem", sagt Ines Lobenstein, die Vorsitzende des Wolfratshauser Helferkreises. "Gerade bei großen Gemeinschaftsunterkünften sollte es die Chance geben, dass Verdachtsfälle schnell getestet werden können." Schließlich könnten Betroffene sich nicht wie andere Bürger in die eigenen vier Wände zurückziehen und auf ihr Testergebnis warten. In den Mehrbettzimmern gebe es keine Möglichkeit, sich zu separieren. Bei einem Corona-Verdacht in einer Flüchtlingsunterkunft sei daher ein schnelles Eingreifen vonnöten, um lange Quarantänen für alle Bewohner zu verhindern.

Auch in der Unterkunft am Loisachbogen in Wolfratshausen gibt es derzeit einen Corona-Fall, die Einrichtung mit seinen 44 Bewohnern steht unter Quarantäne. Durch ihr erzwungenermaßen enges Zusammenleben seien viele Flüchtlinge sehr besorgt, sich mit dem Virus anzustecken, sagt Lobenstein. "Ich halte es schon für schwierig, wenn man da keinen Ansprechpartner hat." Zahlreiche Mitglieder des Helferkreises seien nun über Whatsapp mit den unter Quarantäne stehenden Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft in Kontakt. "Sie sollen schreiben, wenn sie was Spezielles brauchen", sagt Lobenstein. So habe man etwa einer jungen Mutter Babynahrung bringen lassen.

© SZ vom 13.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: