Eskalierende Pandemie in Bad Tölz-Wolfratshausen:"Wir stehen kurz vor dem Kollaps"

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Die Intensivstationen der beiden Kliniken im Landkreis sind am Anschlag. In der Stadtklinik Bad Tölz mussten am Mittwoch von 31 Corona-Patienten sieben intensivmedizinisch versorgt werden, in der Kreisklinik Wolfratshausen vier von 16. (Foto: Hartmut Pöstges)

In den beiden Kliniken im Landkreis liegen derzeit so viel Corona-Patienten wie noch nie. Der Landrat und die beiden Ärztlichen Direktoren appellieren daher an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen und Kontakte zu meiden

Von Konstantin Kaip, Bad Tölz-Wolfratshausen

Angesichts der weiter steigenden Corona-Fallzahlen und der enormen Belastung für die Krankenhäuser schlagen Landrat Josef Niedermaier (FW) und die Ärztlichen Direktoren der beiden Kliniken in Wolfratshausen und Bad Tölz, Josef Orthuber und Rüdiger Ilg, Alarm: "Die Intensivstationen in unseren Krankenhäusern sind voll, wir stehen kurz vor dem Kollaps", erklärt Niedermaier. Gemeinsam mit den Ärzten appelliert er an die Bevölkerung: "Lassen Sie sich impfen, nehmen Sie die Impfangebote wahr. Vermeiden Sie unnötige Kontakte und Ansammlungen vieler Menschen und lassen Sie sich testen." Nur so werde es gelingen, die dramatische Situation zu beenden. Denn die Lage in der Region sei "bedrohlich", das belegt nicht nur die Anzahl der Corona-Toten, die im Landkreis am Mittwoch um drei auf insgesamt 105 gestiegen ist. Die Impfkapazitäten im Landkreis werden laut Niedermaier "so schnell wie möglich hochgefahren".

In den beiden Kliniken lagen am Mittwoch 47 Covid-Patienten - "so viele wie noch nie seit Ausbruch der Corona-Pandemie", so Niedermaier. Elf von ihnen wurden intensivmedizinisch versorgt. In der Stadtklinik Bad Tölz waren es 31 Corona-Patienten, sieben davon lagen auf der Intensivstation, in der Kreisklinik Wolfratshausen mussten von 16 Corona-Patienten vier intensivmedizinisch behandelt werden. In Bad Tölz-Wolfratshausen gab es am Mittwoch deshalb nur noch zwei freie Intensivbetten. "Die seit Tagen hohe Inzidenz wird in den kommenden Tagen und Wochen insbesondere die Intensivstationen in eine Extremsituation bringen", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Kliniken. "Bereits heute ist absehbar, dass Patienten nicht mehr im Landkreis versorgt werden können." Denn rund ein Drittel aller stationären Covid-Fälle müsse mit Verzögerung von fünf bis zehn Tagen auch auf die Intensivstation. Gleichzeitig brauche man dort aber auch für andere potenziell lebensbedrohliche Behandlungsfälle Betten. Wegen ähnlich hoher Corona-Zahlen in den Nachbarlandkreisen gestalte sich zudem eine Verlegung in andere Kliniken "sehr schwierig". Die Regierung von Oberbayern hat am Mittwoch deshalb verfügt, dass in den Krankenhäusern vorläufig keine aufschiebbaren Operationen mehr vorgenommen werden - auch im gesamten Corona-Verbund Oberland nicht mehr.

Die meisten Covid-Patienten in den Krankenhäusern seien nicht oder nicht vollständig geimpft, so die Ärzte. "Zudem beobachten wir, dass auch jüngere Menschen ohne Impfschutz ein reales Risiko haben, sehr schwer zu erkranken." Das Durchschnittsalter der hospitalisierten Covid-Patienten, das in der zweiten Corona-Welle bundesweit noch 77 Jahre betragen habe, liege nun bei 48. "Darunter sind auch Patientinnen und Patienten unter 30, die ungeimpft sind und so schwer an Corona erkranken, dass sie auf der Intensivstation beatmet werden müssen", erklärt Rüdiger Ilg von der Stadtklinik Bad Tölz. Hinzu komme die vergleichsweise niedrige Impfquote im Landkreis, die mit 58 Prozent unter dem bayerischen Durchschnitt von 66,5 Prozent liege.

"Die Inzidenz korreliert ganz eindeutig mit der Rate der Ungeimpften, das zeigen lokale Unterschiede in Deutschland und im europäischen Vergleich", so Josef Orthuber vom Kreiskrankenhaus. "Die Leidtragenden sind am Ende nicht nur die betroffenen Patienten selbst", sagt er, "sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus, die am Ende ihrer Kräfte sind, und nicht zuletzt alle anderen Patienten, deren Behandlung nun einmal mehr verschoben werden muss." Nun gehe es darum, "das schlimmste anzunehmende Szenario abzuwenden, in dem auch eine Triage von behandlungsbedürftigen Patienten nicht mehr ausgeschlossen werden kann". Dies werde nur noch mit einer strikten Einhaltung der Hygiene- und Testmaßnahmen, Vermeidung aller unnötigen Kontakte und einem möglichst raschem Anstieg der Impfquote möglich sein.

Festzustellen sei zudem, so teilen die Ärztlichen Direktoren mit, dass sich auch Geimpfte mit der Delta-Variante anstecken, das Virus weitergeben und vereinzelt ins Krankenhaus müssen. "Diese Infektionen verlaufen jedoch in der Regel asymptomatisch oder mit geringen Symptomen." Impfdurchbrüche mit schweren Verläufen seien deutlich seltener und beträfen vor allem Patienten mit geschwächtem Immunsystem oder hohem Alter. Diese Gruppen könnten sich mit der Booster-Impfung schützen.

© SZ vom 18.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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